Alle Klarheiten über Bengasi-Anschlag beseitigt

Aktualisiert

Angriff auf US-KonsulatAlle Klarheiten über Bengasi-Anschlag beseitigt

Die Attacke auf das US-Konsulat in Bengasi am 11. September wurde zum Wahlkampfthema – doch punkten können damit weder Mitt Romney noch Präsident Obama, wie neuste Erkenntnisse zeigen.

von
Bea Emmenegger
Am 11. September 2012 brannte das US-Konsulat in Bengasi nach einem Angriff. Vier Amerikaner, darunter der US-Botschafter in Libyen, kamen ums Leben.

Am 11. September 2012 brannte das US-Konsulat in Bengasi nach einem Angriff. Vier Amerikaner, darunter der US-Botschafter in Libyen, kamen ums Leben.

War die Attacke ein terroristischer Akt der Al Kaida oder die Eskalation einer spontanen Demo gegen ein antiislamisches Video? Die Frage beschäftigt seit Wochen die Wahlkampfstrategen der Republikaner und der Demokraten. Und sie wird mit Sicherheit in der dritten Debatte zwischen Präsident Obama und Herausforderer Romney am nächsten Montag, die der Aussenpolitik gewidmet ist, eine Hauptrolle spielen. Doch zuvor müssen wohl beide Lager über die Bücher.

Am Freitag wurden Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass der US-Geheimdienst noch fünf Tage nach der Attacke in sogenannten Talking points, also in den Sprachregelungen für öffentliche Auftritte zu einem Thema, von einem Zusammenhang zwischen Demonstrationen gegen das Video «Die Unschuld der Muslime» und dem Angriff sprach. «Bisherige Erkenntnisse lassen vermuten, dass die Demonstrationen in Bengasi spontan von den Ereignissen vor der US-Botschaft in Kairo inspiriert waren.»

Susan Rice hielt sich an die Vorgaben

Das war denn auch, was die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, in diversen Talkshows sagte und was von den Republikanern als Versuch gewertet wird, aus politischem Opportunismus Terrorismus herunterzuspielen. Mit Erfolg: Die Regierung bezeichnet den Anschlag inzwischen nur noch als terroristischen Akt, und der Streit geht jetzt darum, ob Barack Obama ihn bereits am Tag danach als solchen bezeichnet habe, oder erst nach zwei Wochen.

Wie diverse Interviews mit Vertretern der CIA und Leuten in Libyen offenbaren, spielt das kaum eine Rolle, denn die Attacke scheint eher opportunistisch als geplant gewesen zu sein. Die «Washington Post» zitiert aus einem CIA-Dokument: «Die Angreifer waren unorganisiert, einige waren wohl mehr an Plünderungen interessiert. Einige die behaupteten, teilgenommen zu haben, machten mit, als die Attacke begann oder erst, als sie schon in Gang war. Es gibt keine Hinweise, dass die Attacke geprobt wurde, ... sie gelangten nie in den Sicherheitsraum ... nahmen nie Geiseln, hatten keinen Sprengstoff dabei, um die Tür zum Sicherheitsraum aufzusprengen und setzten keine Autobombe ein, um die Tore wegzusprengen.»

Angeblichen Drahtzieher aufgespürt

Nach Aussagen diverser Geheimdienstquellen seien keinerlei Hinweise gefunden worden, dass das Terrornetzwerk Al Kaida am Anschlag beteiligt gewesen sei, schreibt die «Los Angeles Times». Hingegen hätten mehrere Zeugen in Libyen ausgesagt, dass Angreifer das antiislamische Video als Grund für ihren Zorn genannt hätten: «Sie haben ihre Waffen auf mich gerichtet und gesagt, die Amerikaner beleidigten unseren Propheten», sagte Tarek einem Reporter. Der Polizist, der an dem Abend keinen Dienst hatte, war etwa eine Stunde nach Beginn des Angriffs vor Ort erschienen und von bewaffneten Milizen an einer Strassensperre angehalten worden.

Die «New York Times» und das «Wall Street Journal» hatten im Lauf dieser Woche von einem Mann berichtet, der mutmasslicher Drahtzieher der Anschläge gewesen sei. Ahmed Abu Khattala werde von Zeugen und den Behörden als einer der Hauptverdächtigen betrachtet, schrieb die «New York Times» und schilderte ein Treffen mit ihm am Donnerstag abend im Garten eines Hotels in Bengasi, wo er sich völlig unbehelligt bewegen könne.

Gemäss anderen Quellen hat Abu Khattala kaum etwas mit den Anschlägen zu tun. Gemäss CNN haben zwei Quellen in Libyen noch nie davon gehört, dass Abu Khattala verdächtig sei. Sie kennten ihn als zwar konservativen Muslim, aber keinesfalls als Jihadist.

Auch Hamad Bugrain, ein Sprecher der Milizenorganisation Brigade des 17. Februar, die den angegriffenen Amerikanern zu Hilfe kam, verneinte, dass Abu Khattala den Angriff befehligt habe. Er sei früher bei den Ansar-al-Scharia-Milizen aktiv gewesen, führe jetzt aber das Leben eines einfachen Bürgers. Abu Khattala selbst sagt, er sei zwar vor Ort gewesen, habe am Angriff aber nicht teilgenommen.

Bei so viel verschiedenen Versionen wird der Angriff in Bengasi, bei dem vier Amerikaner ums Leben kamen, wohl weiterhin Stoff für hitzige Debatten sein.

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