Tausende fordern sofortigen Brexit«Wir wollen unser Land zurück»
Während das britische Parlament das EU-Austrittsabkommen zum dritten Mal ablehnte, gingen in London Tausende Menschen auf die Strasse. Sie verlangen den sofortigen Austritt aus der EU.
Video: Anna Miller/Joel Bedetti
Beim Parliament Square, ein paar Meter vom Britischen Parlament entfernt, protestieren heute Freitagabend Tausende englische Bürger lauthals gegen das politische Establishment. Dass der Brexit nicht, wie ursprünglich geplant, heute am 29. März stattfindet, lässt sie wütend und enttäuscht zurück.
Viele von ihnen fordern einen sofortigen Austritt. Sie sagen: «Unsere Stimme, die Stimme des Volkes, wurde nicht gehört.» Viele, die mit Fahnen und Plakaten bewaffnet die Strassen säumen, fühlen sich verraten und gedemütigt. Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot vor Ort, der Verkehr im Zentrum kam teilweise zum Stillstand.
Völkerwanderung nach London
Am 23. Juni 2016 hatten sich 51,89 Prozent der Wähler für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ausgesprochen – knapp 17 Millionen Bürger. Hunderte von den Brexit-Befürworterinnen und -befürwortern haben vor 14 Tagen begonnen, aus allen Ecken des Landes in die Hauptstadt London zu marschieren – unter der Führung des Konservativen Nigel Farage und der Kampagne «Leave means leave» verlassen
heisst verlassen.
Der heutige Marsch wurde als historische Rally angekündigt. Im Vergleich zum Grossaufmarsch vor rund einer Woche, wo laut Angaben der Veranstalter über 1 Million Menschen gegen den Brexit protestierten, bleibt der heutige Auflauf eher klein.
Doch viele der Brexit-Befürworter sehen den Marsch als letzte Chance, den Politikern in London zu zeigen, dass sie mit dem Hin und Her nicht einverstanden sind. Und erst recht kein drittes Referendum wollen. Sondern sofort aus der EU raus, um jeden Preis.
Auf Facebook kündigten einige Brexiteers Strassensperren und Gewalt an, sollte Grossbritannien die EU nicht wie geplant um 23 Uhr Londoner Zeit verlassen. Die Abgeordneten im britischen Unterhaus haben das Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May derweil vor ein paar Stunden zum dritten Mal abgelehnt.
Testabstimmungen am Montag
Nun droht dem Land entweder ein Austritt ohne Abkommen am 12. April oder eine lange Verschiebung des Brexit mit einer Teilnahme an den Europawahlen Ende Mai. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte kurz nach Bekanntgabe des Resultates via
Kurznachrichtendienst Twitter einen EU-Sondergipfel am 10. April an.
Am Montag soll nun das britische Parlament eine zweite Runde von Testabstimmungen über Alternativen zu dem Abkommen abhalten. Bei der ersten Runde hatten sich die Parlamentarier noch nicht auf eine Option einigen können – alle acht zur Abstimmung stehenden Vorschläge wurden abgelehnt.
*Anna Miller ist freie Journalistin und Autorin