Feuer im RegenwaldPro Minute brennt Fläche von 1,5 Fussballfeldern ab
Welche Auswirkungen haben die Brände im Amazonas-Gebiet auf die Umwelt? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu einem der schlimmsten Brände in Brasilien.
Bilder zeigen, wie die Pflanzenwelt, aber auch Tiere unter der Katastrophe leiden. (Video: Wibbitz)
Wie schnell verbreiten sich die Brände?
Laut dem brasilianischen Weltraumforschungsinstitut INPE verbreitet sich das Feuer rasant: Pro Minute wird eine Fläche von 1,5 Fussballfeldern zerstört. Wie gross die Fläche ist, die derzeit brennt, ist noch unklar. Aber für Umweltaktivist Thomas Lovejoy steht schon klar: «Das ist eines der schlimmsten Feuer, die es je im Amazonas-Gebiet gab», sagt er zum «National Geographic» . Erst kürzlich hatte auch das INPE Zahlen vorgelegt, wonach es in Brasilien in diesem Jahr so viele Waldbrände gab wie nirgendwo sonst in der Region.
Welche Auswirkungen haben die Brände für Klima und Natur?
«Der Schaden ist irreparabel. Das ist der grösste Verlust in den letzten drei Jahrzehnten», sagt Jerônimo Sansevero, Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Rio de Janeiro, zu BBC. Der brasilianische Forstingenieur Eraldo Matricardi, Professor an der Uni Brasília, ist ähnlicher Meinung: «Die Umweltauswirkungen der Brände im Amazonas werden alle Regionen des Landes betreffen. Das zeigte am Montagnachmittag das Wetterphänomen, bei dem sich der Himmel über São Paulo verdunkelte.»
Durch Brandrodungen wird der Boden zunächst genährt. Matricardi vergleicht diese Taktik mit dem Konsum von Alkohol. «Zuerst bringt es einen Nutzen, aber dann kommt die Realität, wie wenn man trinkt: Zuerst kommt ein Glücksgefühl auf, aber am Schluss haben Sie einen Kater.»
Wie lange wird es dauern, bis sich das Gebiet erholt?
«Wenn wir optimistisch bleiben, dann wird es mindestens 20 Jahre dauern, bis sich das zerstörte Gebiet erholt hat», erklärt Wissenschaftler Sansevero weiter. Im schlimmsten Fall wird es sich aber nie mehr erholen. Es käme darauf an, welche Auswirkungen die Brände auf die Pflanzenwelt haben. Sansevero vergleicht es mit einer traumatischen Situation wie beim Menschen. «Einige werden ein Trauma besser überwinden, bei anderen ist das Leben nach einem Trauma nie mehr so, wie es einmal war.»
In Gebieten, in denen der Boden stark beeinträchtigt wurde, etwa vom Bergbau, ist es unwahrscheinlicher, dass die ursprüngliche Vegetation wiederhergestellt wird, meint der Umweltexperte. Hingegen Landwirtschaftsregionen, die noch nie gelitten haben, könnten sich nach einem Brand besser erholen.
Welche Rolle spielt die Politik?
Jair Bolsonaro (64), seit Anfang 2019 Staatspräsident Brasiliens, gilt als rechtspopulistisch und «brasilianischer Donald Trump». «Der Regenwald gehört Brasilien, nicht euch», lässt er die Welt wissen. In seinem Wahlkampf hat Bolsonaro einen Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt. Er ist ein Freund der Agrarlobby, dem die Landwirtschaft wichtiger ist als der Umweltschutz. Das Brasilianische Institut für Weltraumforschung (INPE) hatte berichtet, dass im Juni 88 Prozent mehr Regenwald abgeholzt worden waren als im gleichen Monat des Vorjahrs. Bolsonaro kritisierte die Zahlen, warf der Weltraumagentur vor, im Dienste ausländischer Umweltschutzorganisationen zu stehen. Nachdem INPE-Präsident Ricardo Galvao die Berichte mehrfach verteidigte, wurde der «Wächter des Regenwalds» nach eigenen Aussagen deswegen von Bolsonaro entlassen.
Welche Funktion haben die Regenwälder?
Die Regenwälder gelten als Klimaanlage der Erde. Sie binden einerseits CO2 aus der Atmosphäre, anderseits verdunsten sie gewaltige Mengen Feuchtigkeit. Diese Wolken, auch «fliegende Flüsse» genannt, steigen in die Höhe und kühlen die Atmosphäre ab. 25 Prozent des ursprünglichen Regenwaldes sind bereits vernichtet. Trotzdem wird weiter gerodet. Laut WWF wird jede Minute eine Fläche zerstört, die 35 Fussballfeldern entspricht. Die Abholzung reduziert die Funktion des Regenwaldes als Kohlenstoffspeicher und damit Bremse des Treibhauseffekts. Die Verbrennung des Waldes setzt neue Treibhausgase frei.
Was passiert mit dem Klima, wenn der Amazonas stirbt?
Roberto Maldonado von der Umweltorganisation WWF erklärt der «Welt», man könne keine Klimaziele einhalten, wenn der Amazonas-Regenwald abbrennt. Die Feuer seien für den gesamten Planeten eine grosse Gefahr.
Auch die Umweltforscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sind alarmiert: «Fallen die Wälder als Speicher für Wasser und Kohlenstoff aus, können sie die Erderhitzung nicht mehr dämpfen. Brände und sterbende Bäume heizen vielmehr die Klimaerwärmung zusätzlich an.»