Aus der TraumfabrikZynga macht das iPad zum Schlachtfeld
Der in Turbulenzen steckende Game-Hersteller Zynga holt zum Befreiungsschlag aus. Bei unserem Besuch im Hauptquartier in San Francisco wurde «Solstice Arena» präsentiert.
Der Zugang zur digitalen Traumfabrik führt durch einen grell leuchtenden Tunnel. Tausende bunte LED-Lichter sagen es klar und deutlich: Hier verlässt man den grauen Alltag und taucht in eine Fantasiewelt ein.
Der mächtige Backsteinbau war früher ein Lagerhaus, heute ist es das Hauptquartier von Zynga. Bei der Anfahrt ist von weitem die rote Bulldoge zu sehen: Das Logo und der Firmenname gehen auf den Hund des Gründers Marc Pincus zurück. San Francisco ist ja auch die Stadt der Vierbeiner, es soll rund dreimal mehr Tiere als Kinder geben.
Konkurrenten geschluckt
Pincus' geliebter Hund hat das Zeitliche gesegnet. Und seine Firma ist in mächtigen Turbulenzen. Dabei befand sich Zynga vor wenigen Jahren noch auf einem berauschenden Höhenflug und war eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen der Welt.
2007 als Startup gegründet, brachten kostenlose Browser-Games wie «Farmville» einen kometenhaften Aufstieg und die Marktführerschaft bei den Social Games. Hunderte Millionen Internet-Nutzer spielten täglich via Facebook und machten tüchtig Gratiswerbung.
Zyngas Geschäftsmodell, bei dem der Verkauf von virtuellen Gütern im Mittelpunkt steht, funktionierte bestens und spülte unglaublich viel Geld in die Kassen: Der Social-Gaming-Riese warb die talentiertesten Software-Entwickler gleich im Multipack ab und schluckte einen Konkurrenten nach dem anderen.
Tablet-Trend verpasst
Seit dem milliardenschweren Börsengang im Dezember 2011 steckt der Wurm drin. Das Unternehmen konnte nicht an die früheren Erfolge anknüpfen. Während man sich auf die Entwicklung von neuen Facebook-Spielen konzentrierte, wendeten sich immer mehr Spieler dem mobilen Gamen auf Tablet-Computern und Smartphones zu. Der Wachstumskurs wurde brutal ausgebremst: Kürzlich musste Zynga die Streichung von 520 Stellen bekanntgeben. In mehreren Städten werden Entwickler-Studios geschlossen.
Nun will das Management das Steuer herumreissen. Zwar lässt sich der Firmengründer bei unserem Besuch im Hauptquartier nicht blicken, doch seine Botschaft ist klar: Zynga will weg vom ehemaligen Erfolgsrezept mit einfachen Browser-Spielen. Stattdessen sollen komplexere Titel her, die durch aufwändiges Design und abwechslungsreiches Game-Play überzeugen und auf den leistungsfähigen Mobilgeräten laufen. Erklärtes Ziel ist es, nebst den Gelegenheitsspielern auch die Hardcore-Gamer zu überzeugen. Allerdings richtet man sich dabei an ein äusserst anspruchsvolles und kritisches Publikum.
Multiplayer-Schlacht exklusiv für iOS-Geräte
Wie das gelingen soll, zeigt Zyngas jüngster Streich. «Solstice Arena» gehört zum Genre der sogenannten Multiplayer Online Battle Arena, kurz MOBA. Es handelt sich um eine Mischung aus Action- und Strategie-Game. Dabei treten in der Regel zwei Teams dank Internet-Verbindung in Echtzeit gegeneinander an. Jeder Spieler wählt eine Figur aus, die über spezielle Fähigkeiten verfügt und so die anderen Helden ergänzt.
Der verantwortliche Projektmanager betont, dass es sich nicht um ein «Pay to win»-Game handle – man kann sich also nicht das Weiterkommen in den einzelnen Levels mit Geld erkaufen. Eine einzelne Runde dauert lediglich zehn Minuten oder weniger.
Das kostenlose «Solstice Arena» steht ab sofort für die iOS-Plattform (iPhone/iPad/iPod touch) als 263-Megabyte-Download zur Verfügung. Die Verantwortlichen sagen, dass sie vorerst exklusiv auf Apples mobile Plattform setzen wollen. Ein Startdatum für Android steht noch nicht fest.
Fotografieren verboten
Gerne hätten wir von unserem Besuch in der Traumfabrik eigene Bilder gezeigt. Allerdings war das Fotografieren verboten. Auch kritische Fragen rund um die Massenentlassungen oder andere heikle Themen waren nicht erwünscht, man wolle sich ganz auf die Lancierung von «Solstice Arena» und weiteren Mobile-Gaming-Titeln konzentrieren.
Während der Präsentation im sechsten Stock beruhigte die Firmensprecherin die Besucher: San Francisco liege zwar in einem Erdbebengebiet. Wenn es rumple und der Boden wackle, solle man sich nicht fürchten. Das seien Autos, die auf dem Dach parkieren.
Nichts verpassen
Das Ressort Digital ist auch auf Twitter vertreten. Folgen Sie uns und entdecken Sie neben unseren Tweets die interessantesten Tech-News anderer Websites.