Ein Weichei im Weissen Haus?

Aktualisiert

Pannen-Kandidat RomneyEin Weichei im Weissen Haus?

Eine verbockte Auslandreise, ein schwacher Wahlkampf, Gerüchte um seine Steuern: Mitt Romney kommt als Obama-Herausforderer nicht auf Touren. Die Republikaner sind besorgt.

Peter Blunschi
New York
von
Peter Blunschi
New York

Auf solche Schlagzeilen kann jeder Präsidentschaftskandidat verzichten: «Der Weichei-Faktor» betitelt das Magazin «Newsweek» in seiner aktuellen Ausgabe eine Story über Mitt Romney, der für die Republikaner den verhassten Barack Obama aus dem Weissen Haus vertreiben soll. «Newsweek» stellt seine Eignung dafür nachdrücklich in Frage: «Ist er einfach zu unsicher, um Präsident zu sein?», heisst es auf der Titelseite weiter.

In den letzten Wochen hat der Ex-Gouverneur von Massachusetts seinen Kritikern mehr Munition geliefert, als ihm lieb sein dürfte. Die Auslandreise, mit der Romney eigentlich sein aussenpolitisches Profil schärfen wollte, geriet zur Tour der Peinlichkeiten: An allen drei Stationen - Grossbritannien, Israel und Polen - sorgten der Kandidat oder seine Mitarbeiter mit unbedachten Aussagen für negative Schlagzeilen. Die Republikaner wiegelten ab: Romney habe bei jüdischen und polnischstämmigen Wählern gepunktet, heisst es.

Romney, der Outsourcer?

Dabei wächst vier Wochen vor dem Parteikonvent in Tampa, bei dem Mitt Romney offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekrönt werden soll, in den Reihen der Republikaner die Nervosität. Schon während der Vorwahlen tat sich der 64-Jährige schwer gegen Bewerber, die eigentlich «unwählbar» waren, wie den Rechtsaussen Rick Santorum oder den sprunghaften Newt Gingrich. Wirklich durchsetzen konnte er sich erst, als seinen Rivalen das Geld ausging. Seither setzt er seine schwache Vorstellung nahtlos fort.

Wochenlang attackierte das Wahlkampfteam von Barack Obama ihn in den entscheidenden «Swing States» mit Negativ-Werbespots, die Mitt Romney vorwarfen, er sei als Chef der Bostoner Investmentfirma Bain Capital für das Outsourcen von US-Jobs in Billiglohnländer verantwortlich gewesen. Romney reagierte nicht. Erst als Obamas Wadenbeisser ihm zusätzlich unterstellten, er habe während seines Engagements als Chef der Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City widerrechtlich weiter für Bain gearbeitet, beklagte er sich in mehreren Interviews über die unfaire Kampagne. Was ihm von Rahm Emanuel, dem ehemaligen Stabschef von Barack Obama, ein höhnisches «Hör auf zu heulen!» einbrachte.

45 Prozent sehen ihn negativ

Eigentlich sei Romney «mehr eine Heulsuse als ein Weichei», meint auch «Newsweek». Er fürchte sich davor, schwach zu wirken, und wirke genau deshalb schwach. Noch schlägt sich das in den nationalen Umfragen vordergründig nicht nieder. Die Website realclearpolitics, die alle wichtigen Umfragen der USA zusammenfasst, sieht ihn mit 45 zu 47 Prozent nur knapp hinter Obama. Doch dieser Wert reflektiert in erster Linie die Polarisierung in den USA. Bei genauer Betrachtung sieht es für Mitt Romney nicht gut aus.

In der neusten Erhebung von NBC und «Wall Street Journal» äusserten nur 30 Prozent der Befragten eine positive Meinung über den Republikaner, 45 Prozent hingegen sehen ihn negativ. Und 25 Prozent wissen nicht, was sie von dem Typen halten sollen, der sich nicht aus der Reserve wagt. Barack Obama dagegen kommt auf 49 Prozent Zustimmung und 43 Prozent Ablehnung. Seit dem griesgrämigen Bob Dole, der 1996 gegen Bill Clinton verlor, verzeichnete kein Republikaner zum gleichen Zeitpunkt derat schlechte Werte.

Ein-Themen-Wahlkampf

Dabei müsste Romney angesichts der Unzufriedenheit über die schwache Wirtschaftslage und die hohe Arbeitslosigkeit eigentlich in Führung liegen. Entsprechend verärgert sind viele Konservative. Romney solle seine «alten Freunde» rauswerfen und für seinen Wahlkampf einige «echte Profis» anheuern, twitterte Medienmogul Rupert Murdoch bereits Anfang Juli. Bislang machte Romney keine Anstalten, den Rat zu befolgen. Ebenso will er an seinem Ein-Themen-Wahlkampf festhalten, der sich auf die Wirtschaft konzentriert - der einzige Bereich, in dem er in den Umfragen besser bewertet wird als der Amtsinhaber.

Auch diese Strategie ist heikel. Kommentatoren und Parteifreunde wie Scott Walker, der Gouverneur von Wisconsin, warnen Romney davor, die Präsidentschaftswahl einzig zu einem Referendum über Obamas Wirtschaftspolitik zu machen. Ein Beweber für das Weisse Haus müsse ein eigenes Profil entwickeln. Ein heikles Unterfangen bei einem notorischen Wendehals wie Romney: Die Gesundheitsreform in Massachusetts, die er einst als grösste Errungenschaft in seiner Amtszeit als Gouverneur gepriesen hat, würde er heute angesichts der verhassten Obamacare am liebsten aus den Geschichtsbüchern tilgen.

Keine Steuern bezahlt?

Und da lauert noch ein Problem: Der schwerreiche Mormone weigert sich hartnäckig, seine Steuerdaten für mehr als die gesetzlich erforderlichen zwei Jahre offenzulegen, obwohl ihn selbst einflussreiche Republikaner dazu auffordern. Romney wolle verhindern, dass weitere Schweizer Konten oder Investments auf den Cayman Islands bekannt werden, glaubte man. Doch Harry Reid, Fraktionschef der Demokraten im US-Senat, äusserte gegenüber der «Huffington Post» einen bösen Verdacht: Romney habe «während zehn Jahren gar keine Steuern bezahlt». Dies habe ihm ein ehemaliger Investor bei Bain Capital anvertraut.

Ein Sprecher von Mitt Romney bezeichnete die Vorwürfe als «gegenstandslos» und «unter der Gürtellinie», doch Reid hielt gegenüber Reportern in seinem Heimatstaat Nevada an seinen Aussagen fest. Ein anderes, in Washington kursierendes Gerücht besagt, dass John McCain vor vier Jahren Romney zu seinem Vize machen wollte. Er habe darauf verzichtet, nachdem seine Berater Romneys Steuerunterlagen studiert hätten. Ein Kandidat mit einem Vermögen von rund 250 Millionen Dollar, der keine Steuern zahlt? Noch fehlen die Beweise, aber allein der Verdacht dürfte Mitt Romney schwer zu schaffen machen.

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