«Ich hatte solche Angst»Geflüchtete Frau trifft IS-Peiniger in Deutschland
Eine junge Jesidin flüchtet zurück in den Irak, weil sie in Deutschland erneut vom IS bedroht wird. Doch die Ermittlungen in diesem brisanten Fall stocken.
Eine von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verschleppte und versklavte junge Jesidin aus dem Irak ist nach ihrer Flucht nach Deutschland dort nach eigenen Worten ihrem IS-Peiniger wieder begegnet. Die Bundesanwaltschaft bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, sie befasse sich mit dem Fall, eine Untersuchung laufe.
Die 19-jährige Ashwaq Haji Hamid, die in einer Flüchtlingsunterkunft in Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg lebte, ist nach eigenen Angaben Ende März in den Irak zurückgekehrt – aus Angst vor ihrem Peiniger, wie sie sagt.
Jetzt beklagt die junge Frau eine mangelnde Zusammenarbeit mit den Ermittlern. Die deutschen Behörden hätten sie zuletzt nicht kontaktiert, obwohl sie im Nordirak erreichbar sei, sagte die der Deutschen Presse-Agentur. «Warum rufen die mich nicht an?»
«Zeugin nicht erreichbar»
Das Landeskriminalamt in Baden-Württemberg hatte am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter mitgeteilt, die Ermittlungen könnten im Moment nicht fortgeführt werden, «da die Zeugin für Rückfragen aktuell nicht erreichbar ist.»
Auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte, dass eine Befragung Anfang Juni daran gescheitert sei, dass die 19-Jährige zu dem Zeitpunkt schon ausser Landes gewesen sei.
Seit Juni ermittelt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe in dem Fall, über den zunächst «Welt» und «Bild» unter Berufung auf eine irakische Nachrichtenseite und ein Internetvideo berichtet hatten.
«Er sagt, er kenne mein ganzes Leben in Deutschland»
Ashwaq Haji Hamid gehört der im Nordirak lebenden ethnisch-religiösen Minderheit der Jesiden an. Sie wurde nach eigenen Angaben 2014 von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verschleppt und auf einem Sklavenmarkt für 100 Dollar an ein IS-Mitglied verkauft. Dieser Mann habe sich Abu Humam genannt und sie als Sexsklavin gehalten und monatelang missbraucht, bis ihr nach mehr als drei Monaten am 22. Oktober die Flucht gelungen sei.
In ihrer neuen Heimat in Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg hat sie im Februar diesen Jahres nach eigenen Angaben den Mann auf der Strasse wiedergetroffen. «Er sagt, er kenne mein ganzes Leben in Deutschland. Ich hatte solche Angst, ich konnte nicht mehr reden», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Weitere Frauen erkennen IS-Kämpfer wieder
Die Polizei hatte mit den Angaben der 19-Jährigen ein Phantombild erstellt und versucht, den Mann zu finden. Leider seien ihre Angaben nicht sehr präzise gewesen und der Name, den sie nannte, habe sich keiner Person zuordnen lassen, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Die Untersuchung laufe weiter.
Recherchen des SWR stützen die Darstellung der Frau allerdings. Die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Jesiden, Zemfira Dlovani, sagte dem Rundfunk, weitere Mädchen hätten den mutmasslichen IS-Kämpfer wiedererkannt. Genauere Angaben zur Identität der Zeuginnen wolle sie derzeit nicht machen.
Ashwaq Haji Hamid will jetzt nicht mehr nach Deutschland zurückkommen, sondern in ihrer Heimat im Nordirak bleiben. «Ich hatte solche Angst, ich konnte nicht mehr in Deutschland bleiben», sagte sie. Sie sei nach Baden-Württemberg gekommen, um ihren Peiniger zu vergessen. Dies sei dort nicht mehr möglich. (sda/afp)