Das iPad im Test

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Hands-onDas iPad im Test

Für die einen ist Apples Tablet-PC nur ein grosser iPod touch, laut den anderen wird er Medienunternehmen retten und mobiles Surfen komfortabel wie nie zuvor machen. 20 Minuten Online hat den lang erwarteten Rechner ausprobiert.

von
Henning Steier

Ende Januar hatte Apple-CEO das iPad in San Francisco vorgestellt. Anlässlich des Verkaufsstarts am Ostersamstag gab es lange Schlangen vor Apple Stores in den USA. Apple teilte gestern mit, dass am ersten Tag mehr als 300 000 iPads verkauft worden seien. Darin enthalten ist die Zahl der online vorbestellten und mit einer Spedition ausgelieferten Pakete. Der Apple-Store für iPad-Anwendungen registrierte mehr als eine Million Downloads, ausserdem wurden nach Angaben des Unternehmens mehr als 250 000 eBooks gekauft. Vom ersten iPhone waren zum Start am 29. und 30. Juni 2007 insgesamt rund 270 000 Exemplare abgesetzt worden. Laut den Marktforschern von iSuppli werden 2010 rund 7,1 Millionen, im kommenden Jahr knapp 14,4 Millionen und im Jahr 2011 etwa 20,1 Millionen iPads verkauft werden. Ähnlich optimistisch zeigten sich die Analysten: Piper Jaffray erhöht sein Kursziel für die Aktie von 284 auf 289 Dollar, JP Morgan von 240 auf 305 Dollar und Thomas Weisel von 270 auf 280 Dollar.

Geschlossenes System

Allerdings hatte 20 Minuten Online noch am Abend der Produktpräsentation eine Mängelliste des Rechners erstellt, ohne ihn in der Hand gehabt zu haben. Denn was dem iPad fehlt, war offensichtlich: Flash, was das Anschauen vieler Web-Videos und animierter Webseiten im Browser unmöglich macht. Das Display misst rund 19 x 13 Zentimeter, hat also 16:11-Format. Wer viele Web-Videos und Filme schaut, hätte sicherlich gern eine 16:9-Variante. Und für Blockbuster, aber auch Musik kann man eigentlich nie genug Speicherplatz haben. Maximal bringt das iPad aber 64 Gigabyte mit – zu wenig für unseren Geschmack.

Überdies möchten viele Nutzer ihren Tablet-PC sicherlich hin und wieder über ein HDMI-Kabel mit ihrem Fernseher verbinden. Das geht aber nicht, denn einen entsprechenden Anschluss bringt das iPad nicht mit. Beim iPhone und neueren MacBooks lässt sich der Akku nicht ohne Weiteres austauschen. Das iPad tanzt hier leider nicht aus der Reihe. Zwar hat das iPad Lautsprecher und Mikrofon, so dass man über VoIP-Anbieter wie Skype telefonieren kann. Video-Chat oder -Telefonie ist allerdings nicht möglich, denn eine Kamera suchten wir vergebens.

Im Apple-Forum haben sich unterdessen zahlreiche Nutzer über schlechte Verbindungsqualität bei der Nutzung drahtloser Funknetze beschwert. So schrieb User tdbc: «Selbst wenn ich direkt vor meinem Router stehe, wechselt die Signalstärke ständig von stark zu schwach.» Apple hat bislang nicht verlauten lassen, ob es sich dabei um einen iPad-Fehler handeln könnte. Der Apfel-Konzern schrieb auf der Hilfe-Seite nur, dass es an Dualband-Routern liegen könnte, wenn man Netzwerken die gleichen Namen gegeben oder jeweils unterschiedliche Sicherheitseinstellungen verwendet hat. Falls entsprechende Änderungen nicht helfen, solle man es mit einem Zurücksetzen der Netzwerkeinstellungen probieren. Dieses führt man über Einstellungen - Allgemein - Zurücksetzen- Netzwerkeinstellungen durch. Nutzern, die Probleme beim Laden ihres Tablet-PCs über den USB-Anschluss haben, gibt Apple auf der Support-Seite den Hinweis, dass der Rechner nur den Ladevorgang anzeigt, wenn er mit einer USB-2.0-Buchse verbunden wird. Steckt das Kabel in einem älteren Anschluss, wird das iPad nur aufgeladen, wenn es sich im Ruhezustand befindet. Dann sieht man allerdings keine Informationen zum Ladevorgang, weil das Display abgeschaltet ist.

