Mit Migranten auf der brutalen Balkanroute

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VölkerwanderungMit Migranten auf der brutalen Balkanroute

«Wir reisen von Tod zu Tod»: Auf ihrer Reise in die EU weichen Flüchtlinge auf den Landweg aus. Die gefährliche Route in Bildern und Erzählungen.

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Der Landweg nach Europa beginnt in Griechenland und führt dann via Mazedonien über Serbien nach Ungarn. Manche Migranten weichen auf eine Route über Albanien, Montenegro und Bosnien aus.

Der Landweg nach Europa beginnt in Griechenland und führt dann via Mazedonien über Serbien nach Ungarn. Manche Migranten weichen auf eine Route über Albanien, Montenegro und Bosnien aus.

Aus Furcht vor der gefährlichen Reise übers Mittelmeer weichen immer mehr Flüchtlinge auf die Landroute über den Westbalkan aus. Vor allem Menschen aus dem Nahen Osten versuchen via die Türkei nach Griechenland oder in andere EU-Staaten zu gelangen.

Die Folge: Die betroffenen Staaten sind völlig überfordert. Asylzentren sind heillos überfüllt, bei Polizisten und Grenzschützern hält Willkür Einzug, brutale kriminelle Banden nützen die Situation aus, die Flüchtlinge sind rechtlos. Hunger, Witterung, Krankheiten sowie Gefahren auf Strassen und Schienen kommen hinzu – das ist die Kurzfassung des neusten Berichts von Amnesty International.

20 Minuten hat die Route nachgezeichnet – mit starken Bildern und den Erzählungen der Menschen unterwegs.

«Ich habe mich so vor dem Meer gefürchtet. Doch die wirklichen Probleme fingen erst danach an.»

A.H. aus Syrien, März 2015

(Bild: Lesbos, Griechenland, 18. Juni 2015. AFP/Louisa Gouliamaki)

«Ich folgte der Eisenbahnlinie und schaffte es zusammen mit etwa 14 Leuten bis zur Grenze nach Serbien. Dort erwischte uns die Polizei. Sie führten uns den ganzen Weg zurück zur griechischen Grenze. Sie wollten nicht einmal meinen Namen wissen. Auf der Polizeistation verbrachte ich eine Stunde, dann brachten sie mich über die Grenze.»

Flüchtling aus Pakistan

(Bild: Gevgelija, Mazedonien, 19. Juli 2015. EPA/Georgi Licovski)

«Nach 15 Minuten stoppte die Polizei den Zug nach Serbien und sagte uns, wir hätten fünf Minuten, um nach Griechenland zurückzukehren. Sie lachten. Nicht ein einziges Mal fragten sie, ob wir ein Asylgesuch stellen wollten.»

Syrer, März 2015

(Bild: Gevgelija, Mazedonien, 19. Juli 2015. EPA/Georgi Licovski)

«Wir marschierten Richtung Skopje. Wir waren etwa vier Stunden unterwegs, als uns die Polizei anhielt. Sie brachten uns auf ein Revier in einem Grenzdorf. Sie drohten uns, dass sie uns einsperren würden, sollten wir zurückkommen. Sie hatten einen Übersetzer, aber wir verstanden kein Wort, was er uns sagte. Dann brachten sie uns zurück nach Griechenland.»

Ismail, syrischer Kurde, Februar 2015

(Bild: Eidomeni, Griechenland, 21. April 2015. AFP/Sakis Mitrolidis)

«In Mazedonien gingen wir in die Wälder, wir waren eine Gruppe von etwa 150 Leuten. Dann begann die mazedonische Polizei auf uns zu schiessen, einer wurde ins Bein getroffen. Sie feuerten über eine Stunde, es klang wie AK47-Gewehre. Ich weiss nicht, was aus dem Verletzten wurde, wir teilten uns in kleine Gruppen auf und rannten los, um uns zu verstecken. Es war, als wäre ich noch in Syrien.»

A.I.M., syrischer Palästinenser, März 2015

(Bild: Gevgelija, Mazedonien, 30. Juni 2015. AFP/Robert Atanasovski)

«Beim fünften Mal nahmen wir den Zug nach Skopje. Die Polizei erwischte uns und brachte uns in ein Gefängnis oder auf ein Polizeirevier. Dort befanden sich etwa 40 Familien. Vier Stunden verbrachten wir dort, dann brachte uns die Polizei an die Grenze zu Serbien und liess uns laufen. Ich glaube, es war wegen der Familien.»

M.A., Syrer, März 2015

(Bild: Gevgelija, Mazedonien, 19. Juli 2015. EPA/Georgi Licovski)

«Die Polizei schlägt dich, sobald du um etwas bittest. Ich kannte die Regeln nicht und wenn man einen Fehler macht, wird man verprügelt.»

K., Somalier

(Bild: Gazi-Baba-Empfangszentrum für Ausländer, Mazedonien, 10. Juni 2015. Getty/Anadolu Agency/Ilin Nikolovski)

«Wir reisen von Tod zu Tod. Warum machen sie uns zu Illegalen? Die Menschen werden auf der Strasse getötet und auf den Schienen.»

N., syrischer Asylbewerber, März 2015

(Bild: Nahe Veles, Mazedonien, 9. Juni 2015. EPA/Georgi Licovski)

«Wir haben nichts mehr. Die Mafia in Mazedonien hat uns alles weggenommen. Es passiert in den Dörfern, nicht in den Städten. Neun Männer griffen uns mit Messern an. Danach gingen wir zur Polizei und baten um Hilfe ... doch sie verhafteten uns.»

