Gamezentrale OltenKobolde des Gamedesigns
Fünf Gamedesigner, ein Kämmerchen als Studio und die Welt zu Füssen: Koboldgames zieht für «Journey of a Roach» einen bedeutenden deutschen Publisher an Land.
Olten, ein ruhiges Quartier am Rand der Stadt. Ein- und Mehrfamilienhäuser mit rauchenden Kaminen säumen das Quartiersträsschen. Am Fuss des Hügels zieht die Aare gemächlich Richtung Rhein. Fremde Besucher werden mit skeptischem Blick beäugt. Einen verschlafeneren Ort kann man sich kaum vorstellen. Wäre da nicht ein Schild über einer Haustüre, auf dem geschrieben steht: «Chaosplatz».
Nein, mitten im biederen Zentrum der Schweiz plant keine anarchistische Zelle eine unheilvolle Zukunft, sondern es ist die Heimat von Koboldgames – einem jungen Schweizer Gameentwicklungsstudio bestehend aus fünf Gamedesignern, die auf engstem Raum gemeinsam Spiele entwickeln. Ein Studio, das mit «Journey of a Roach» eines der raren kommerziell ausgerichteten Adventurespielen aus Schweizer Schmieden entwickelt hat und für die Veröffentlichung den namhaften deutschen Publisher Daedalic gewinnen konnte.
Vor Schularbeit zum internationalen Vertrieb
Es ist die krönende Zwischenstation auf einem Weg, der in Zürich mit einem im jugendlichen Tatendrang als doof empfundenen Schulprojekt begann. Binan Woll und Mischa Geiser, die gemeinsam an der Zürcher Hochschule der Künste Gamedesign studierten, mussten eine Semesterarbeit abliefern. «Wir hatten die buchstäbliche Bieridee», sagt Woll. Bei einem gemeinsamen Bier seien sie auf die Idee eines Puzzlespiels mit Kakerlaken als letzte Überlebende einer postapokalyptischen Welt gekommen. Da Kakerlaken an Wänden und Decken entlanglaufen können, würde sich die Gamewelt mit der spielbaren Kakerlake auf den Kopf stellen. Binan Woll entwickelte die schräge Welt und die Charaktere, Mischa Geiser programmierte.
Ein Jahr später, im Rahmen einer Studienreise der angehenden Gamedesigner nach Hamburg, konnten sie «Journey of a Roach», wie die Semesterarbeit nun hiess, Exponenten der Privatwirtschaft vorstellen. Mit im Publikum: Vertreter von Daedalic und Innogames, zwei bedeutenden Vertrieben für Videospiele. «Wir waren zurück in Zürich, als ich eine E-Mail von Daedalic erhielt», sagt Mischa Geiser. Darin stand die Aufforderung, mehr Infos über das Spiel zu schicken.
Entwickeln auf 15 Quadratmetern
Es war die Initialzündung für Koboldgames. Woll und Geiser konnten die Mitstudenten Yasemin Günay (Sound und Sprachelemente), Ralf Mauerhofer (Programmierung) und Jasmin Widmer (Modelle und Raumgestaltung) als Partner gewinnen. Im Parterre-Geschoss von Jasmin Widmers Wohnhaus richteten sie auf knapp 15 Quadratmetern das Entwicklerstudio ein. «Olten liegt für alle zentral, zudem ist die Miete tief», sagt Mischa Geiser. Auch wenn der Raum eng ist, verstehe man sich gut. «Wir pflegen eine aktive Gesprächskultur», sagt Yasemin Günay. Wenn es mal kracht, sind zwar lange Diskussionen die Folge. «Weil wir aber dieselbe Grundidee verfolgen, kommen wir stets zum gleichen Schluss», ergänzt Ralf Mauerhofer.
Diese Grundidee lautet: Qualität. Deshalb hätten sie nach dem Interesse von Daedalic mit dem Game noch einmal von Grund auf neu angefangen, sagt Geiser, der sich neben dem Programmieren mittlerweile vor allem um den Projektlead und die Kommunikation mit dem Vertrieb kümmert. Es sei schwierig gewesen, das Spiel abzuschliessen, sagt Yasemin Günay, immer entdecke man noch Fehler, man wolle ein perfektes Spiel abliefern.
Positive Wertungen
In eineinhalb Jahren stellten sie «Journey of a Roach» fertig, von Daedalic seien nur wenig Einwände, aber vor allem gute Tipps gekommen. Im November 2013 wurde das Game veröffentlicht. Belohnt wurde «Journey of a Roach» mit mehrheitlich positiven Bewertungen: Gamespot.com verlieh dem Spiel 70 von 100 möglichen Punkten, ein tschechisches Gamemagazin beschrieb «Journey of a Roach» als «exzellent». «Für das erste Game von Koboldgames sind wir zufrieden», sagt Yasemin Günay.
Bereits brüten die fünf Designer in ihrem Kämmerchen in Olten an einem nächsten Spiel, schauen sich auf kleinstem Raum über die Schultern und tauschen angeregt Ideen aus, während vor dem «Chaosplatz» das beschauliche Oltener Quartierleben seinen trägen Lauf nimmt.
Gametrailer «Journey of a Roach»
(Youtube)