Für Steuersünder beginnt ein neues Zeitalter

Aktualisiert

Bankgeheimnis-Serie, Teil VFür Steuersünder beginnt ein neues Zeitalter

Der Fall UBS zeigt: Illegale Steuervermeidung wird zusehends riskanter. Wenn die Steueroase Schweiz trockengelegt wird, bleiben nur noch unsichere Destinationen wie die Karibik.

von
Philipp Löpfe
Steuerhinterziehung: Vom Regen in die Traufe

Steuerhinterziehung: Vom Regen in die Traufe

All dies macht das Leben der Reichen sehr viel komplizierter. Steuern zu vermeiden mag so etwas wie ein Gentleman's Sport gewesen sein, ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden. Heute jedoch ist es zum gefährlichen Abenteuer geworden. Wer den Fiskus überlisten will, riskiert, vom Regen in die Traufe zu geraten. Wenn Steueroasen wie die Schweiz und Liechtenstein trockengelegt werden, dann bleiben als Alternativen Destinationen in der Karibik oder im wilden Osten. Dort wird man von Steuerfahndern verschont, gerät dafür aber in die Fänge von Gangstern. «Reiche Menschen werden zur Erkenntnis kommen, dass es besser ist, Steuern auf ihrem Vermögen zu zahlen, als es in einem Land ohne Rechtsstaat komplett zu verlieren», prophezeit deshalb der «Economist» sarkastisch.

Selbst die Schweizer Politik zeigt sich lernfähig. Als im Juni 2008 Rechtshilfegesuche im Fall UBS in Bern eintrafen, liess man sich zunächst Zeit. Schliesslich hatte sich die Verzögerungstaktik bisher bestens bewährt. Im Dezember waren immer noch keine Ergebnisse greifbar. Irgendetwas muss dann passiert sein. Plötzlich ging alles sehr schnell. Der Bundesrat liess per Notrecht zu, dass die Namen von 285 amerikanischen UBS-Kunden nach Washington geliefert wurden. Um eine offensichtliche Verletzung des Bankgeheimnisses zu verschleiern, wurde der Entscheid damit begründet, bei diesen Fällen handle es sich um Steuerbetrug, der auch in der Schweiz strafbar und deshalb vom Bankgeheimnis nicht geschützt sei.

Monatelange Zitterpartie

Die UBS selbst liess sich nicht lumpen. Die einst so stolze Grossbank gab sich lammfromm, willigte in einen Vergleich mit den US-Justizbehörden ein und zahlte artig und klaglos eine Busse von 780 Millionen Franken. Doch damit war die Sache noch nicht ausgestanden. Gleichzeitig deponierte die US-Steuerbehörde IRS eine Klage in Miami im Bundesstaat Florida, in der sie die Herausgabe der Namen aller UBS-Kunden forderte, insgesamt rund 52 000. Eine monatelange Zitterpartie begann. Wäre die Bank angeklagt worden, wäre sie wohl untergegangen, zumindest in den USA.

Das grosse Aufatmen kam erst am 11. August 2009, als der Richter in Miami bekanntgab, die IRS und die UBS hätten sich auf einen Vergleich geeinigt. Ein paar Tage später folgten die Details dieser Einigung: Die UBS musste nun bloss noch 4450 Kundendaten ausliefern, die geschätzte 19 Milliarden Dollar Vermögen bei der Bank deponiert hatten. Der Schweiz wurde dafür ein Zeitraum von einem Jahr eingeräumt. Das Beschwerderecht der Kunden wurde nicht angetastet, rein formell bleibt das Bankgeheimnis somit gewahrt. Doch wirklich daran glauben mag eigentlich niemand mehr.

«Schleier des Schweizer Bankgeheimnisses» zerrissen

Der Chef der amerikanischen Steuerbehörde Douglas Shulman sprach davon, dass man nun den «Schleier des Schweizer Bankgeheimnisses» zerrissen habe. Die neue juristische Lage kommentierte Anthony Sabino, Rechtsprofessor an der St. John's University in New York, wie folgt: «Ein neues Zeitalter in der Durchsetzung des internationalen Rechts ist eingeläutet worden», sagte er gegenüber der «Financial Times». «Das gilt speziell für das Wirtschaftsrecht, da die Schweiz zum ersten Mal bereit ist, ihr ultra-geheimes Bankgeheimnis zu biegen.»

DIE SERIE ZUM BANKGEHEIMNIS

Lesen Sie morgen:

Teil 6: «Die Folgen für die Schweiz»

Bisher erschienen:

Teil 1: Die Geburt des Bankgeheimnisses

Teil 2: Merz und Blocher: Bundesräte von Ospels Gnaden

Teil 3: Die James-Bond-Tricks der UBS-Banker

Teil 4: Deutschland wehrt sich

Wie soll es weitergehen nach dem Bankgeheimnis? Was wird aus dem Finanzplatz Schweiz? Diskutieren Sie mit im TalkBack!

Philipp Löpfe

schreibt für verschiedene Schweizer Zeitungen und Zeitschriften. Der frühere Chefredaktor von «SonntagsBlick» und «Tages-Anzeiger» analysiert und kommentiert aktuelle Themen aus Ökonomie und Politik. Er führt Interviews mit international bekannten Wissenschaftlern, Politikern und Wirtschaftsführern.

20 Minuten Online veröffentlicht in einer Serie Auszüge aus Löpfes neuem Buch «Banken ohne Geheimnisse» (2010). Der Wirtschaftsjournalist zeigt darin, was den Finanzplatz Schweiz gross gemacht hat, wo er heute steht und weshalb die einstigen Erfolgsrezepte nicht mehr greifen.

Im Orell Füssli Verlag bereits erschienen sind: «Der Irrsinn der Reformen» (2005) und «Ich verstehe nur DAX!» (2008).

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