Nigerianer, März 2015

(Bild: Nahe Demir Kapija, Mazedonien, 10. Juni 2015. AFP/Robert Atanasovski)

«Der grosse Schmuggler ‹Ali Baba› traf uns und machte einen Deal. Für 400 Dollar würden sie uns über die Grenze nach Serbien bringen. Es war eine zehnstündige Fahrt über die Berge. Erst führten sie uns und dann liessen sie uns allein. Sie sagten, dass ein Auto kommen werde. Wir warteten eine Stunde, aber kein Wagen tauchte auf. Es regnete, die Kinder waren nass bis auf die Knochen. Also gingen wir zu Fuss weiter. Irgendwann stellten wir fest, dass wir uns im Kreis bewegt hatten. Dann fasste uns die Polizei und brachte uns zurück nach Mazedonien.»

M.A., Syrer mit seiner Frau und zwei Kindern, März 2015

(Bild: Tabanovce-Grenzübergang zwischen Mazedonien und Serbien, 16 Juli 2015. AFP/Robert Atanasovski)

«Wir waren schon in Serbien, als uns die Polizei erwischte. Sie schaffte unsere Gruppe auf einen Militärlastwagen und brachte uns zurück nach Mazedonien. Sie liessen uns laufen und sagten: ‹Versuchts morgen wieder›.»

A.D. aus Syrien, März 2015

(Bild: Zwischen Gevgelija and Demir Kapija, Mazedonien, 5. Mai 2015. AFP/Robert Atanasovski)

«Ich kam vor zweieinhalb Monaten an. Sie befragten mich und sagten, ich bekäme innert einer Woche einen Ausweis, aber ich habe nie einen bekommen. Sie sagten mir nicht, dass ich innert 15 Tagen einen Asylantrag stellen muss, der Anwalt sagte, ich hätte mehr Zeit.»

M., aus Syrien, März 2015

(Bild: Migrationszentrum in Presevo, Serbien, 16. Juli 2015. AFP/Dimitar Dilkoff)

«Beim dritten Mal waren wir nur noch zu dritt und schafften es über die Grenze nach Serbien. Danach nahmen wir den Bus nach Belgrad.»

H., aus Syrien, März 2015

(Bild: Unterwegs von Nis nach Belgrad, Serbien, 18. Juli 2015. AFP/Dimitar Dilkoff)

«Serbien ist wunderschön, es ist magisch, aber hier gibt es keine Arbeit für mich, hier kann man nicht leben. Ich habe fünf Kinder, eines geht aufs College und eines lebt in Schweden. Für uns ist Serbien nur ein Durchgangsland.»

B. aus Syrien, Juli 2014

(Bild: Nahe Horgos, Serbien, 15. Juli 2015. EPA/Andrej Cukic)

«Vorgestern haben wir versucht, nach Ungarn zu kommen. Wir sind zehn Stunden gelaufen, aber wegen der Kinder mussten wir eine Pause machen und wurden von der Polizei erwischt. Die Polizei schlug eine Frau zu Boden und trat sie. Auch eine Schwangere im fünften Monat wurde geschlagen. Dann nahmen sie uns mit auf den Posten. Am nächsten Morgen schickten sie uns weg.»

Drei afghanische Familien mit Kindern und Senioren, März 2015

(Bild: Presevo, Serbien, 16. Juli 2015. AFP/Dimitar Dilkoff)

«In Belgrad meldeten wir uns bei der Polizei, weil wir in ein Asylbewerberzentrum wollten. Der Beamte sagte, wir sollten in die EU gehen, wenn wir noch mal auftauchten, würde er uns ins Gefängnis stecken. Wir übernachteten auf dem Bahnhof, dann fuhren wir nach Subotica an der Grenze zu Ungarn.»

H. aus Marokko, März 2015

(Bild: Fabrikruine bei Subotica, Serbien, 12. Juli 2015. EPA/Advard Molnar)

«Sie erwischten uns in Subotica. Zwei Tage und eine Nacht verbrachten wir – etwa 40 Leute – auf dem Polizeirevier in einem einzigen Raum. Es gab keine Toilette, nur einen offenen Abfluss. Sie haben uns weder zu essen noch zu trinken gegeben, nicht mal den Kindern. Dann wurden wir vor Gericht zu je 50 Euro Busse verurteilt, doch wir hatten kein Geld. Ein Anwalt wurde uns nicht zugeteilt. Es fragte auch niemand, ob wir einen Asylantrag stellen wollen.»

(Bild: An der Grenze zu Ungarn, Serbien, 25. Juni 2015. Andreij Isakovic/AFP/Getty Images)

«Ich fürchte mich vor Ungarn. Sobald wir unsere Fingerabdrücke abgeben, ist die Reise zu Ende.»

A.H. aus Syrien, März 2015

(Bild: Morahalom, Ungarn, 16. Juli 2015. Arpad Liricz/Getty Images)

«Die Polizei sperrte uns in einen Raum, plötzlich kamen Polizisten rein und schrien herum. Die Kinder sind aufgewacht und haben sich so gefürchtet, dass sie sich in die Hosen gepinkelt haben, die Ärmsten. Ich fragte die Beamten, warum sie so schreien, doch sie haben weiter herumgebrüllt. Bitte erzählt den Menschen von der unmenschlichen Haltung der ungarischen Polizei gegenüber Flüchtlingen.»

U. und I., Ehepaar aus dem Iran, März 2015

(Bild: Gefangenenlager in Kiskunhalas, Ungarn, 26. Juni 2015. AP/Bela Szandelszky)

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