Gleichstellung absurdJungs habens schwer am Tochtertag
Am Donnerstag ist Tochtertag. Da dürfen Mädchen ihren Vätern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Viele Schulen sorgen mit Schikanen dafür, dass nicht allzu viele Jungs am Tochtertag auftauchen. Bei 20 Minuten Online sind sie hingegen herzlich willkommen.
Am 12. November findet der sogenannte Tochtertag statt, an dem Kinder der fünften und sechsten Klasse Einblick in die Berufswelt erhalten sollen. Eine prima Idee, finden viele Eltern. Doch die Sache hat einen grossen Haken: Der Tag richtet sich an Mädchen. Viele Buben hingegen gucken in die Röhre. Umso bemerkenswerter, als dieser Tag ausgerechnet von der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten ins Leben gerufen wurde. Darüber können viele Menschen in der Schweiz nur den Kopf schütteln.
Gleichstellung ad absurdum
«Es sollte wohl eher Ungleichstellungsbeauftragte heissen», mokiert sich Karin L. aus Zürich, Mutter eines 11-jährigen Jungen. Ihr Sohnemann hätte gerne geschaut, wo und wie seine Mutter arbeitet. Doch eine entsprechende Anfrage wurde vom Schulleiter per Rundbrief negativ Beschieden: «Sollten Knaben ihre Eltern am Arbeitsplatz besuchen wollen, können sie dies mit Einsatz eines Jokertages tun», so die Ansage in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Mädchen bekommen dagegen schulfrei. Die betroffene Mutter ärgert sich. Sie versteht zwar, dass die Mädchen in Berufswahlfragen gefördert werden sollen. Doch: «Gleichberechtigung schön und gut, aber der Schuss geht nach hinten los. Die Jungs werden vor lauter Gleichberechtigung letztlich benachteiligt.»
«Kein Berufsschnuppertag»
Diesen Vorwurf will Isabelle Santamaria, Projektleiterin des Nationalen Tochtertags, so nicht gelten lassen. «Dass der Tag in erster Linie für Mädchen gedacht ist, hat damit zu tun, dass der Tochtertag als Gleichstellungsmassnahme und nicht als Berufsschnuppertag konzipiert ist.» Dafür gibt es handfeste Gründe: «In den letzten zwanzig Jahren hat sich wenig an der geschlechtstypischen Berufswahl geändert. Mädchen und Jungen wählen heute noch aus einem unterschiedlich grossen Berufsspektrum und geschlechtstypisch», erklärt sie gegenüber 20 Minuten Online. Was das konkret bedeutet, führt Patricia Schulz, Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, aus: «Buben wählen technische Berufe und Mädchen betreuerisch-erzieherische, Buben Berufe mit hohen Karrierechancen, Mädchen solche mit tiefen.» Dieses Gefälle könne man nur aufheben, wenn die benachteiligte Seite bewusst gefördert würde. Genau dies wird seit 2001 mit dem Tochtertag versucht. Immerhin mit beachtenswerter Beteiligung.
Gleichstellung ja, aber nur für Mädchen
Warum Jungs von diesem Angebot nicht Gebrauch machen sollen, ist nicht für jeden einsehbar. Auch wenn manche Schulen an diesem Tag spezielle Projekte für Buben anbieten: «Dieses Jahr können Buben interessante Betreuungsberufe kennenlernen», erläutert die Eidgenössische Gleichstellungsbeauftragte das Alternativ-Programm für Buben. Der Haken dabei: An vielen Schulen herrscht dabei «Methodenfreiheit». Sprich, Lehrer können selber entscheiden, ob sie diese Möglichkeit anbieten oder normalen Unterricht machen. «Wir kontrollieren oder sanktionieren die Umsetzung nicht», erklärt Kathrin Schafroth von der Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Zürich. Doch selbst wenn entsprechende Projekte angeboten werden, bleibt Karin L. kritisch: «Ich sehe immer noch nicht, was das mit Gleichstellung zu tun haben soll.»
Ihre Meinung
Was sagen Sie zum Tochtertag? Ist das eine sinnvolle Einrichtung? Finden Sie es richtig, dass der Tag den Mädchen vorbehalten ist? Oder sollte ein nationaler Kindertag eingerichtet werden? Schreiben Sie Ihre Meinung im Talkback.
Zur Entstehung des Tochtertags
Von 1998 bis 2004 wurde im Rahmen der Lehrstellenbeschlüsse des Bundes das Lehrstellenprojekt 16+ durchgeführt mit verschiedenen Massnahmen zur Förderung einer offenen Berufswahl von Mädchen und Jungen. Der Nationale Tochtertag ist ein Projekt, das in diesem Rahmen entstanden ist. Er wurde 2001 als «Vater-Tochtertag» lanciert. Ziel war, Väter für die Bedeutung der Berufswahl ihrer Töchter zu sensibilisieren und gleichzeitig, Mädchen Einblick in die Berufswelt zu geben.
Elebnisse bei der Arbeit
Mädchen und Jungs können am Donnerstag von ihren Erlebnissen bei Mama oder Papa erzählen. Einfach eine Mail mit Name, Alter, Name und Ort des Betriebs sowie einigen Zeilen zum Erlebten schicken. Was gabs zu sehen? Was wurde gemacht? Und: Wäre das ein möglicher Beruf für später? Das Ganze mit Betreff «Kindertag» schicken an