Überlastete Netze wegen HomeofficeNetflix fährt die Datenübermittlung runter
Die Fernmeldenetze könnten in der Corona-Krise wegen Überlastung an ihre Grenzen stossen. Jetzt hat Netflix Massnahmen beschlossen.
Nach Sorgen, die verstärkte Nutzung von Video-Streamingdiensten könnte in der Coronavirus-Krise das Internet verstopfen, hat sich die EU-Kommission an Netflix gewandt. EU-Kommissar Thierry Breton sprach mit Netflix-Chef Reed Hastings über Wege, die Belastung zu senken, wie die Brüsseler Behörde bereits am Mittwoch mitteilte.
Der EU-Kommissar hatte am Donnerstag den zweiten Tag in Folge mit Netflix-Chef Reed Hastings gesprochen. Am Vortag hatte Breton ihm unter anderem vorgeschlagen, die Bildqualität bei starker Auslastung automatisch von HD- auf Standard-Auflösung runterzuschrauben.
Fünf Megabit pro Sekunde sind für HD nötig
Bei einer höheren Bildauflösung gibt es ein schärferes Bild, weil mehr Pixel dargestellt werden. Dafür werden aber auch mehr Daten übertragen. Netflix empfiehlt für HD (High Definition) eine Internet-Geschwindigkeit von fünf Megabit pro Sekunde, während es bei Standard-Auflösung drei Megabit pro Sekunde sind.
Einen richtig grossen Sprung gibt es dann aber bei dem noch besseren Ultra-HD-Format: Hier empfiehlt Netflix 25 Megabit pro Sekunde. Die Ultra-HD-Qualität gibt es dabei nur in den teureren Tarifmodellen von Netflix.
In Europa gibt es insgesamt die Sorge, dass die verstärkte Heimarbeit und Nutzung von Unterhaltungsangeboten die Netze verstopfen könnten. Internet-Anbieter versicherten bisher, dass sie den Anstieg stemmen können.
Es droht Abschaltung vom Bund
Tausende Mitarbeiter wurden vergangene Woche ins Homeoffice geschickt. Sie alle benötigen neben einem Computer auch eine schnelle Internetverbindung. Was passiert aber, wenn so viele Menschen gleichzeitig das Netz belasten? Durch die vermehrte Nutzung erhöht sich der Datenverkehr über die öffentlichen Fernmeldenetze. «Dies hat eine höhere Netzauslastung zur Folge», erklärt das Bundesamt für Kommunikation.
Kann aber das Netz der erhöhten Zahl an Nutzern standhalten? «Die Gefahr, dass die Kapazitäten nicht mehr ausreichen, ist vorhanden», meinte Branchenkenner Ralf Beyeler vom Onlinevergleichsdienst Moneyland zum «Tages-Anzeiger».
Telecomanbieter wie etwa Swisscom, UPC und Sunrise sind wenig beunruhigt. Sie weisen darauf hin, dass Anwendungen für Homeoffice lediglich einen kleinen Anteil des ganzen Datenverkehrs benötigen. Am höchsten sei der Datenverbrauch am Abend, wenn viele Nutzer gleichzeitig fernsehen oder Serien auf Streamingdiensten schauen. Am Tag nutzen die Kunden die Netze weniger.
«Bandbreitenintensive Streamingdienste»
Sollte es dennoch zu einer Überlastung der Netze kommen, könnte der Bund gemeinsam mit den Anbietern die temporäre Abschaltung «weniger wichtiger Dienstleistungen» beschliessen. Darunter versteht das Amt Anbieter wie Netflix oder Youtube. «Bandbreitenintensive Streamingdienste» könnten im Notfall von einer Abschaltung betroffen sein, bestätigt das Bakom gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Eine weitere Massnahme bei einer Überlastung der Netze wäre, dass die Internettelefonie Vorrang vor der Verbreitung von Audio- und Videodaten bekommt. (kle/scl/sda)