Deutschland wehrt sich

Aktualisiert

Bankgeheimnis-Serie, Teil IVDeutschland wehrt sich

Lange schien das Bankgeheimnis sicher. Doch im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sind immer weniger Staaten bereit, auf Schweizer Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Die Stimmung ist gekippt.

von
Philipp Löpfe
Ernst der Lage erkannt: Finanzminister Merz (l.) mit seinem damaligen deutschen Amtskollegen Steinbrück im Juni 2009

Ernst der Lage erkannt: Finanzminister Merz (l.) mit seinem damaligen deutschen Amtskollegen Steinbrück im Juni 2009

Die Banken frohlockten nicht nur, sie wurden auch immer dreister. So macht der St. Galler Privatbankier Konrad Hummler keinen Hehl daraus, dass mit dem Bankgeheimnis Ausländer zur Steuerflucht animiert werden sollen. Er bezeichnete Deutschland in der «Weltwoche» gar als «Unrechtsstaat» und höhnte: «Wer bei so einer Konstellation nicht Steuern hinterzieht, ist dumm.»

Die Deutschen, mit Vorliebe die deutschen Sozialdemokraten, wurden lächerlich gemacht. Als die Schweiz in Zusammenhang mit den Bilateralen II mit Brüssel ein Zinsbesteuerungsabkommen schloss, das 2005 in Kraft trat, wurde augenzwinkernd erklärt: Jeder Banklehrling sei mit Hilfe der neuen Finanzinstrumente in der Lage, dieses Abkommen zu unterlaufen, nur Genosse Hans Eichel, damals deutscher Finanzminister, begreife es halt nicht.

Kurzer Triumph

Jeder Schweizer Banklehrling tat dies offensichtlich auch: 2007 überwies die Schweiz gerade mal läppische 107 Millionen Euro Quellensteuer nach Deutschland; und dies bei deutschen Vermögen auf Schweizer Konten, die auf 150 Milliarden Euro geschätzt wurden. Eichels Nachfolger im Finanzamt, Peer Steinbrück, schäumte vor Wut. Gerold Bührer, FDP-Politiker und Chef des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse, erklärte hingegen fröhlich: «Das Abkommen ist löchrig wie ein Emmentaler Käse.»

Das Triumphgehabe der Schweizer Banker war dumm und von kurzer Dauer. Der von der UBS in den USA angestossene Stein brachte eine Lawine ins Rollen. Die von Wirtschaftskrise und explodierenden Schulden gebeutelten Staaten hatten sehr wenig Verständnis für Schweizer Empfindlichkeiten. Die OECD drohte damit, die Schweiz auf eine sogenannte «schwarze Liste» zu setzen, eine Liste mit dubiosen Steueroasen wie die Cayman Islands und Andorra, falls bis zum Treffen der G-20 im April 2009 nicht Abhilfe geschaffen werde. Länder wie Singapur, Luxemburg und Österreich signalisierten sehr schnell, dass sie die Bestimmungen der OECD zu erfüllen gedachten.

Die Stimmung kippt

Selbst der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz, der bis vor Kurzem noch mit dem Gedanken von langfädigen Neuverhandlungen der einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen gespielt hatte, erkannte den Ernst der Lage. Er versprach, noch im Jahr 2009 dafür zu sorgen, dass die nötige Anzahl neuer Abkommen ausgehandelt werde. Damit wurde das Schlimmste vermieden. «Diese Erklärungen zeugen von einem fundamentalen Wechsel und einem bedeutenden Moment in der Geschichte der internationalen Steuerzusammenarbeit. Das ist ein extrem wichtiger Durchbruch», stellte der Generalsekretär der OECD, Angel Gurria, zufrieden fest.

Die Stimmung ist mittlerweile endgültig gekippt. «Mit der zunehmenden Herausbildung einer globalisierten Öffentlichkeit wird sich zunehmend auch eine globalisierte Moral herausbilden, die im Widerspruch zu nationalpartikulären Moralvorstellungen steht», schreiben die beiden Soziologen Stefan Tobler und Angelo Gisler. «In dieser Hinsicht dürfte (…) die steuerethisch motivierte Kriminalisierung der Steuerhinterziehung global an Bedeutung gewinnen.»

Die verzweifelt nach neuen Einnahmequellen suchenden Regierungen sind nicht mehr bereit, Steuerhinterziehung achselzuckend hinzunehmen. Sie nehmen Steueroasen immer stärker ins Visier. Davon erhoffen sie sich zusätzliche Einnahmen — Schätzungen gehen davon aus, dass auf Offshore-Konten zwischen 5000 und 7000 Milliarden unversteuerte Vermögen liegen — und zusätzliche Wählerstimmen. Attacken auf Abzocker und Schmarotzer verkaufen sich derzeit bei den Stimmbürgern sehr gut.

DIE SERIE ZUM BANKGEHEIMNIS

Lesen Sie morgen:

Teil 5: «Für Steuersünder beginnt ein neues Zeitalter»

Bisher erschienen:

Teil 1: Die Geburt des Bankgeheimnisses

Teil 2: Merz und Blocher: Bundesräte von Ospels Gnaden

Teil 3: Die James-Bond-Tricks der UBS-Banker

Macht das Bankgeheimnis die Schweiz zu einem Hehlerstaat oder zu einem Hotrt der Freiheit? Diskutieren Sie mit im TalkBack!

Philipp Löpfe

schreibt für verschiedene Schweizer Zeitungen und Zeitschriften. Der frühere Chefredaktor von «SonntagsBlick» und «Tages-Anzeiger» analysiert und kommentiert aktuelle Themen aus Ökonomie und Politik. Er führt Interviews mit international bekannten Wissenschaftlern, Politikern und Wirtschaftsführern.

20 Minuten Online veröffentlicht in einer Serie Auszüge aus Löpfes neuem Buch «Banken ohne Geheimnisse» (2010). Der Wirtschaftsjournalist zeigt darin, was den Finanzplatz Schweiz gross gemacht hat, wo er heute steht und weshalb die einstigen Erfolgsrezepte nicht mehr greifen.

Im Orell Füssli Verlag bereits erschienen sind: «Der Irrsinn der Reformen» (2005) und «Ich verstehe nur DAX!» (2008).

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