Filesharing«Gratis-Mentalität als Menschenrecht»
Schweizer Provider sollen Raubkopierern den Zugang zum Web sperren. Das kündigt Beat Högger vom Branchenverband IFPI im Gespräch mit 20 Minuten Online an.
Die deutsche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat verschiedene Internetprovider zu einem Gespräch eingeladen. Dabei sollen Strategien zum Umgang mit Raubkopierern entwickelt werden. 20 Minuten Online hat bei Beat Högger von der IFPI Schweiz, dem Interessenverband der Musikindustrie, nachgefragt, ob man sich im Kampf gegen Piraterie auf die Politik verlassen wird.
20 Minuten Online: Wie war das Jahr 2008 für die Musikindustrie in der Schweiz?
Beat Högger: Wir fordern gerade die Umsatzzahlen unserer Mitglieder an. Was ich bereits sagen kann: Der Absatz von Tonträgern ist zum achten Mal in Folge zurückgegangen. 2007 verzeichneten wir ein Minus von rund zehn Prozent. Digitale Verkäufe können den Verlust nicht kompensieren. Sie hätten viel stärker wachsen sollen.
Ist Musik aus Online-Shops zu teuer?
Auf keinen Fall. Eigentlich sind die Songs mit 1,50 Franken im Durchschnitt zu günstig. Musik hat einen gewissen Wert, der sich in diesen Preisen kaum widerspiegelt. Wir müssen unbedingt versuchen, die Konsumenten auf den legalen Weg zu bringen. Denn sonst könnten sich die Tonträgerhersteller aus der Schweiz zurückziehen.
Welche Folgen hätte das?
Neben dem weiteren Verlust von Hunderten Arbeitsplätzen hätte das auch kulturelle Konsequenzen. Regionale Künstler hätten kaum noch eine Chance mehr, denn auch die Konzerttickets, von denen viele Interpreten leben, können nicht beliebig verteuert werden. Die Leute können nun mal nicht jeden Abend einen Gig besuchen.
Was kann die Politik tun?
Seit 1. Juli 2008 gilt das neue Urheberrecht. Die Schweiz musste es ändern, weil man internationale Verträge mit der World Intellectual Property Organization (WIPO) unterschrieben hatte, die das vorsahen. Das Gesetz geht uns aber nach wie vor nicht weit genug, weil es beispielsweise den reinen Download von illegalen Angeboten nicht ausdrücklich verbietet. Die im Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 1992 festgelegte Schranke, dass veröffentlichte Werke zum Eigengebrauch verwendet werden dürfen wird heute dazu missbraucht, den Kauf von Musik zu umgehen.
Warum hat die Schweiz kein schärferes Gesetz bekommen?
Wir hatten bei der Teilrevision des Gesetzes die Unterstützung von Teilen der FDP und der SVP. Viele Politiker wollten allerdings ihre Wähler nicht verprellen. Man kann nicht jahrelang behaupten, dass alles legal ist und dann plötzlich das Filesharing einschränken. Das zöge grossen Unmut der Bevölkerung nach sich.
Wie sähe das ideale Urheberrecht aus?
Man müsste klarstellen, dass ausschliesslich legale Inhalte für den Eigengebrauch verwendet werden dürfen. Wenn ich von einem mir unbekannten Herrn XY das neue Britney-Spears-Album gratis bekomme, dann muss ich erkennen, dass das illegal ist. Des weiteren müssen die staatlich begrenzten Verdienstobergrenzen von Rechteinhabern wie Komponisten und Interpreten erhöht werden, damit sie endlich einen finanziellen Ausgleich für ihre durch Musikpiraterie erlittenen Verluste erhalten.
Geben Sie auf?
Nein. Wir werden weiterhin gegen Tauschbörsennutzer gerichtlich vorgehen. Gesetze werden in der Schweiz leider nicht so schnell geändert. In diesem und dem nächsten Jahr wird daher wahrscheinlich auf der politischen Ebene nichts mehr passieren. Zudem ist das gesellschaftliche Klima wohl gegen uns. Die Gratis-Mentalität im Internet wird von vielen als eine Art Menschenrecht wahrgenommen. Nicht zuletzt können es populäre Künstler daher kaum wagen, öffentlich gegen illegales Filesharing einzutreten. Wer sagt: „Leute, ihr schätzt mich, also bezahlt doch bitte auch für meine Inhalte", wird sicherlich viele Fans verlieren. Der Fan hat das Bild von Megastars wie Madonna und daher nicht das Gefühl, er würde jemanden bestehlen, dem das wehtut.
Welche Pläne hat die IFPI für die Zukunft?
Im Februar werden wir uns zum zweiten Mal mit den Schweizer Internetprovidern Swisscom, Sunrise und Cablecom zusammensetzen und Massnahmen gegen illegales Filesharing besprechen. Denn die Unternehmen haben in ihren Vertragsbestimmungen stehen, dass die Anschlüsse nicht für illegale Zwecke missbraucht werden dürfen. Das funktioniert ausgesprochen gut, wenn es beispielsweise um Kinderpornographie geht. Bei Urheberrechtsverletzungen passiert hingegen wenig. Ausserdem bieten Provider auch Inhalte an und sollten daher ein Interesse haben, dass diese nicht mit illegalen Angeboten im Netz konkurrieren müssen.
Was möchten Sie erreichen?
Wenn jemand illegales Filesharing betreibt, soll es die Möglichkeit geben, seinen Internetanschluss nach einer Abmahnung abzustellen. In Frankreich ist Ende vergangenen Jahres ein entsprechendes Gesetz bereits vom Senat verabschiedet worden: Beim dritten Verstoss gegen das Urheberrecht wird der Internetzugang für ein Jahr gesperrt. Allerdings muss die Nationalversammlung noch zustimmen.
Ihre Meinung ist gefragt: Sollte Raubkopierern der Internetanschluss gesperrt werden?