Gar nicht so leicht

So weit die Ferndiagnose. Nun hatte 20 Minuten Online aber die Gelegenheit, die erste, nur WLAN-fähige Version des iPad mit 64-Gigabyte-Speicher im Praxis-Test auszuprobieren. Wer den Rechner zum ersten Mal in den Händen hält, dürfte vom Design begeistert sein: Er wirkt edel, hilfreich und gut – um es frei nach Goethe zu sagen. Der PC liegt gut in der Hand – auch wenn man sich anfangs noch daran gewöhnen muss, nun vom Umfang her ein dünnes Buch vor sich zu haben, das man am besten in den Händen hält. Denn wegen der abgerundeten Ecken kippelt es, wenn das iPad auf eine ebene Oberfläche abgelegt wird.

Wie bei iPhone und iPod touch zeigt das Display schnell Fingerspuren, überzeugt aber mit sehr guten Kontrastwerten. Der Tablet-PC hat ein kapazitives 9,7-Zoll-Multitouch-Display das eine Auflösung von 1024 x 768 Pixeln bietet und äusserst präzise auf Eingaben per Finger reagiert. Im Inneren steckt ein von Apple entwickelter Prozessor namens A4, der mit einem Gigahertz getaktet ist. Im Test überzeugte das iPad mit hoher Arbeitsgeschwindigkeit. Es misst rund 24 x 19 x 1,3 Zentimeter. Die Version mit WLAN bringt etwa 680, die Variante mit 3G rund 730 Gramm auf die Waage. An das Gewicht muss man sich eine Viertelstunde lang gewöhnen. Es bleibt abzuwarten, wie man das iPad mit sich herumtragen wird, wenn man es nicht in einer Umhängetasche hat.

Auf die Grösse kommt es an

Als Apple im Sommer 2008 seinen App Store startete, war das Angebot an Applikationen ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz, die lange brauchte, um Vergleichbares zu entwickeln. Mittlerweile sind unter anderem Googles Android Market, Nokias Ovi Store und Microsofts Windows Marketplace for Mobile verfügbar. Apple hat mit rund 150 000 Applikationen aber immer noch weitaus mehr Tools anzubieten als die Konkurrenz, die im Schnitt auf nicht einmal ein Fünftel dessen kommt. Allerdings installieren die wenigsten Nutzer mehr als 100 Apps.

Wer sie auf dem iPad nutzen möchte, sollte nur auf jene zugreifen, welche bereits für Apples Tablet-PC angepasst worden sind. Denn Applikationen für iPhone oder iPod touch werden auf dem iPad nur unzureichend dargestellt - entweder zu klein oder grafisch schlecht vergrössert. Immerhin sind mittlerweile bereits rund 3000 für das iPad entwickelte Applikationen verfügbar. Von Apple abgelehnte Apps lassen sich nur mit entsperrten iPhones benutzen. Durch einen so genannten Jailbreak von iPhone oder iPod touch verliert man allerdings die Garantieansprüche. Dass der Jailbreak fürs iPad nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird, dafür spricht obiges Video, welches ein Mitglied des Dev Teams namens MuscleNerd auf YouTube veröffentlicht hat. Die Gruppe ist bekannt dafür, das iPhone OS zu knacken. Im Clip soll der Zugriff auf die Unix-Shell des Tablet-PCs zu sehen sein.

Kindle ist der bessere eBook-Reader

Viele Verleger erhoffen sich vom iPad, dass er neue Käufergruppen für ihre Zeitungen erschliesst. So wollen «New York Times», «Wall Street Journal» und «Die Welt» Kunden überzeugen, für ihre Printausgaben in digitaler Form Geld auszugeben. Apple bietet Bücher überdies über seinen zunächst nur in den USA verfügbaren iBookstore an. Doch was seine Funktion als Lesegerät für elektronische Werke angeht, zieht das iPad im Vergleich mit Amazons Kindle den Kürzeren - nicht nur was das etwa fünfmal so grosse Angebot an Büchern angeht. Denn zwar ist die Optik von Apples Angebot mit virtuellen Bücherregalen optisch deutlich ansprechender als bei Amazon, doch wenn es um das eigentliche Lesen geht, sorgt das eInk-Display des Kindle, welches ohne Hintergrundbeleuchtung auskommt, für deutlich höheren, weil augenschonenden Lesekomfort - nicht nur bei Sonneneinstrahlung. Zudem fehlen dem iPad Basisfunktionen wie die Möglichkeit, Stellen in Büchern zu markieren und mit Notizen zu versehen. Immerhin ist seit dem 2. April eine Kindle-App für das iPad verfügbar, dank der man eBooks von Amazon auch auf Apples Rechner nutzen kann.

