Streit in der KriseItalien hat «die arroganten Deutschen» satt
In der Coronakrise fühlt Italien sich allein gelassen. Von der EU und ganz besonders von Deutschland.
Die erste Belastungsprobe in der deutsch-italienischen Freundschaft zeichnete sich bereits Anfang März ab, als Deutschland die Ausfuhr von Schutzmasken verbot, während in Italien die Fallzahlen nach oben kletterten. Das wurde als wenig solidarisch angesehen - und auch nicht vergessen, als Berlin den Entscheid eine Woche später revidierte.
Noch schlechter kam an, dass Deutschland am EU-Gipfel vom 26. März gar nicht daran dachte, auf die Forderung nach der Ausgabe von europäischen Corona-Bonds einzugehen, wie das Italien, Spanien, Frankreich und anderen Ländern vorschwebte.
Streit um gemeinsame Schulden
Die Idee einer Corona-Anleihe ist, dass die 19 Euro-Staaten gemeinsam einmalig 1000 Milliarden Euro aufnehmen. Damit würden die Zinslasten für schwächere Länder sinken, weil sie von der guten Kreditwürdigkeit von Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Finnland profitierten.
Weil jedes Land für alle anderen haftet, befürchtet nicht nur Deutschland, am Ende auf den Schulden sitzen zu bleiben - ein Risiko, das aber alle Staaten eingehen. Entsprechend sah nicht nur Italien das deutsche Veto als Ausdruck des Misstrauens. Italiens Premier forderte mehr Solidarität und erinnerte an den 2. Weltkrieg: Europäische Länder hatten die deutschen Schulden damals gestrichen.
Mittlerweile haben sich die europäischen Finanzminister in dieser Woche zwar auf ein mindestens 500 Milliarden Euro schweres Corona-Rettungspaket verständigt. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte kritisierte es als «noch unzureichend», und die Querelen über gemeinsame Anleihen der Euro-Länder flammten sofort wieder auf.
«Ihr Glaube, eine überlegene Rasse zu sein»
Der Streit befeuert in Italien längst die politische Debatte von links bis rechts, wobei die EU als Ganzes in Frage und Deutschland insbesondere an den Pranger gestellt werden.
«Zuerst besiegen wir das Virus, dann müssen wir dieses Europa überdenken. Wenn es nötig ist, verabschieden wir uns», sagt Matteo Salvini, der Chef der rechtsnationalistischen Lega unlängst.
Viel Beachtung fand auch das Youtube-Video des prominenten Komikers Tullio Solenghi, der sich über «die Deutschen» und ihr Veto gegen die Corona-Bonds aufregte: Nach zwei Weltkriegen und der Ermordung von sechs Millionen Juden seien sie wieder da mit ihrer «erbarmungslosen Arroganz» und ihrem Glauben, eine «überlegene Rasse» zu sein. Für ihn steht fest: «Wir Italiener mögen Faulenzer sein, aber wir haben Menschlichkeit».
Abgehängte EU-Fahnen
Wie furiosi die Italiener sind, zeigte sich auch, als in Limone Piemonte die EU-Flagge vom Rathaus abgenommen wurde. Prompt folgten andere Orte dem Beispiel. Sie dürften die Worte des Bürgermeister des Bergortes unterschreiben: Er sei nicht gegen die EU, sagte Massimo Riberi. «Aber ich stimme nicht mit der Entscheidung Europas überein, keine Entscheidungen zugunsten der von Covid-19 am stärksten betroffenen Länder zu treffen.» In dieser Situation sollte kein Land allein gelassen werden, fügt er hinzu. «Ich werde die Flagge wieder hissen, wenn es klare Antworten aus Europa gibt.»
Ministerpräsident Giuseppe Conte bemüht sich, die Wogen zu glätten. Die EU dürfe in der Corona-Krise nicht auseinanderbrechen und Deutschland habe nichts davon, wenn Europa in der Rezession versinke.
Doch auch in Deutschland hat man die kritische Töne aus Italien registriert. Etwas indigniert verweist man darauf, dass in der italienischen Öffentlichkeit untergehe, dass auf deutschen Intensivstationen auch italienische Covid-19-Patienten behandelt würden.
Eine deutsch-italienische Annäherung bleibt vorerst auf den Videokanal beschränkt. Am 23. April wollen die EU-Staats- und Regierungschefs an ihrem Gipfel das vereinbarte Rettungspaket in der Corona-Krise weiter voranbringen.