Verliebt in «Battlefield 3»

Aktualisiert

Egoshooter der SaisonVerliebt in «Battlefield 3»

Der Egoshooter «Battlefield 3» ist wie eine Liebesbeziehung: Erhebend schön, enorm bereichernd – und nervtötend. Die Geschichte einer innigen Beziehung.

Jan Graber
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Jan Graber

Unser erstes Date hatten wir Downtown L.A., vor einem halben Jahr. Ich war überwältigt, hin und weg von der Schönheit dessen, was ich sah. Das zweite Mal schlug der Blitz in Köln ein und es zog mir erneut den Ärmel rein. «Haben!», schoss es durch meinen Kopf. «Erobern!» Das war vor rund zwei Monaten an der Spielemesse Gamescom.

Vor kurzem kam der Tag, an dem wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen. Endlich vereint, der Beginn einer langen Romanze – ich hielt den Egoshooter «Battlefield 3» in den Händen. Rein mit der Disk, durchgeladen und abgedrückt.

Vorbei an den Anstandsdamen

Zu früh gefreut – die Liebe dieses Herbstes ziert sich. Bevor sie mir ihr Innerstes enthüllen will, muss ich mich einer Reihe Wächter und Anstandsdamen stellen und sie von meinen hehren Absichten überzeugen: Origin, die umstrittene Internet-Verkaufsplattform für Computerspiele von Electronic Arts (EA), muss installiert werden, es gilt zusätzliche Daten herunterzuladen und endlosen Vereinbarungen zuzustimmen. Der Weg zur Liebe ist ein Geschäft voller Misstrauen.

Dann aber ist es soweit: Ich starte den Multiplayer-Modus. Zugegeben, eigentlich würde ich diese Liebe lieber für mich alleine beanspruchen, doch in der Singleplayer-Kampagne ist es mir trotz trauter Zweisamkeit zu einsam. Ein kurzer Blick darauf enthüllt zwar die erwartete Schönheit, doch «Battlefield 3» will im Wettbewerb gegen andere, die um ihre Gunst buhlen, erobert werden.

Der Geduldige gewinnt

Meine Liebe aber ziert sich: Bis sich die Verheissung schön gemacht hat, dauert es eine Ewigkeit; das «Loading»-Zeichen blinkt geduldig vor sich hin. Aber dann öffnet sich die Badezimmertüre, die Braut hat sich herausgeputzt. Und ich bin erneut hin und weg - «Battlefield 3» sieht selbst mit einer veralteten Grafikkarte atemberaubend aus. In der Ferne steigen Rauchwolken auf, es knattert und donnert, je weiter ich ins Spielgeschehen vordringe, umso mehr steigt die Spannung.

Tausend Tode

Rein ins Getümmel: Ich drücke ab, was die Kanone hergibt. Und sterbe tausend Tode. Es verhält sich wie im richtigen Leben – die wahre Liebe will erobert werden: Man sucht die erfolgversprechende Taktik, geht sachte vor, umgarnt, flirtet, verführt. So auch auf dem «Battlefield»-Schlachtfeld. Wer zu forsch aufs Objekt der Begierde zustürmt, dem verweigert sich der Spass; er fängt laufend von vorne an, ohne zum Ziel zu kommen. Das drohende Scheitern macht jedoch den Reiz aus und regt den Eroberungswillen an. Man wird vorsichtiger, intelligenter. Das Zieren der Verführerin weckt den Jägerinstinkt.

Wenn nur die Eifersucht nicht wäre. Geweckt wird sie durch ihre zahllosen anderen Liebhaber. Kerle und Mädels, die das Liebesspiel besser beherrschen und wissen, wie die Schöne zu erobern ist. Sie lassen mich wie einen blutigen Anfänger aussehen; ich komme mir verschmäht vor, abgewiesen und überlege mir, ob ich mit einer anderen, leichter zu erobernden Liebe nicht glücklicher werde.

Zucker und Peitsche

Genau in diesem Moment wirft sie mir ein weiteres Zückerchen hin: Ich lande in einem Level, der mir die Möglichkeit bietet, auch gegen die besten Spieler zu bestehen und zeigt mir subtil, wie ich, wenn ich mit Geduld vorgehe, es selbst mit den dominantesten Gockeln auf dem Platz aufnehmen kann. «Battlefield 3» belohnt mich im richtigen Moment mit Erfahrungspunkten und zeichnet mich grosszügig mit Abzeichen und Achievements aus.

Die Liebe ist ein Schlachtfeld

Plötzlich: Koitus Interruptus. Nachdem ich in einer Art Rausch ein halbes Dutzend Widersacher aus dem Weg geräumt habe, schmeisst mich die Angebetete Knall auf Fall aus dem Schlafzimmer. Ohne Vorwarnung, ohne Erklärung. Verbindung unterbrochen, die Gute hat einen Schwächeanfall erlitten. Alle Erfahrungspunkte verpuffen im Nichts. Nachdem ich einige Male auf derart schroffe Weise von der Angebeteten abgewiesen werde, mache ich, was man in einer solchen Situation normalerweise tut: Man knallt selbst genervt die Türe zu. Und lässt die Liebe vorerst links liegen.

Bis zum Moment, wo es einen zerreisst. Bettelnd kriecht man zu ihr zurück, klopft an die Schlafzimmertüre, sie öffnet sich eine Spaltbreit, man tritt ein, wartet, bis sich die Braut wieder herausgeputzt hat - und das Liebesspiel beginnt von neuem.

Ein letzter Tipp: Erzählen Sie ihrer realen Partnerin oder ihrem Partner nichts von der neu gewonnen Liebe. Er oder sie würde es nicht verstehen.

Gametrailer «Battlefield 3»

Quelle: YouTube.com

Jan Graber…

… verschob die ersten Gamepixel mit «Space Invaders», «Leisure Suit Larry» sowie «King’s Quest» und entdeckte mit «System Shock» und «Rebel Assault» sein Flair für Actiongames. Heute gibt er sich am liebsten mit Krachern wie «Crysis», intelligentem Futter im Stil von «Fahrenheit und Gummischreddern à la «Forza Motorsport» ab.

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