Schweizer Games spielen vorne mit

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Spiele-Branche boomtSchweizer Games spielen vorne mit

Schweizer Games sind in. Die Entwickler-Szene prosperiert und räumt internationale Preise ab. Sie bekommt aber auch die harten Bandagen der kopierenden Konkurrenz zu spüren.

Jan Graber
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Jan Graber
Erzählt wird die märchenhafte Geschichte des kleinen Mädchens Daina, das mit seinem Volk an einem Strand in einem weit entfernten Land lebt. Projektleitung: Dario Hardmeier, Raffaele de LauretisHardware: Mac/PCBudget: CHF 124'500Geplante Veröffentlichung: 09/2012
Ein Plattformspiel, das den Spieler in eine von unberechenbaren Kreaturen bewohnte Welt entführt. Projektleitung: Florian Faller, Adrian StutzHardware: Mac/PCBudget: CHF 165'455Geplante Veröffentlichung: 07/2012
Ziel des Spiels ist es, so lange wie möglich zu überleben und dabei Glühwürmchen zu sammeln, die dazu verwendet werden können, neue Features freizuschalten.Projektleitung: Gerhard Oester Hardware: iPad/iPhone/iPodBudget: CHF 80`000Erscheinungstermin: 09/09/2011
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Erzählt wird die märchenhafte Geschichte des kleinen Mädchens Daina, das mit seinem Volk an einem Strand in einem weit entfernten Land lebt. Projektleitung: Dario Hardmeier, Raffaele de LauretisHardware: Mac/PCBudget: CHF 124'500Geplante Veröffentlichung: 09/2012

www.fantoche.ch

1,4 Millionen verkaufte Exemplare des Landwirtschaftssimulators; Zahllose kleinste Entwicklerstudios, aber auch mittlere Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern, die jährlich Dutzende Spiele herausbringen; internationale Preise für Schweizer Games: Keine Frage, was vor zehn Jahren noch undenkbar war, ist heute Realität: Die Schweiz ist ein Land von Gameentwicklern geworden.

Vom Game-Entwicklungsland...

Rückblende: Wer sich vor zehn Jahren auf die Suche nach heimischen Gameentwicklern machte, kam sich vor wie bei der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen – Gameentwickler in der Schweiz existierten kaum. Wer kreativ war und in der Gamebranche arbeiten wollte, musste ins Ausland. Deutschland, England, Amerika und Kanada, bisweilen auch Frankreich waren die Stationen, die Jobs und Aussichten versprachen.

Dabei wäre die Schweiz bereits damals ein prädestiniertes Land für Gameschmieden gewesen: Mit Hochschulen wie der ETH und starken Technologiedienstleistern weist die Schweiz ein hoch entwickeltes Hightech-Wissen auf. Andererseits verfügte das Land über eine lange Tradition im grafischen Bereich, die immer wieder renommierte Schweizer Illustratoren, Typografen und visuelle Künstler hervorgebracht hatte. Man musste nur beides zusammenbringen.

... zum Land der Game-Entwickler

Genau dies geschah 2004, als an der damaligen Hochschule für Kunst und Gestaltung Zürich (heute: ZHdK der Studiengang Game Design ins Leben gerufen wurde. Plötzlich bot sich kreativen Köpfen ein fruchtbarer Boden, auf dem sie ihre Ideen züchten und zum Blühen bringen konnten. Dank guter Professoren sowie einer Leitung, die eng mit der Entwicklerszene vernetzt war, entstanden Spiele, deren hohes Niveau überraschte und die an Festivals ausgezeichnet wurden.

Dies allein genügte indessen nicht, um den Boden für eine prosperierende Schweizer Entwicklerszene zu bereiten. Zusätzlichen Schub verschaffte die spieltechnische Aufrüstung von Mobiltelefonen und portablen Geräten – zuvorderst Apples iPhone, iPod und iPad. Spiele für diese Geräte waren ohne grossen Aufwand zu programmieren. Mit dem App Store tat sich den jungen Entwicklern auch gleich ein Verkaufskanal für ihre Produkte auf. Die zunehmende Beliebtheit einfach herzustellender Internet- und Facebook-Games öffnete ein weiteres Feld zur kreativen Betätigung.

Internationale Erfolge

Zunehmend wagten sich deshalb einzelne Exponenten an eigene Projekte und gründeten Firmen, um Spiele herzustellen oder Technologien zu entwickeln. Manchmal mit internationalem Erfolg: Die Genfer Firma Pixelux spezialisierte sich zum Beispiel in der Darstellung von brechendem Glas. Die Technik wurde vom amerikanischen Filmstudio Lucas Arts entdeckt und wird seitdem in Filmen und Spielen eingesetzt. Bald hatte auch die Zürcher Spielentwicklerszene ihr erstes Vorzeigestudio: Giants. Das Unternehmen erfand den Landwirtschaftssimulator, der sich mit insgesamt 1,4 Millionen Verkäufen über Monate an der Spitze der PC-Game-Charts hielt.

