Zwei Kunstwerke in der Welt der Videogames

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Freudiges WiedersehenZwei Kunstwerke in der Welt der Videogames

Vergessen Sie Ego-Shooter! Die Abenteuerspiele «Ico» und «Shadow of the Colossus» sind sehr viel härter, atmosphärisch dichter und regen überdies zum Denken an.

Jan Graber
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Jan Graber

Habe ich es schon einmal erwähnt? Eigentlich schlägt mein Herz für Ego-Shooter. Als ich 2005 aber auf das Adventurespiel «Shadow of the Colossus» stiess, konnte mir jeder Actionkracher plötzlich gestohlen bleiben - so wie der defekte Laptop, den eine arme Seele kürzlich aus meinem Wagen geklaut hat. Das Zusammentreffen mit «Shadow of the Colossus» kam einer Erleuchtung gleich – es war das schönste Spiel, das ich je gesehen hatte.

Freudiges Wiedersehen

Die Original-Spiele auf der PlayStation 2 verkauften sich mehr schlecht als recht, jeder Spieler aber, der auf der Suche nach etwas Besonderem war, stolperte früher oder später über «Shadow of the Colossus» und seinen Vorgänger «Ico». Sie können sich meine Freude vorstellen, als Sony bekannt gab, die «Ico & Shadow of the Colossus Collection» für die Playstation 3 zu veröffentlichen. Nun ist sie erschienen und ich bin erneut eingetaucht in die überwältigenden Welten beider Spiele.

«Ich könnte in das verfluchte Gamepad beissen, es an die Wand schmeissen und zusehen, wie es in tausend Teile zerschmettert.»

Wanda, die Hauptfigur aus «Shadow of the Colossus» ist bereits zum etwa hundertsten Mal vom Koloss gefallen, auf den der Held klettern muss, um ihn mit Schwertstichen zu Boden zu bringen. Die Kolosse sind riesig und fast unmöglich zu besiegen. Sie sind härtere Brocken als jede noch so wilde Horde, die sich üblicherweise in Actiongames auf den Helden stürzt.

«Wir Menschen sind klein, unbedeutend und stets auf der Suche nach Grösse. Kein anderes Spiel zeigt dies so deutlich.»

Die Hauptfiguren aus «Ico» und «Shadow of the Colossus» sind alleine auf sich gestellt. Der Junge Ico bewegt sich durch ein monumentales, leeres Schloss und sucht einen Ausweg; der «Shadow»-Held Wanda reitet mit seinem Pferd durch unendlich weit erscheinende Landschaften ohne Baum und Strauch auf der Suche nach den Kolossi, den Endgegnern.

«Leere und Stille steigern die Erwartungen und wecken die Kampfeslust.»

Die Leere, durch die sich die Helden während des Grossteils der Spiele bewegen, bildet den Nährboden für zahllose Gedanken, die mir durch den Kopf schiessen. Sowohl «Ico» wie auch «Shadow of the Colossus» strahlen eine Ruhe und Besinnlichkeit aus, in die man sich bedenkenlos sinken lassen kann. Denn ich weiss: Bald kommt ein Kampf, der mir das Letzte abverlangt.

«Eines der stärksten Gefühle, das ein Game wecken kann, ist der Beschützerinstinkt.»

Ico trifft auf seiner Flucht auf das Mädchen Yorda, das Geistern geopfert werden soll. Ihre Bewegungen sind agil, sie wirkt verletzlich. Ich kämpfe eher für sie als für meinen Helden. Dasselbe gilt für die verstorbene Geliebte von Wanda – sie kann aus dem Totenreich nur zurückgebracht werden, wenn alle sechzehn Kolossi sterben. Ich setze das Gamepad aufs Spiel, um dies zu erreichen.

«Ein noch stärkeres Gefühl ist das Mitleid, wenn ein Koloss besiegt ist und fällt. Ihre geheimnisvolle Schönheit ist einzigartig. Trotz furchteinflössender Grösse wirken sie einsam und traurig.»

«Shadow of the Colossus» besteht ausschliesslich aus Endgegnern – den Kolossi. Sie sind riesig im Vergleich zum Helden; er muss an ihnen hochklettern, um sein Schwert in die empfindlichsten Stellen der Riesen zu rammen. Die Aufgabe ist gefährlich, hinterlässt neben dem Stolz darauf, es geschafft zu haben, aber auch Anteilnahme. Die Kolossi zu töten, erweist sich als eine Mischung aus Spielspass und Trauer. Als würde man ein Einhorn erlegen.

«Schön ist nicht mit High-Definition gleichzusetzen.»

Die Neuauflage der Spiele für die Playstation 3 wird als High-Definition-Ausgabe angepriesen. Dies ist Augenwischerei: Die Grafik ist kantig und pixelig wie im Original, entfernte Distanzen verschwinden im Nebel wie zu den Urzeiten der Videospiele. Bei «Ico» und «Shadow of the Colossus» macht dies gar nichts – im Gegenteil: Das Gefühl der Leere und Weite wächst. Als würde man im Herbst durch dichten Nebel wandern, dominiert die Stille.

Fazit: zwei Kunstwerke

«Ico» und «Shadow of the Colossus» zeigen in der Version für die Playstation 3, dass sie zeitlos sind und es spielend mit den neusten HD-Titeln aufnehmen. Sie sind härter zu meistern, entwickeln eine intensivere Atmosphäre und die Leere und Stille, die sie erzeugen, lässt «Battlefield» & Co. aussehen wie lärmende Bälger, die die wahre Essenz des Siegens noch nicht erfasst haben.

Gametrailer von «Ico»:

Quelle: YouTube

Der Originaltrailer von «Shadow of the Colossus»:

Quelle: YouTube

Die zwei schönsten PS2-Spiele

«Ico» erschien erstmals 2001 für die Playstation 2 und wurde vom japanischen Studio Team Ico unter der Führung von Fumito Ueda entwickelt. Vier Jahre später brachte dasselbe Studio «Shadow of the Colossus», ebenfalls für die PS2 heraus. Beide Spiele wurden von der Gamekritik hochgelobt und erhielten auf metacritic.com 90 («Ico»), respektive 91 («Shadow of the Colossus») von 100 Punkten. Beide Spiele gelten als Kunstwerke in der Welt der Videospiele.

Jan Graber…

… verschob die ersten Gamepixel mit «Space Invaders», «Leisure Suit Larry» sowie «King’s Quest» und entdeckte mit «System Shock» und «Rebel Assault» sein Flair für Actiongames. Heute gibt er sich am liebsten mit Krachern wie «Crysis», intelligentem Futter im Stil von «Fahrenheit und Gummischreddern à la «Forza Motorsport» ab.

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