IS-Rapper – tot, im Koma oder nur verletzt?

Aktualisiert

Deso DoggIS-Rapper – tot, im Koma oder nur verletzt?

Der IS-Jihadist Denis Cuspert soll getötet worden sein. Wieder einmal. Einiges spricht für den Wahrheitsgehalt der Todesmeldung, anderes nicht.

Ann Guenter
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Ann Guenter

Kurz vor seinem 40. Geburtstag soll der deutsche Jihadist Denis Cuspert in Syrien bei einem Raketenangriff getötet worden sein. Es spricht einiges dafür, dass es sich diesmal nicht um eine Falschmeldung handelt: Es ist zumindest das erste Mal, dass sowohl einige Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als auch lokale Oppositionelle über Cusperts Tod berichten.

«Dieses Mal scheint es zu stimmen: Der deutsche Rapper und Jhiadist Deso Dogg aka Denis Cuspert ist tot», tweetet der renommierte Terrorexperte Peter Neumann. Er bezieht sich auf einen «Spiegel»-Bericht, der sich auf das US-Pentagon beruft. «Ich kann bestätigen, dass Denis Cuspert bei einem Angriff nahe Rakka am 16. Oktober getötet worden ist», sagte Pentagon-Sprecherin Elissa Smith in der Nacht auf Freitag.

Deutsche Sicherheitsbehörden hingegen äusserten sich bislang nicht.

«Ich neige zu schwer verletzt»

Die Gerüchte über den Tod des Berliners, der beim IS zu einer Art Propaganda- und Kommunikationsminister für deutschsprachige Jihadisten aufgestiegen war, kursieren bereits seit Tagen. Cuspert soll zusammen mit anderen Insassen vor rund zwei Wochen bei einem US-Luftangriff ums Leben gekommen sein, als sein Pick-up zwischen Raqqa, der IS-Hauptstadt und Tabqa im Nordosten Syriens getroffen wurde. Das hatten zunächst Anti-IS-Gruppierungen berichtet.

Sie beziehen sich alle auf einen Facebook-User, der sich offenbar in Raqqa aufhält. Dieser schrieb am 17. Oktober, dass Flugzeuge der Anti-IS-Koalition «vor zwei Tagen» Fahrzeuge mit IS-Anhängern getroffen worden waren.

Nur: Am 15. Oktober flog die Anti-IS-Koalition nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums keine Luftangriffe im Grossraum Raqqa.

Auch Islamexperte Ahmed Mansour bleibt skeptisch. Er hat Kontakte zu IS-Anhängern in Syrien und Irak. Derzeit würden in den IS-Kreisen zwei Versionen kursieren, wonach Cuspert entweder schwer verletzt sein oder im Koma liegen soll. «Ich neige zu schwer verletzt», sagt Mansour zu 20 Minuten.

Taktik für den Personenkult

Und: Es könnte auch Taktik sein, dass der ansonsten in seiner Kommunikation äussert professionelle IS den Tod des gebürtigen Berliners während Wochen weder bestätigt noch dementiert. Immerhin ist Cuspert bereits mehrfach für tot erklärt worden, nur um dann Monate später per Video und social media wieder «aufzuerstehen» (siehe Infobox). Das gehört zur Propaganda des IS: Gerüchte um Tod und Wiederauferstehung von Jihihadisten und ihren Anführern haben vor allem zum Ziel, den Mythos um diese Personen zu stärken.

«Raqqa ist heute wie einst Ostberlin»

Dazu kommt, dass es derzeit unheimlich schwierig ist, Nachrichten aus der IS-Hauptstadt zu erhalten. «Dort herrscht wegen der Luftangriffe seit längerem der Ausnahmezustand und totales Chaos», sagt Mansour. «Das Internet bricht immer wieder zusammen, privates Internet gibt es nicht mehr, alles läuft über kontrollierte Internetcafes. Raqqa ist heute wie einst Ostberlin: Niemand kann raus oder rein, die Kommunikation ist erheblich erschwert, Nachrichten aus Raqqa sind nur sehr schwer zu bestätigen.»

Letztlich gibt es wirkliche Gewissheit erst dann, wenn sowohl der IS wie auch mehrere Geheimdienste Cusperts Tod bestätigen – und nicht allein die USA.

Denis Cuspert aka Deso Dog aka Abu Talha al-Almani ist ein wahrer Überlebenskünstler: Obgleich er schon mehrmals für tot erklärt wurde, kam er immer wieder ins Leben zurück. Bereits 2013 soll er bei einem Bombenangriff bei Aleppo zum Märytrer geworden sein. Wie auch heute machten damals Fotos des Getöteten im Internet die Runde, und Cusperts Anhänger trauerten, beziehungsweise feierten ihr Idol. Verfrüht, wie sich zeigte, denn der Berliner meldete sich Monate später via Video, in dem er zum Krieg gegen den Westen aufrief. Im Frühjahr 2014 kam Cuspert wieder «ums Leben», diesmal bei einem Anschlag der konkurrierenden Al-Nusra-Front. Videos, die Cuspert mit Enthaupteten zeigen oder seine offenen Drohungen gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verbreiteten, wiederlegten auch diese Meldungen. Allerdings: Eine Bestätigung des Pentagons gab es zuvor noch nie.

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