«Man schaut auf Noten, nicht auf Fähigkeiten»

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Lehrlings-Umfrage«Man schaut auf Noten, nicht auf Fähigkeiten»

Wir haben den Lehrlingen den Puls genommen: Fast die Hälfte derer, die noch keine Lehrstelle haben, glauben eher nicht, dass sie noch eine finden.

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Diese Frage haben all jene beantwortet, die momentan noch auf Lehrstellensuche sind.

Diese Frage haben all jene beantwortet, die momentan noch auf Lehrstellensuche sind.

Googelt man das Wort «Lehre», wird es automatisch zu «Lehre abbrechen» komplettiert. Ist das ein Zeichen dafür, dass sich überdurchschnittlich viele Lehrlinge in der Schweiz unwohl fühlen? Vielleicht, weil sie die falsche Lehrstelle angetreten haben? Wie schwierig ist es überhaupt, eine zu finden? Diese Fragen haben wir in einer Umfrage unter angehenden und bereits in einem Lehrverhältnis stehenden Lehrlingen versucht zu klären.

Stelle ausserhalb der Wunschbranche?

Nicht jedem fällt es leicht, eine Lehrstelle zu finden. Leser K. beispielsweise hatte Glück: «Ich habe nur eine Bewerbung geschrieben und habe die Lehrstelle als Kaufmann in der Versicherungsbranche bekommen.» Diese gehört zu einer der Wunschbranchen für Jugendliche, die noch keine Lehrstelle gefunden haben – genau wie Wirtschaft/Verwaltung, Informatik, Gesundheit und Bildung/Soziales. Rund ein Drittel der Umfrageteilnehmer gibt an, noch auf Lehrstellensuche zu sein. Dabei erstaunt, dass rund 44 Prozent der Suchenden eher pessimistisch sind und nicht glauben, noch eine Lehrstelle zu finden. Dazu passt allerdings, dass rund 86 Prozent der Meinung sind, die Lehrstellensuche sei (eher) schwierig. Dies liegt zu grossen Teilen an Stellenknappheit in der Wunschbranche, an zu schlechten Noten sowie an zu hohen Anforderungen von Seiten der Arbeitgeber. Dies bestätigt auch eine Leserin, die auf Suche ist: «Es wird meistens nur auf die Schulnoten geachtet und nicht darauf, wie gut die Person arbeitet. Ich war nicht die Beste in der Schule und hab riesige Probleme, etwas zu finden.»

Da sich die Suche als schwierig gestaltet, sind mehr als 52 Prozent der Suchenden bereit, eine Stelle ausserhalb der Wunschbranche anzunehmen. Nur für jeden Fünften kommt dies nicht infrage. Ein knappes Drittel hat bereits mehr als 20 Bewerbungen geschrieben. Und zwei Drittel wurden zu keinem oder nur zu einem oder zwei Bewerbungsgesprächen eingeladen.

Erfreulich ist, dass deutlich mehr als die Hälfte im Bewerbungsprozess von der Familie unterstützt wird. Jeder Fünfte erhält Hilfe von der Schule. Und trotzdem: Die meisten haben bereits einen Plan B, falls es mit der Lehrstelle in diesem Jahr nicht klappen sollte. Jeder Dritte würde das 10. Schuljahr besuchen. 18 Prozent gingen gar zwecks Reisen oder Sprachaufenthalt ins Ausland.

Jeder Dritte bleibt nicht auf dem Beruf

Diejenigen, die bereits eine Lehrstelle gefunden haben, respektive sich in einer Lehre befinden, geben zu rund 69 Prozent an, ihre Traumstelle erhalten zu haben. Die restlichen 31 Prozent verneinen dies. Am Lohn liegt daswohl eher nicht: Mehr als 68 Prozent sind eher bis sehr zufrieden mit Ihrem Lehrlingslohn. Nur einer von zehn ist in dieser Hinsicht überhaupt nicht glücklich. In Zahlen ausgedrückt verdient die Hälfte jener Umfrageteilnehmer, die bereits eine Lehrstelle haben, im ersten Lehrjahr monatlich zwischen 600 und 800 Franken. Diesen Tatsachen zum Trotz ist jeder Dritte der Meinung, dass er wohl nicht auf dem Beruf bleiben wird, den er gerade erlernt. Ein Leser, der sich in einer Lehre befindet, gibt eine mögliche Erklärung dafür ab: «Häufig ist ein Problem beim Schnuppern, dass dir nur die schönen Arbeiten gezeigt werden. Sobald man die Lehre anfängt, bekommt man Arbeiten, die man nicht gerne macht oder machen wird. In meinem Freundeskreis ist es bei allen so.»

An der nicht repräsantiven Umfrage von 20 Minuten haben 2991 Menschen teilgenommen. Dabei waren rund 48% weiblich. Ein Drittel ist momentan noch auf Lehrstellensuche. Die restlichen beiden Drittel haben entweder bereits eine gefunden oder befinden sich bereits in der Lehre.

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