Euro-MindestkursBürgerliche warnen vor dem «grossen Knall»
Bürgerliche Politiker und Topshots aus der Wirtschaft nehmen die Politik der Nationalbank ins Visier. Der Mindestkurs von 1.20 könne zum Bumerang werden.

FDP-Präsident Philipp Müller und die SVP-Nationalräte Christoph Blocher und Peter Spuhler sehen im Mindestkurs eine Gefahr.
Die Euro-Krise hat sich diese Woche zugespitzt, der Aufwertungsdruck auf den Franken nimmt zu. Jetzt fordern Schwergewichte aus Wirtschaft und Politik: Die Nationalbank (SNB) sollte den Mindestkurs von Fr. 1.20 pro Euro aufgeben.
Ex-UBS-Chef Oswald Grübel schreibt in seiner Kolumne im « Sonntag» , es sei «nur eine Frage der Zeit und der Entwicklung der Eurokrise», dass die Strategie des Mindestkurses aufgegeben werden müsse. Je früher die SNB dies tue, umso besser: «Je länger wir daran festhalten, umso höher wird der Preis, den wir alle dafür bezahlen.»
Der Zürcher Finanzprofessor Martin Janssen stimmt Grübel zu: «Die Festlegung des Mindestkurses von 1.20 war in Erwartung eines wieder stärker werdenden Euros vertretbar. Aber jetzt wird der Euro und damit der Franken gegenüber allen anderen Währungen laufend schwächer – obwohl die Marktkräfte zu einem deutlich stärkeren Franken drängen», so Janssen zum «Sonntag».
Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Halte die SNB den Kurs lange künstlich bei 1.20, drohe in zwei oder drei Jahren ein umso schlimmerer Absturz auf 90 Rappen. Janssen fordert eine «Exit-Strategie». Die SNB könnte den Franken schrittweise aufwerten: «Jedes Quartal um einen Rappen, von 1.20 auf 1.19 und so weiter.»
Welches der «freie» Wechselkurs wäre, lässt sich nicht bestimmen. UBS-Berechnungen aufgrund der Kaufkraftparität gehen von schockierend tiefen 93 Rappen pro Euro aus. FDP-Präsident Philipp Müller sagt gegenüber dem «Sonntag»: «Die Schweiz hat die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder stützt die SNB den Franken weiter bei 1.20, mit dem Risiko gewaltiger Verluste auf den Devisenreserven. Oder sie gibt den Mindestkurs auf, was wohl Parität bedeuten würde und die Exporte einbrechen liesse.»
Blocher und Spuhler warnen
SVP-Stratege Christoph Blocher sagt: «Die SNB muss sich bewusst sein, dass der Mindestkurs von 1.20 langfristig nicht durchsetzbar ist. Irgendwann muss wieder der freie Markt den Devisenkurs bestimmen können.» Darum habe Oswald Grübel «grundsätzlich recht». Ein Fragezeichen setzt Blocher beim Zeitpunkt: «Wann der richtige Moment da ist, um den Kurs wieder frei schwanken zu lassen, muss letztlich die Nationalbank entscheiden.»
Auch Unternehmer und SVP-Nationalrat Peter Spuhler ist pessimistisch. Zur «SonntagsZeitung» sagt er: «Ich erwarte, dass es in Europa in den nächsten zwölf bis 24 Monaten gewaltig knallt.» Darum brauche es Instrumente, um eine weitere Aufwertung des Frankens im Notfall zu bremsen. Spuhler zweifelt aber daran, «dass Kapitalverkehrskontrollen technisch umsetzbar sind.» Solche hatte Nationalbank-Präsident Thomas Jordan in der SonntagsZeitung vorgeschlagen. Ausländer könnten damit nur noch begrenzt in der Schweiz investieren.
Linke und Mitte für Mindestkurs
Skeptisch ist Pascal Gentinetta: «Kapitalverkehrskontrollen sind ein Griff in den Giftschrank», sagt der Direktor des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. «Sie sind ein massiver Eingriff in den freien Kapitalverkehr.»
Anders sieht es bei den Mitte-Parteien und der SP aus. Sie unterstützen Jordan in seiner Linie. Susanne Leutenegger Oberholzer (SP), Hans Grunder (BDP) und Christophe Darbellay halten die «Abschottung des Kapitalmarktes für ein wirksames Mittel». Die Linke will gar noch weiter gehen: «Es braucht einen Verzicht der Grossbanken auf Franken-Spekula¬tionen. Und der Bund müsse im Notfall sogar ein Verbot für Immobilienverkäufe erlassen», fordert die SP.