Jordan Matson (28)«Meine Regierung hilft den Kurden nicht – ich schon»
Die Kurden bekommen für den Kampf gegen den IS Unterstützung von unerwarteter Seite: Westliche Freiwillige schliessen sich ihnen an.
Kampfpause: Die kurdischen Kämpfer versammeln sich in der feuchten Kälte der irakischen Gebirgsstadt Sindschar um ein Feuer, erschöpft von Gefechten gegen die Extremisten des Islamischen Staats. Unter ihnen ist auch ein Mann mit Stirnband, dessen Kampfweste der Schriftzug «Christ is Lord» (Christus ist der Herr) ziert. Der 28-Jährige Jordan Matson kommt aus dem US-Bundesstaat Wisconsin und ist ein ehemaliger Soldat. Er hat sich dem Kampf der Kurden gegen die Terrormiliz IS angeschlossen.
Bevor der Kampf beendet und der IS geschlagen sei, kehre er nicht in seine Heimat zurück, sagt Matson. «Ich habe beschlossen, dass ich etwas tun werde, um diesem Land zu helfen – besonders dem kurdischen Volk.» Die US-Regierung tue ja praktisch nichts.
«Terroristen zur Hölle schicken und die Menschheit retten»
Matson und dutzende andere Männer aus dem Westen kämpfen nun auf Seiten der Kurden, getrieben von einer Art Pflichtgefühl, das im US-geführten Militäreinsatz im Irak von 2003 bis 2011 wurzelt. Während die USA und ihre Verbündeten Luftangriffe gegen die Extremisten fliegen, hoffen die Kurden darauf, dass sich ihnen weitere Kämpfer aus dem Westen für den Einsatz am Boden anschliessen.
Dass sich Ausländer an einem Krieg Dritter beteiligen, ist nicht neu; Beispiele sind etwa die französische Fremdenlegion oder die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg in den 1930er-Jahren. Die Kurden aber suchen auf moderne Art mit Hilfe sozialer Medien nach Mitkämpfern, um «Terroristen zur Hölle zu schicken und die Menschheit zu retten». Auf ihrer entsprechenden Facebook-Seite sind häufig lächelnde, hübsche und schwer bewaffnete kurdische Kommandeurinnen und Kämpferinnen zu sehen.
Bereit zu sterben
Matson, drei weitere Amerikaner und ein Australier sagen, sie seien über die Facebook-Seite zu den Kurden gestossen. Sie wird von den Volksschutzeinheiten (YPG) betrieben, der grössten syrisch-kurdischen Miliz, die im Norden Syriens und dem Irak kämpft. Die Männer gelangten von der Türkei nach Syrien und schlossen sich im vergangenen Monat einer kurdischen Offensive im Irak an. Inzwischen sind sie in der von Kämpfen schwer beschädigten Stadt Sindschar, deren jesidische Bewohner im vergangenen Jahr vor den Extremisten des IS in die umliegenden Berge flohen.
Ausländer wie Matson sagen, sie wollten Kurden, Jesiden und andere Minderheiten unterstützen. «Wie viele Menschen wurden in die Sklaverei verkauft oder getötet, nur weil sie einer anderen ethnischen Gruppe oder Religion angehören?», sagt Matson. Um sie zu verteidigen, sei er bereit zu sterben.
«Sie teilen viele Dinge mit uns»
Die anderen westlichen Ausländer wollen anonym bleiben. Sie fürchten die Reaktion ihrer Familien, die nicht wissen, wo sie sich aufhalten, oder juristische Probleme bei ihrer späteren Rückkehr in die Heimat. Vielen ist das Kämpfen in einer fremden Armee verboten.
Einer der Kurden, der 21-jährige Chalil Oysal aus Syrien, verbringt viel Zeit mit den Ausländern, denn er spricht Englisch. «Wir lernen von ihnen, und sie lernen von uns», sagt Oysal, der von seinen amerikanischen und australischen Kameraden «Bucky» genannt wird. «Sie sprechen mit uns, und sie machen gerne Witze. Sie teilen viele Dinge mit uns.»
«Du musst wissen, worauf du dich einlässt»
Westliche Kämpfer in Sindschar sagen, es gebe Bemühungen, so viele Ausländer wie möglich zu rekrutieren, insbesondere solche mit militärischer Ausbildung. Denn viele der kurdischen Kämpfer hätten kaum Erfahrung. Waffen und Munition übernähmen die jungen Kämpfer häufig von toten IS-Extremisten, Schutzwesten seien Mangelware.
Zwei der ausländischen Kämpfer kehrten gerade von einem Besuch bei einem im Gefecht schwer verwundeten Amerikaner zurück. Ein weiterer Kämpfer, ein Niederländer, sei vergangene Woche bei Kämpfen in Syrien schwer verletzt worden, sagen sie. «Du musst wissen, worauf du dich einlässt», erklärt Matson. «Oft gehst du raus und lebst in einer Lehmhütte. Du hast Kugeln und eine Decke, und manchmal hast du nur Brot, aber du musst die Frontlinie halten.»