Fehlende Produzenten

Nicht immer sind die hiesigen Tüftler jedoch vom Erfolg verwöhnt. Florian Faller und Adrian Stutz sorgten 2009 mit dem noch unveröffentlichten Spiel «Feist» international für Aufsehen und wurde an den grossen Gamefestivals mehrfach nominiert. Als 2010 das dänische Game-Studio Playdead mit «Limbo» einen Titel mit sehr ähnlichem Spielprinzip und fast identischer Grafik veröffentlichte, ging ein Raunen durch die internationale Indie-Entwicklerszene – die Anleihen waren offensichtlich. Das Unglück konnte dennoch nicht ungeschehen gemacht werden. Das Problem: Den Schweizern Entwicklern, die mit ihrem Spiel früher am Start gewesen wären, fehlte die finanziellen Möglichkeiten und ein Produzent, der das Game pushte und sich auch um den Vertrieb kümmerte. Produzenten wären wichtig, damit die Games im extrem hart umkämpften Markt Bestand haben. Schweizer Produzenten sind derzeit aber ebenso wenige in Sicht, wie es zehn Jahre zuvor noch die Gameentwickler waren.

Endlich anerkannt

Nichtsdestotrotz werden Schweizer Entwickler mittlerweile auch von offiziellen Stellen als aufstrebende kreative und wirtschaftliche Kraft anerkannt. Von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia wurde das Projekt GameCulture unter der Leitung von Sylvain Gardel ins Leben gerufen, mit den Zielen, den Schweizer Gameentwickler mittels Werkbeiträgen und Veranstaltungen unter die Arme zu greifen, sie besser zu vernetzen und nicht zuletzt die Gameentwickler, die irgendwo im Stillen unentdeckt vor sich hin werkeln, ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Zusammen mit dem Bundesamt für Kultur, der SUISA-Stiftung für Musik und dem Internationalen Festival für Animationsfilm Fantoche wurden zudem erstmals Spiele ausgewählt, welche die hohe Kreativität der Schweizer Entwickler demonstrieren sollen: Aus 36 eingereichten Schweizer Games wurden von einer internationalen Jury sieben Spiele gewählt, die Werkbeiträge von bis zu 50 000 Franken erhalten.

Die Produkte aus den Schweizer Gameschmieden wurden mittlerweile sogar als Imageträger für die Schweiz entdeckt. Während den Olympischen Spielen nächstes Jahr in London können Besucher der Glazer's Hall im House of Switzerland Schweizer Spiele unter die Lupe nehmen. Mitfinanziert wird die Präsenz unter anderem von der Wirtschaftsförderung Zürich. Vor zehn Jahren wäre dies noch absolut undenkbar gewesen.

Der Vernetzer

Sylvain Gardel leitet seit über zwei Jahren das Programm GameCulture der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Ein Jahr lang habe er recherchiert, um die damals sehr verstreute Gameentwicklerszene zu entdecken und zu vernetzen. Daraus entstanden ist eine vibrierende Community, die sich online austauscht und gegenseitig unterstützt. Mittels Veranstaltungen und der Ausschreibung «Call for Projects: Swiss Games» haben Pro Helevtia und die Projektpartner das Licht auf die Schweizer Gameentwickler gedreht. Der nebenstehende Artikel basiert weitgehend auf einem Interview mit Sylvain Gardel.

Fantoche

Im Rahmen des Animationsfilmfestivals «Fantoche» wird das Augenmerk zum dritten Mal auch auf Videospiele geworfen. Am diesjährigen Festival liegt der Fokus auf Games aus Schweizer Spielschmieden. Mittels der Aktion «Call for Projects: Swiss Games», durchgeführt von der Pro Helvetia, dem BAK, der Suisa-Stiftung und Fantoche, wurden vor einem Jahr Schweizer Gamedesigner aufgerufen, unveröffentlichte Spiele einzureichen und von einer internationalen Jury vorzulegen. Aus 36 Einsendungen wurden sieben Spiele ausgewählt und mit einem Werkbeitrag ausgezeichnet. Die Spiele werden am Fantoche-Festival, das in Baden vom 6. bis 11. September über die Bühne geht, gezeigt. Am Freitag 9. September finden zudem «Game Talks» zum Thema Fiktion und Realität statt.

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