Abu Bakr al-BaghdadiWer ist der Chef der Terrorgruppe Isis?
Der Al-Kaida-Ableger Isis hat Mossul überrannt und nimmt Kurs auf Bagdad. Wer ist ihr Chef Abu Bakr al-Baghdadi, der als Nachfolger von Osama Bin Laden gehandelt wird?
Wenn er es könnte, würde Osama bin Laden in seinem nassen Grab vor Neid erblassen: Die von der Al Kaida abgefallene Terrorgruppe «Islamischer Staat von Irak und Syrien» (Isis) hat diese Woche ein so grosses Territorium erobert wie noch keine Dschihad-Organisation vor ihr. Nach dem Fall von Mossul, der zweitgrössten Stadt im Irak, beherrschen die Kämpfer der Isis im sunnitischen Arabien einen riesigen Landstrich, der vom syrischen Aleppo im Westen bis 80 Kilometer an Bagdad reicht.
Der spektakuläre Erfolg der mit extremer Brutalität operierenden Isis kommt einem Rückschlag im Kampf gegen islamistische Gotteskämpfer gleich. Den Vormarsch leitete Abu Bakr al-Baghadi, ein geheimnisvoller Mann mit Geburtsnamen Abu Du'a, über den wenig Gesichertes bekannt ist. Von dem Isis-Anführer gibt es bloss zwei verbürgte Fotos. Das eine zeigt einen jungen Mann mit markanten Augenbrauen und einem rundlichen Gesicht. Auf dem zweiten ist der Isis-Führer älter, aber er blickt mit gleicher Kälte in die Kamera.
Keine Reden, keine Videobotschaften
Al-Baghdadi hält sich bedeckt, weil er überleben will. Abu Mussab al-Zarkawi, sein Vorgänger an der Spitze der sunnitischen Gotteskrieger im Irak, wurde 2006 von Lenkwaffen aus einem F-16-Kampfjet der US Air Force getötet. Das soll Abu Bakr nicht passieren. Bei Treffen mit Geiseln verhüllt er sein Gesicht hinter einer Maske. Reden gibt es keine von ihm. Und anders als der in einem pakistanischen Versteck vermutete Al-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri sendet Abu Bakr auch keine verräterischen Videobotschaften aus.
Seine Macht errang sich al -Baghdadi auf dem Schlachtfeld. Nach einem Porträt in der «Washington Post» ist er ein «geschickter Stratege, ein ergiebiger Geldbeschaffer und ein skrupelloser Killer». «In bloss einem Jahr rücksichtslosen Tötens», schreibt die «Post», «hat er an internationalem Einfluss und Prestige sogar … Zawahiri übertroffen.» Laut «Time»-Magazin ist Abu Bakr der gefährlichste Mann der Welt; die Zeitung «Le Monde» nennt ihn den «neuen Bin Laden».
Direkte Abstammung von Mohammed
Abu Bakr wurde 1971 im irakischen Samarra geboren und auf Awwad Ibrahim Ali al-Badri al-Sammarai getauft. Er entstammt einer ebenso gebildeten wie religiösen Familie, die eine direkte Abstammung vom Propheten Muhammad beansprucht. Laut «Post» schloss er seine Studien an der Islamischen Universität von Bagdad mit dem Doktortitel ab.
Als die USA 2003 im Irak einmarschierten, soll Abu Bakr als Prediger gewirkt haben. In den Wirren nach der Invasion nahm er den Abwehrkampf auf und gründete eine bewaffnete Dschihad-Gruppe im östlichen Irak. Schon damals - und immer seither - blieb der zunehmend militante Führer aber im Verborgenen.
Die Wende kam mit Syrien
Laut «Post» wurde al-Baghdadi 2005 von amerikanischen Streitkräften festgenommen und vier Jahre lang im Lager «Boca Camp» im Südirak interniert. Nach einer arabischen Quelle hat er dort mit Al-Kaida-Kämpfern zu trainieren begonnen. Als er 2010 die Führung der Al Kaida im Irak übernahm, befand sich die von zusätzlichen US-Truppen und befreundeten Stämmen bekämpfte sunnitische Rebellion jedoch auf einem Tiefpunkt.
Die Wende kam mit dem syrischen Bürgerkrieg. Der Kampf gegen die Herrschaft von Präsident Assad schuf im Osten des Landes ein Machtvakuum, in das Abu Bakr sofort eindrang. Bald strömten ihm bis zu 12'000 militante Gotteskrieger aus anderen Staaten zu, darunter geschätzte 3000 aus westlichen Ländern. Mit einer nicht endenden Serie blutiger Bombenangriffe gewann Abu Bakrs Isis immer mehr Territorien hinzu. Im Juni 2013 schüttelte er die Oberhoheit der Al Kaida ab und erklärte sich unabhängig von al-Zawahiri. Inzwischen kommandiert er laut «Le Monde» rund 10'000 Kämpfer im Irak plus 7000 - 8000 in Syrien.
Bald auch Bagdad?
Abu Bakr wird nicht leicht zu stoppen sein. Bloomberg berichtet, dass seine Krieger am Mittwoch Tikrit eingenommen haben, den Geburtsort des früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein. Abdulrahman al-Rashed, General Manager des Newskanals Al Arabiya, befürchtet das Schlimmste: Die schnellen, brutalen Kämpfer von Abu Bakr, glaubt er, werden nach Mossul zweifellos auch Bagdad zu erobern versuchen.