Getöteter BotschafterRomney redet sich ins Abseits
Mitt Romney macht den Tod des US-Botschafters in Libyen zum Wahlkampf-Thema und attackiert Präsident Barack Obama. Selbst konservative Kreise sind irritiert.

Mitt Romney bei seinem Auftritt am Mittwoch in Jacksonville (Florida).
Ein Grundprinzip der US-Politik besagt, dass die Differenzen zwischen den Parteien in einer aussenpolitischen Krise in den Hintergrund rücken. Mitt Romney kümmert dies nicht. Nach den Angriffen auf die US-Botschaft in Kairo und das Konsulat in Bengasi veröffentlichte er am Dienstagabend eine Mitteilung, in der er die Haltung der US-Regierung als «schändlich» bezeichnete. Grund war eine Erklärung der Botschaft in Kairo, mit der sie «die anhaltenden Versuche fehlgeleiteter Individuen, die religiösen Gefühle von Muslimen zu verletzen» verurteilte – eine Anspielung auf den Film über den Propheten Mohammed.
Die US-Regierung habe nicht etwa die Angriffe verurteilt, sondern Verständnis für die Täter gezeigt, liess Romney verlauten. Dabei war die Erklärung ohne Rücksprache mit Washington publiziert worden, und zu jenem Zeitpunkt war auch noch nicht bekannt, dass Chris Stevens, der US-Botschafter in Libyen, in Bengasi ums Leben gekommen war. Barack Obamas Sprecher Ben LaBolt erklärte am Mittwochmorgen, er sei entsetzt, dass Romney den tragischen Tod eines Diplomaten nutze, um einen politischen Angriff zu starten.
Obama persönlich verantwortlich
Doch der Präsidentschaftskandidat der Republikaner zeigte kein Einsehen. An einer Medienkonferenz in Florida am Mittwoch goss er vielmehr noch Öl ins Feuer. Die Erklärung der Kairoer Vertretung komme «einer Entschuldigung gleich», sagte Mitt Romney. Die erste Reaktion der USA auf eine solche Verletzung der nationalen Souveränität müsse jedoch Empörung sein. «Eine Entschuldigung für Amerikas Werte ist nie der richtige Weg», so Romney weiter. Auch beharrte er darauf, dass Präsident Obama persönlich verantwortlich sei für Verlautbarungen von US-Botschaften und anderen Aussenposten der Regierung.
Damit sicherte sich der Ex-Gouverneur von Masschussetts den Applaus von rechten Provokateuren wie Newt Gingrich und Sarah Palin – und beförderte sich damit gleichzeitig ins Abseits. Denn praktisch alle Spitzenpolitiker der Republikaner verhielten sich am Mittwoch getreu dem oben erwähnten Grundprinzip. Sie äusserten sich bestürzt über den Tod von Botschafter Stevens und verurteilten die Angriffe auf die Vertretungen, ohne dabei aber die Regierung Obama zu kritisieren. Selbst Mitt Romneys eigener Vize-Kandidat Paul Ryan betonte laut «Washington Post», Amerika müsse nun «Stärke zeigen».
Schlimmer als erwartet
Diese Bestrebungen hat Mitt Romney nach Ansicht von Kritikern untergraben. «Romney hat den Terroristen gegeben, was sie wollten – ein gespaltenes Land, das durch die Ereignisse von 9/11 immer noch emotional und politisch zerrissen ist», sagte Steve Clemons von der Denkfabrik New America Foundation gegenüber der Website BuzzFeed. Kommentatoren in den US-Medien bezeichnen Romneys Aussagen als «schweren Fehler». Blake Hounshell vom angesehenen Magazin «Foreign Policy» twitterte, die Politisierung der Botschafts-Angriffe durch den Romney-Wahlkampf sei «noch schlimmer, als ich erwartet habe».
Selbst im konservativen Lager wird Kritik laut. Die «Wall Street Journal»-Kolumnistin Peggy Noonan meinte auf Fox News, sie habe «nicht das Gefühl, dass sich Romney einen Gefallen getan hat». Ein hochrangiger republikanischer Aussenpolitiker sprach laut BuzzFeed sogar von einem «kompletten Desaster» und einem «Lehman-Moment» – eine Anspielung auf Äusserungen des damaligen Präsidentschaftskandidaten John McCain nach dem Konkurs der Bank Lehman Brothers vor vier Jahren, die ihn als wirtschaftspolitischen Analphabeten entlarvt und einiges zu seiner Wahlniederlage beigetragen hatten.
Immer mehr Kritik von rechts
Mitt Romney könnte nun Ähnliches blühen. Das Magazin «The Atlantic» hält es für möglich, dass er damit seine Wahlchancen «beerdigt hat». Doch offenbar fühlte sich der Republikaner bemüssigt, in der Aussenpolitik Präsenz zu markieren – ein Bereich, in dem der Präsident bei den Wählern einen klaren Vertrauensvorsprung geniesst. Romneys Glaubwürdigkeit hatte am Parteitag in Tampa zusätzlich Schaden genommen, weil er in seiner grossen Rede den Krieg in Afghanistan und die weltweit im Einsatz stehenden US-Soldaten mit keinem Wort erwähnt hatte.
Ohnehin hat in den letzten Tagen die Kritik aus dem rechten Lager an Romneys nach wie vor schwachem, inhaltlich schwammigen Wahlkampf deutlich zugenommen. Noch immer ist der Kandidat nicht gewillt, klare Aussagen zu seinen wirtschaftspolitischen Plänen zu machen. Dabei ist bereits Mitte September, der Wahltermin rückt näher. Ein Erfahrungswert besagt, dass jener Kandidat, der zum jetzigen Zeitpunkt vorne liegt, in der Regel auch Anfang November gewinnt. Im heurigen Wahlkampf wäre dies Barack Obama.