Drohender MilitärschlagSo könnten die USA in Syrien angreifen
Donald Trump und Emmanuel Macron drohen nach dem Giftgas-Angriff in Duma mit einem Militärschlag in Syrien. Wie genau könnte dieser aussehen? Ein Überblick.
Weil die USA und Frankreich einen Militärschlag in Syrien in Erwägung ziehen, könnten Raketen und Marschflugkörper im östlichen Mittelmeer zum Einsatz kommen – so die Warnung der europäischen Flugsicherung an die Fluggesellschaften. Wie aber könnte ein solcher Militärschlag aussehen? Die wichtigsten Antworten auf drängende Fragen.
Welcher Art könnte der drohende Militärschlag sein?
US-Präsident Donald Trump müsse, so schreibt die «Süddeutsche Zeitung» (SZ), eine Reaktion finden, die wirksamer sei als der Angriff vor einem Jahr. Im April 2017 feuerten US-Schiffe 59 Marschflugkörper auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt Schayrat ab – als Reaktion auf den Giftgaseinsatz in Chan Scheichun. Doch kurz darauf konnten dort wieder Flugzeuge starten.
Am wahrscheinlichsten sind beschränkte Luftschläge auf bestimmte Ziele (siehe nächste Frage). Weniger wahrscheinlich ist gemäss der Zeitung ein massiver Angriff auf die syrische Luftwaffe, die Kommandostrukturen der Armee und auf Bashar al-Assads Unterstützer. Das Risiko: In vielen syrischen Militärbasen gibt es russische Soldaten, die ebenfalls getroffen werden könnten. «Der Tod russischer Soldaten durch US-Militärschläge würde eine direkte militärische Konfrontation zwischen Russland und den USA bedeuten», sagt Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz, dem «Tagesanzeiger». Resultat wäre eine massive Eskalation des Stellvertreterkriegs in Syrien.
Was sind mögliche Angriffsziele?
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte am Dienstagabend in Paris, Angriffsziele in Syrien würden Chemiewaffen-Anlagen sein. Verbündete Syriens würden nicht angegriffen. Daneben könnten sich beschränkte Luftschläge des Westens laut der «Süddeutschen Zeitung» gegen Stützpunkte der syrischen Luftwaffe richten. Als weitere Ziele kommen demnach der Luftwaffen-Geheimdienst, Logistikstützpunkte und Munitionsfabriken infrage. Washington soll ausserdem über Angriffe auf Einheiten nachdenken, die vom Iran unterstützt werden. Ebenso könnten Nachschubflüge über den Irak unterbunden werden.
Wer würde die USA unterstützen?
US-Regierungsvertreter sagten zur Nachrichtenagentur Reuters, die USA strebten im Falle eines Militäreinsatzes eine Kooperation mit Partnern an. Experten zufolge würden dafür etwa Frankreich oder Grossbritannien in Frage kommen.
Von wo aus könnten die Angriffe stattfinden?
Die Angriffe könnten durch Marschflugkörper erfolgen. Diese hat zum Beispiel der Zerstörer USS Donald Cook an Bord, der auf Syriens Küste zusteuert. Im östlichen Mittelmeer befindet sich ausserdem der Zerstörer USS Porter. Der US-Militärzeitung «Stars and Stripes» zufolge ist ausserdem eine Einsatzgruppe mit dem Flugzeugträger USS Harry S. Truman von ihrem Standort im US-Bundesstaat Virginia unterwegs in den Nahen Osten – ob diese in Syrien zum Einsatz kommt, ist allerdings unklar. Mit dabei sind der Lenkwaffenkreuzer USS Normandy sowie die Zerstörer USS Arleigh Burke, USS Bulkeley, USS Forrest Sherman und USS Farragut.
Der mögliche Partner Grossbritannien hat einen Luftwaffenstützpunkt auf Zypern. Zudem befindet sich ein britischen U-Boot mit Marschflugkörpern im Mittelmeer auf Patrouille. Frankreich verfügt gemäss Verteidigungsministerium über Kampfjets in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Jordanien. Im Mittelmeer ist ausserdem eine Fregatte mit Marschflugkörpern unterwegs.
Was hätte Russland dem entgegenzusetzen?
Russland greift seit 2015 an Assads Seite in den Syrien-Krieg ein – vor allem mit Luftschlägen. 2016 nahm Russlands einziger Flugzeugträger Admiral Kusnezow am Einsatz in Syrien teil, dieser ist jedoch nicht mehr vor Ort. Im Land selbst sind (Stand 2015) 34 Flugzeuge und etwa 2000 Soldaten im Einsatz. Zudem wurde von mehreren Kampfhelikoptern, Panzern, verschiedenen Luftabwehrmitteln und einem Kontingent Marineinfanterie berichtet.
Wie reagiert Russland auf die Drohungen des Westens?
Moskau hat Washington wiederholt vor einem Militärschlag gewarnt. Am Dienstag sagte Russlands Uno-Botschafter Wassili Nebensja laut «Spiegel Online» zu seiner US-Amtskollegin Nikky Haley: «Ich fordere Sie erneut auf, flehe Sie an, die Pläne zu unterlassen, die Sie derzeit für Syrien entwickeln.» Durch die Drohungen gegenüber Syrien könnten sich alle Beteiligten «an der Schwelle von sehr traurigen und ernsten Ereignissen wiederfinden», so Nebensja.
Ist ein möglicher Angriff gerechtfertigt?
Russland bestritt erneut, dass es in Duma einen Giftgasangriff gegeben habe. Es handle sich um eine Täuschungsoperation der Rebellen, die dafür von US-Spezialeinheiten ausgebildet worden seien. Das sei Teil eines US-Plans, Russland zu schaden, wird Nebensja von der «Süddeutschen Zeitung» zitiert. Für Nahost-Experte Meyer weist ebenfalls alles darauf hin, dass das Giftgas von Jihadisten eingesetzt wurde. So solle den USA und Frankreich ein Grund zum Eingreifen geliefert werden, sagte er dem «Tagesanzeiger». Der Giftgaseinsatz in Duma, das kurz vor der Eroberung durch Assads Truppen stehe, widerspräche jeder Logik, ist der Experte überzeugt.
Zahlreiche westliche Länder dagegen machen die syrische Regierung und deren Verbündeten Russland für den Giftgasangriff verantwortlich. Dieser Ansicht ist auch Markus Kaim, Experte für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. «Falls der Angriff mit Chemiewaffen aus der Luft erfolgte, kann nur die syrische Armee verantwortlich sein», sagte er dem «Tagesanzeiger». Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) will «bald» ein Expertenteam nach Duma zu schicken.
Laut dem Rechtswissenschaftler Francis Boyle von der juristischen Fakultät an der Universität Illinois wäre ein Militärschlag mehr als problematisch. Wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt, erklärte er am Dienstag: «Jeder US-Angriff auf die syrische Regierung oder ihre Streitkräfte würde klar sowohl US-Recht als auch internationales Recht verletzen.» Sollte Trump zu diesem Mittel greifen, wäre sogar ein Amtsenthebungsverfahren denkbar. «Die Verfassung ist eindeutig», heisst es in einer Stellungnahme des Professors für Internationales Recht.