Positiv überrascht hat uns hingegen die Akkulaufzeit, welche unter Volllast bei fast acht Stunden lag. Und wer einmal Games wie Touch Hockey auf dem iPad gespielt hat, wird sie nie wieder auf den vergleichsweise kleinen Displays von iPhone und iPod touch sehen wollen. Das gilt auch fürs Surfen und Erstellen von Dokumenten. Allerdings hätten wir uns - wie eingangs erwähnt - die Unterstützung von Adobe Flash gewünscht, denn noch immer setzen viele Websites darauf, obwohl HTML5 von immer mehr Websites eingesetzt wird. Mit dem Abspielen von Clips auf einem der grössten Videoportale, vimeo.com, hatte das iPad dementsprechend keine Probleme. Als mobiler Bilderrahmen spielt das iPad seine Stärken wieder voll aus. Selten hat uns das Betrachten von Fotos so viel Spass gemacht, was unter anderem am intuitiven Navigieren durch Alben und der guten Darstellungsqualität des Displays liegt.

Die WLAN-Version, welche laut den Analysten von iSuppli knapp 260 US-Dollar Herstellungskosten verursacht, ist in den USA seit dem 3. April als 16-Gigabyte-Modell für einen Preis von 499, als 32-Gigabyte-Version für 599 und als 64-Gigabyte-Variante für 699 Dollar erhältlich. Die Modelle des iPad mit WLAN und 3G werden Ende April in den Vereinigten Staaten für 629, 729 beziehungsweise 829 Dollar verfügbar sein. Die Preise für die internationalen Märkte sollen schon bald bekannt gegeben werden. Ende April soll Apples Tablet-PC auch hierzulande offiziell erhältlich sein. Auf eBay und bei einschlägigen Online-Händlern kann man es aber schon heute kaufen. Weder Provider und Tarife für die Schweiz sind bislang bekannt geworden. In den USA bietet der Provider AT&T für den Datendownload übers Mobilfunknetz ein eigenes Abo an. Für 250 Megabyte Datenvolumen werden 14,99, für eine Flatrate 29,99 Dollar pro Monat fällig. Dabei ist die Benutzung aller AT&T-Hotspots im Preis enthalten.

Fazit

Das iPad ist keine Alternative zum Note- oder Netbook, denn es fehlen unter anderem USB-Anschlüsse, Webcam, Speicherplatz. Als mobiler Surf- und Spiele-PC ist der Rechner hingegen momentan der Beste auf dem Markt - fragt sich nur, wie lange noch. Denn als das iPhone 2007 auf den Markt kam, schien die Konkurrenz von Nokia, Samsung, Sony Ericsson und Co. ebenso grosse Augen zu machen wie viele User, die mit Apples erstem Smartphone ein Gerät in die Hand bekamen, mit dem das mobile Surfen erstmals wirklich komfortabel wurde. Sich derart den Schneid abkaufen zu lassen - das dürfte der Konkurrenz beim iPad nicht noch einmal passieren. Und so stehen bereits unter anderem Samsung sowie Microsoft in Zusammenarbeit mit HP in den Startlöchern, deren Tablet-PCs noch für dieses Jahr erwartet werden. Bringen Sie Geräte auf den Markt, die zum einen deutlich günstiger sind und zum anderen ohne die erwähnten Schwachstellen des Apple-Rechners zum Kunden kommen, könnten sie, aber auch kleinere Unternehmen wie neofonie mit dem WePad eine echte Chance haben, den Apfel-Konzern anzugreifen. Apple hat sein iPhone bisher jeweils im Sommer veröffentlicht, also anderen Anbietern eine Menge Zeit gelassen, in die Lücke zu stossen. Ob das neue iPad von nun an jeweils im Frühling auf den Markt kommt, ist bisher naturgemäss nicht bekannt. Falls ja, könnten die Konkurrenten das attraktive Weihnachtsgeschäft als Starttermin für ihre Tablet-Rechner anpeilen. Tablet-PCs sind bekanntlich nichts Neues, neu ist aber ihre Anbindung ans Mobilfunknetz. Entscheidend für ihren Erfolg dürfte daher sein, dass die Provider günstige Datentarife anbieten, auf die Schweizer Kunden - beispielsweise verglichen mit Österreich - noch warten müssen.

Schreiben Sie uns bitte Ihre Meinung im Talkback: Werden Sie sich ein iPad kaufen? Welchen Datentarif hätten Sie gern?

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Pro

- Leistungsfähiger Akku

- Hochwertige Verarbeitung

- Digitaler Bilderrahmen deluxe

- Wachsendes Angebot an Apps

- Hohe Arbeitsgeschwindigkeit

Contra

- Fehlende Anschlüsse

- Akkuwechsel erschwert

- Kein Adobe Flash

- Ermüdendes Lesen von eBooks

- Keine Kamera

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