Bankgeheimnis-Serie, Teil IIBundesräte von Ospels Gnaden
Die rechtsbürgerlichen Bundesräte Blocher und Merz verdankten ihre Wahl im Dezember 2003 nicht zuletzt dem Lobbying der Grossbanken. Doch die erhoffte rechte Wende blieb aus.

Versuch einer rechten Wende: Die neugewählten Bundesräte Blocher (l.) und Merz im Dezember 2003
Rauschende Feste mit neureichen Bankern und alten Rockgrössen werden am Zürcher Paradeplatz eher selten gefeiert. Zwar sind auf den Strassen rund um den Zürichsee weit überdurchschnittlich viele deutsche und italienische Luxusautos unterwegs. Generell jedoch gibt sich die Schweizer Bankenszene, zumindest gegen aussen, bieder. Das macht Sinn, schliesslich ist das Kerngeschäft nach wie vor das diskrete Private Banking. Dort ist der «big swinging dick» eher weniger gefragt.
Doch der diskrete Charme täuscht über den wahren Einfluss hinweg. «Die Schweizer Banklobby arbeitet erfolgreich, weil sie im Inland starken politischen Rückhalt geniesst», stellen Viktor Parma und Werner Vontobel in ihrem Buch «Schurkenstaat Schweiz?» fest. Die Grossbanken gehören auch in der Schweiz zu den wichtigsten Sponsoren der bürgerlichen Parteien, wobei die Vergangenheitsform gebraucht werden muss: Seit die UBS auf Darlehen des Bundes angewiesen ist und die Nationalbank ihre Ramschpapiere übernehmen muss, hat sie ihre Zahlungen an FDP und CVP eingestellt. Die überraschende Wahl des ehemaligen Bundesrates Kaspar Villiger an die Spitze der UBS kann man ebenfalls als Zeichen einer Schweizer Version eines finanziell-industriellen Komplexes deuten.
Fette Summen für bürgerliche Parteien
Allerdings ist diese Wahl nur bedingt auf den wachsenden Einfluss der Banken auf die Politik zu werten. Sie ist mehr eine Niederlage des harten Investmentbanker-Flügels innerhalb der UBS. Weshalb? Villiger ist zwar Mitglied der Freisinnigen Partei, gehört aber der alten Schule an, in der Gemeinsinn und Verständnis für einen vernünftigen Sozialstaat noch zum guten Ton gehören. Als er seinen Rücktritt aus dem Bundesrat bekanntgab, wurde dies vom Schweizer Investmentbanking mit Erleichterung aufgenommen.
«UBS-Chef Marcel Ospel forderte in einer Ansprache in Zürich 2003 öffentlich und ohne Umschweife die Wahl von Hans-Rudolf Merz und Christoph Blocher, dem rechtspopulistischen Wortführer der Schweizerischen Volkspartei (SVP), in den Bundesrat», schreiben Parma/Vontobel. «Er setzte die FDP-Fraktion hinter den Kulissen unter massiven Druck. Die FDP und die anderen bürgerlichen Parteien, die Merz zum Bundesrat wählten, zeigten sich gegenüber ihrem grössten Sponsor erkenntlich. Sie werden von der UBS und anderen Konzernen mit sechsstelligen Beträgen unterstützt — das Nähere bleibt unter Verschluss.»
Merz enttäuscht
Hans-Rudolf Merz wurde tatsächlich Nachfolger von Kaspar Villiger. Doch die in ihn gesetzten Hoffnungen hat er nicht erfüllt. Der ehemalige Berater Merz gibt sich zwar viel Mühe. Er wollte steuerliche Erleichterungen für Stock Optionen und Hedgefonds einführen und setzt sich ein für tiefere Mehrwert- und Unternehmenssteuern. Doch bisher konnte er sich nicht durchsetzen.
Auch als Vertreter der Schweizer Bankinteressen im Ausland macht er keine gute Figur. Selbst seine einstigen Freunde gehen auf Distanz. Die rechte Wende, die von der Nach-Villiger-Ära erhofft wurde, war eine einzige Enttäuschung. Villigers Berufung an die Spitze der UBS ist so gesehen eine Art Rettungsversuch: Seine Aufgabe ist es, die schlimmen Reputationsschäden, welche die «big swinging dicks» unter der Führung von Marcel Ospel angerichtet haben, zu reparieren.
DIE SERIE ZUM BANKGEHEIMNIS
Lesen Sie morgen:
Bisher erschienen:
Teil 1: Die Geburt des Bankgeheimnisses

Philipp Löpfe
schreibt für verschiedene Schweizer Zeitungen und Zeitschriften. Der frühere Chefredaktor von «SonntagsBlick» und «Tages-Anzeiger» analysiert und kommentiert aktuelle Themen aus Ökonomie und Politik. Er führt Interviews mit international bekannten Wissenschaftlern, Politikern und Wirtschaftsführern.
20 Minuten Online veröffentlicht in einer Serie Auszüge aus Löpfes neuem Buch «Banken ohne Geheimnisse» (2010). Der Wirtschaftsjournalist zeigt darin, was den Finanzplatz Schweiz gross gemacht hat, wo er heute steht und weshalb die einstigen Erfolgsrezepte nicht mehr greifen.
Im Orell Füssli Verlag bereits erschienen sind: «Der Irrsinn der Reformen» (2005) und «Ich verstehe nur DAX!» (2008).
