Die James-Bond-Tricks der UBS-Banker

Aktualisiert

Bankgeheimnis-Serie, Teil IIIDie James-Bond-Tricks der UBS-Banker

Mit der US-Steuerbehörde IRS ist bekanntlich nicht zu spassen. Sogar Al Capone wurde von der IRS verhaftet. Die UBS kümmerte das nicht — bis ihre illegalen Aktivitäten aufflogen.

Philipp Löpfe
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Philipp Löpfe
Bradley Birkenfeld (l.): «Die Informationen, die ich Ihnen liefere, werden mich in Lebensgefahr bringen und das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses einläuten.»

Bradley Birkenfeld (l.): «Die Informationen, die ich Ihnen liefere, werden mich in Lebensgefahr bringen und das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses einläuten.»

Was die UBS in den USA aufführte, verstiess sowohl gegen das Doppelbesteuerungsabkommen aus dem Jahr 1951 als auch gegen das «Qualified Intermediary Agreement» (QI), ein Abkommen, das die Schweizer Banken 2001 mit den amerikanischen Steuerbehörden geschlossen hatten. Das QI verpflichtet die Schweizer Banken, die Vermögen ihrer amerikanischen Kunden entweder offenzulegen oder ihre Aktivitäten für diese auf ein Minimum zu beschränken. Die UBS hat somit nicht nur unglaublich fahrlässig, sondern schlicht kriminell gehandelt.

Es stand ja auch sehr viel auf dem Spiel. Der Finanzjournalist und Bankenspezialist Lukas Hässig zeigt die Dimensionen des Geschäfts auf: «Bankgeheimnis und Schutz für Steuersünder verwandelten die Schweiz in den Welthort für Privatvermögen», schreibt er in seinem Buch «Der UBS-Crash». «Dessen globale Speerspitze und bekannteste Adresse ist die UBS. Die Schweizer Grossbank wies Ende 2007 verwaltete Vermögen in der Höhe von insgesamt 3189 Milliarden Franken aus, davon stammten 1294 Milliarden von Private-Banking-Kunden aus der Schweiz und aus dem Ausland. Die UBS war damit die mit Abstand grösste Vermögensverwalterin auf dem Globus, und sie galt selbst in dem Jahr, als sie in ihre bisher tiefste Krise geraten war, als Magnet für Neugelder: Dem Private Banking flossen 2007 über 125 Milliarden frische Vermögen zu.

Das Geschäft ist nicht nur sehr gross, sondern auch besonders lukrativ. Nach Abzug der Kosten blieb ein halbes Prozent auf die verwalteten Vermögen als Vorsteuergewinn übrig. Das mag nach wenig klingen, machte aber wegen der schieren Menge der verwalteten Gelder über 6,3 Milliarden Franken aus.»

«Mein Name ist Tarantel»

Die illegalen Aktivitäten der UBS in den USA flogen im Frühjahr 2008 auf. Ihr Kundenberater Bradley Birkenfeld stellte sich den US-Behörden und übergab ihnen Unterlagen, die aufzeigten, wie intensiv reiche amerikanische Kunden von der Schweizer Bank betreut wurden. Birkenfeld ist ein schillernder Charakter. Dem Schweizer Korrespondenten der «Financial Times» hatte er sich einst am Telefon vorgestellt mit «Hallo, mein Name ist Tarantel. Die Informationen, die ich Ihnen liefere, werden mich in Lebensgefahr bringen und das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses einläuten.» Die genaue Rolle des grossen, bulligen Mannes in den Mitvierzigern lässt sich nur erahnen. Aber mit Sicherheit haben seine Informationen viel zur Aufdeckung der illegalen Aktivitäten der UBS in den USA beigetragen.

Birkenfeld ist kein Aufsteiger. Der Sohn eines Chirurgen wuchs im besseren Stadtteil von Boston in den komfortablen Umständen des gehobenen Mittelstandes auf. Seine Karriere als Banker führte ihn über die Credit

Suisse und Barclays zur UBS nach Genf, wo er rund fünfzehn Jahre als sehr erfolgreicher Privatbankier wirkte. Er hatte alles, was es dazu brauchte: eine schicke Wohnung in Genf, ein Chalet in Zermatt mit unverbaubarer Aussicht aufs Matterhorn und die Niederlassungsbewilligung C, die ihm einen unbegrenzten Aufenthalt in der Schweiz erlaubte.

Diamanten in der Zahnpasta-Tube

Warum Birkenfeld die UBS verpfiffen hat, ist umstritten. Er selbst will von einem schlechten Gewissen geplagt worden sein. Andere Quellen sprechen von einem Streit mit seinem Vorgesetzten Liechti und einer ruppigen Entlassung. Auf jeden Fall bestätigt auch Birkenfeld die James-Bond-Praktiken von präparierten Laptops. Er selbst habe sogar Diamanten in Zahnpasta-Tuben versteckt und in die Schweiz geschmuggelt. Neue amerikanische Kunden seien mit aufwändigen Events angelockt worden. Legendär war etwa die «Art Basel» in Miami, wo die UBS im Dezember 2004 ausgesuchte Kunden ins mondäne Hotel «Delano» in Miami Beach einlud. Die hohen Spesen wollten gerechtfertigt sein. «Überschlagsmässig wurde von uns erwartet, jedes Jahr rund vierzig bis fünfzig Millionen hereinzubringen», gab Birkenfeld zu Protokoll. Er wurde Ende August 2009 zu vierzig Monaten Gefängnis verurteilt.

«Unantastbar wie eine Jungfrau»

Der Glamour der Segeljacht von Alinghi, Kunst in Miami Beach und Swissness. Diese Dreifaltigkeit war eine unschlagbare Kombination im Kampf um die Gunst der Reichen rund um den Globus. Das Bankgeheimnis war inzwischen ein fester Bestandteil der Swissness geworden. Es sei «unantastbar wie eine Jungfrau», hatte einst selbst der Sozialdemokrat und Bundesrat Willi Ritschard erklärt. 1984 wurde eine von linken und kirchlichen Kreisen eingereichte Bankeninitiative, die das Bankgeheimnis abgeschafft hätte, mit 73 Prozent Nein-Stimmen verworfen. Noch 2008 hatte der Finanzminister Hans-Rudolf Merz im Parlament an die Adresse der Bankgeheimnisfeinde ausgerufen: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen.»

DIE SERIE ZUM BANKGEHEIMNIS

Lesen Sie morgen:

Teil 4: «Deutschland wehrt sich»

Bisher erschienen:

Teil 1: Die Geburt des Bankgeheimnisses

Teil 2: Merz und Blocher: Bundesräte von Ospels Gnaden

Philipp Löpfe

schreibt für verschiedene Schweizer Zeitungen und Zeitschriften. Der frühere Chefredaktor von «SonntagsBlick» und «Tages-Anzeiger» analysiert und kommentiert aktuelle Themen aus Ökonomie und Politik. Er führt Interviews mit international bekannten Wissenschaftlern, Politikern und Wirtschaftsführern.

20 Minuten Online veröffentlicht in einer Serie Auszüge aus Löpfes neuem Buch «Banken ohne Geheimnisse» (2010). Der Wirtschaftsjournalist zeigt darin, was den Finanzplatz Schweiz gross gemacht hat, wo er heute steht und weshalb die einstigen Erfolgsrezepte nicht mehr greifen.

Im Orell Füssli Verlag bereits erschienen sind: «Der Irrsinn der Reformen» (2005) und «Ich verstehe nur DAX!» (2008).

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