Location Based GamesSchnitzeljagd mit dem Handy
Mitten in Zürich werkeln acht Jungs an der Zukunft der Videospiele. Das Zauberwort heisst «Location Based Gaming» - die Vermischung von realer und spielerischer Welt. Verwirrt? Lesen Sie weiter!
Der Ort, an dem das Schweizer Startup-Unternehmen seine Zelte aufgeschlagen hat, würde man nicht unbedingt als Silicon Valley der Hochtechnologie bezeichnen. Wenn hier Silikon verbaut wird, dann anderswo: Gbanga hat sein Domizil mitten im Zürcher Milieu, an der Brauerstrasse. Hier werkeln acht junge Männer an der Zukunft der Videospiele.
Das Navi als Gamedevice
Die Zukunft heisst Location Based Gaming und Gbanga zählt zu den Pionieren der brandneuen Technologie. Diese gründet darauf, dass moderne Smartphones mit GPS ausgestattet sind. Dank GPS «weiss» ein Handy bis auf ein paar Meter genau, wo es sich befindet. Daher beruhen auf der GPS-Technologie Navigationssysteme ebenso wie Location Based Services: die Möglichkeit, Restaurants, Hotels oder Verkehrsverbindungen in der Umgebung anzuzeigen.
Dem Global Positioning bedienen sich auch Location Based Games – Spiele, deren Verlauf von der geografischen Position des Spielers abhängt. Eines der ortsgebundenen Spiele aus der Feder von Gbanga heisst «Gbanga Famiglia» - ein Mafiaspiel. Spieler, die sich die App aufs iPhone laden, sehen auf einer dynamisch generierten, spielerisch dargestellten Karte ein Abbild der Stadt Zürich – mit allen Strassen, Plätzen, Wahrzeichen, aber auch realen Restaurants, Banken und Clubs. Das Ziel ist, die Kopien dieser Geschäfte im Spiel in den Besitz des eigenen Mafia-Clans zu bringen.
Dies geschieht, wenn sich der Spieler physisch an die reale Position des Zielorts begibt und per Klick auf dem Handy das Geschäft erobert. Ob er es schafft, hängt wie in rundenbasierten Kämpfen in Rollenspielen von seiner Spielstärke ab und davon, ob das virtuelle Geschäft von einem ebenfalls virtuellen Türsteher bewacht wird. Als Belohnung winken Belohnungen und Punkte, die in eine Ortsrangliste eingetragen werden.
Spiel und Realität verschmelzen
Das Besondere am Game «Gbanga Famiglia» ist die Vermischung von realer und spielerischer Welt: Während sich ein Spieler durch die echte Stadt bewegt, bewegt sich sein virtuelles Ich durch ein Abbild der Stadt im Handy – die Positionen stimmen überein.
Die Technologie ermöglicht es zum Beispiel, dass an einer bestimmten Stelle eine bestimmte Musik abgespielt wird oder Geräusche ertönten. Auf Grund der so erweiterten Realität, werden die Spiele oft auch «Augmented Reality Games» genannt.
«Angry Birds» vor Ort
«Location Based Games sind derzeit noch Map-lastig», sagt Matthias Sala, Mitgründer und Geschäftsführer von Gbanga. Das Spielgeschehen finde mehrheitlich noch auf dynamisch generierten Umgebungskarten wie in einem Navigagtions-System statt. Zum Beispiel fehle noch weitgehend ein Storytelling, das den Spielern eine ortsabhängige Geschichte erzählt, die die Spielwelt vertieft.
Als nächsten möglichen Schritt sieht Sala auf Spieler und ihren Aufenthaltsort angepasste Games. Der «Angry Birds»-Hersteller Rovio sei zum Beispiel daran, ortsabhängige Level einzubauen: Je nachdem, wo sich ein Spieler gerade aufhält, wird ein anderer Level geladen – eine Möglichkeit, die auch für die Platzierung von In-Game-Werbung spannend sein dürfte.
Durchbruch nur mit Killer-App
Noch kämpft Location Based Gaming mit Anfangsschwierigkeiten. «Die mobilen Internetverbindungen sind immer noch zu langsam. Im Zug bricht eine Verbindung oft zusammen», erklärt Sala. Verbesserung erhoffe man sich durch den neuen Mobilfunkstandard LTE. Um dem ortsabhängigen Spielen den endgültigen Durchbruch zu verschaffen, braucht es indessen eine Killer-Applikation – ein Spiel, dass die Mehrheit der mobilen Spieler auf den Geschmack bringe. Ob die Killer-App von den Jungs einen Stock über dem Zürcher Milieu stammt, wird sich zeigen.
Gbanga-Video
(Quelle: Vimeo)
So spielt man «Gbanga Famiglia»
(Quelle: Vimeo)
Teasertrailer von «Dimensions»:
(Quelle: YouTube)
Am Anfang war WAP
«Erste Versuche mit Location Based Services wurden bereit mit WAP unternommen», sagt Sala. Die Mobiltechnologie WAP, die Anfang des Jahrtausends ihren Hype erlebte und eine erste Welle ortsbezogener Handy-Dienste auslöste, konnte sich des langsamen Verbindungsaufbaus wegen jedoch nie durchsetzen. Von vielen wurde WAP scherzhaft als «Wait and Pay» bezeichnet. «Da die hohen Downloadgebühren von WAP abschreckten, war es für ortsbezogene Dienste und Games noch zu früh», ergänzt Sala.
2004 sorgte indessen das Spiel «Pac-Manhattan» für ein erstes Aufsehen: Ein Spieler in einem Pac-Man-Kostüm lief durch die realen Strassen New Yorks, verfolgt von gegnerischen Spielern Pinky-, Blinky-, Inky- und Clyde-Kostümen. Das schachbrettartige Muster der Strassen New Yorks eignete sich hervorragend als Spielbrett. Allerdings mussten die Spieler einer Zentrale jeweils telefonisch ihre Position mitteilen, um die Übersicht zu bewahren.
Befeuert wurde die Entwicklung von Location Based Games jedoch erst mit dem Aufkommen von iPhone, iPod Touch und iPad und GPS-fähigen Smartphones.