Nach ZitteranfällenDiesmal bleibt Merkel sitzen
Angela Merkel besucht China. Die militärische Ehrenzeremonie bringt sie im Sitzen hinter sich.
Zum Auftakt ihres zweitägigen Chinabesuchs wurde Angela Merkel mit militärischen Ehren empfangen. Was diesmal allerdings ungewöhnlich war: Bei der Zeremonie standen Stühle bereit, so dass die deutsche Kanzlerin weitgehend sitzen konnte.
Aufgrund mehrerer Zitteranfälle bei ähnlichen Gelegenheiten, wo sie länger stillstehen musste, hatte sie militärische Empfänge zuletzt wiederholt im Sitzen absolviert – in China war es das erste Mal bei einem Auslandsbesuch. Premier Li Keqiang nahm die Parade im Stehen ab.
Merkel stellt sich hinter Hongkonger Demokratiebewegung
Merkel erwarten angespannte Gespräche in Peking: Bereits bei ihrer Ankunft in China hat sich die Kanzlerin für die «Rechte und Freiheiten» der Hongkonger eingesetzt. Nach Gesprächen mit Regierungschef Li Keqiang sagte Merkel, es müsse jetzt «alles daran gesetzt werden, Gewalt zu vermeiden».
Es müssten politische Lösungen durch Dialog gefunden werden, sagte Merkel am Freitag bei einer gemeinsamen Pressebegegnung in Peking. Chinas Premier gab sich zurückhaltend. Die Zentralregierung unterstütze die Hongkonger Regierung, «Gewalt und Chaos» im Rahmen der Gesetze zu beenden.
China will eigenen Angelegenheiten selber regeln
Peking halte an dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» fest, nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion regiert wird, sagte Chinas Regierungschef. Er ging damit nicht direkt auf eine Frage nach einem möglichen militärischen Eingreifen in Hongkong ein.
Allerdings wäre eine solche Intervention auch auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage möglich, wenn die Hongkonger Regierung nicht mehr mit den Protesten fertig werden und die Zentralregierung um Hilfe bitten sollte.
Li Keqiang bekräftigte aber auch, dass Peking weiter an dem Grundsatz festhalte, dass die Hongkonger ihre eigenen Angelegenheiten regelten. Er ist der höchste Regierungsvertreter in Peking, der sich bisher zu den seit mehr als vier Monaten andauernden Protesten öffentlich geäussert hat.
Hoffen auf Dialog
Merkel wurde am Abend auch von Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Gespräch und einem Abendessen empfangen - eine protokollarisch besondere Geste.
Sie verwies darauf, dass Hongkongs Grundgesetz den sieben Millionen Bewohnern der Wirtschaftsmetropole weitgehende politische Freiheiten einräume. «Ich habe darauf hingewiesen, dass die Rechte und die Freiheiten natürlich auch gewährleistet werden müssen.»
Merkel begrüsste, dass die Hongkonger Regierung das umstrittene Gesetz für Auslieferungen nach China diese Woche komplett zurückgezogen hat und auch das Gespräch mit den Bürgern aufnehmen wolle. Die Kanzlerin äusserte die Hoffnung, dass die Demonstranten jetzt auch an diesem Dialog teilnehmen könnten.
Weitere Proteste am Wochenende
Das Entgegenkommen der Hongkonger Regierung war allerdings als «zu wenig, zu spät» zurückgewiesen worden. Gefordert werden weiter eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt, eine Amnestie für die Festgenommenen und politische Reformen, die auf freie Wahlen hinauslaufen. Die Proteste sollen an diesem Wochenende weitergehen - mit einem Marsch zum US-Konsulat und möglichen neuen Aktionen am Flughafen.
Ausser den Unruhen in Hongkong überschattete der Handelskrieg zwischen den USA und China den Besuch der Kanzlerin. Merkel äusserte im Gespräch mit Li Keqiang ihre Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Konflikts. Jeder merke, dass sich der Streit auch auf andere Staaten auswirke. (sda)