Rolf Hiltl«Auch Metzger gehen vegetarisch essen»
Der 1. Oktober ist Weltvegetariertag. Rolf Hiltl leitet das älteste Vegi-Restaurant der westlichen Welt in Zürich und verrät 20 Minuten, welche Gäste zu ihm kommen.
Rolf Hiltl, heute ist Weltvegetariertag. Sehen Sie einem Menschen an, ob er Fleisch isst?
Ganz früher wurde das Haus Hiltl «Wurzelbunker» genannt. Die Leute gingen zum Teil hinten hinein, damit niemand sieht, wohin sie essen gehen. Das hat sich über die Generationen hinweg jedoch immer mehr geöffnet. Man sieht es einem Menschen nicht unbedingt an, ob und wie viel Fleisch er isst. Aber man merkt sicher, ob jemand bewusst lebt, wie er mit sich und der Natur umgeht.
Kommen eigentlich auch Metzger zu Ihnen ins Restaurant?
Selbstverständlich, und immer öfter. Wir sind nicht mit «vegetarisch» angeschrieben. So kam es, dass kürzlich ein Metzger aus Holland bei einem Besuch in Zürich bei uns ass, obwohl er vorher sagte, er würde nie in ein vegetarisches Restaurant gehen. Hinterher meinte er, wenn das Essen überall so gut wäre, ginge er immer vegetarisch essen.
Inzwischen gibt es viele Teilzeit-Vegetarier, sinkt der Fleischkonsum?
Ja, der Trend geht klar dahin. Früher war es normal, nicht jeden Tag Fleisch zu essen, einfach weil die Leute kein Geld dafür hatten. Zur Zeit meiner Urgrosseltern gab es einmal die Woche Fleisch - das war dann der Sonntagsbraten. Heute isst ein Mensch in den Industriestaaten zwischen 60 und 120 Kilo Fleisch pro Jahr. Würden alle 7,2 Milliarden Menschen auf der Erde so viel essen, bräuchten wir 652 Milliarden Kilo Fleisch, das ist mehr als das Doppelte der jetzigen, äusserst ressourcenintensiven Produktion.
Aus Gründen der Gerechtigkeit und der Ökologie müssten wir weniger Fleisch essen?
Ja, und aus Tierliebe. Wir haben gar nicht genügend Agrarland, um uns diesen Konsum noch lange leisten zu können. Im Übrigen bin ich der Meinung, wer Fleisch isst, sollte auch fähig sein, ein Tier zu töten. Das ist zwar ein bisschen krass, aber dann würde das Fleischessen massiv zurückgehen, die meisten könnten das nämlich nicht.
Sie haben zunehmend auch vegane Gerichte. Löst das das Vegetarische ab?
Konsequente Vegetarier verzichten auch auf Eier und Milchprodukte. Denn die Massentierhaltung auch für die Milch- und Eierproduktion ist ihnen zuwider. Das Internet hat die Menschen in den letzten zehn Jahren besser darüber informiert, das gab einen enormen Schub. Man kann sich im Internet anschauen, wie Tiere in den Schlachthöfen getötet werden oder was Käfighaltung bedeutet.
Das Buffet-Restaurant Tibits, an dem sie zu 50 Prozent beteiligt sind, ist auf Expansionskurs. Finden wir es bald auch in kleineren Städten?
Für ein vegetarisches Restaurant braucht man eher eine grössere Stadt, es ist teilweise noch ein Nischenangebot. Zusammen mit den Gebrüdern Frei haben wir jetzt auch noch einen Standort in Luzern gefunden und wir suchen momentan Räume für Tibits in Genf, Lausanne und St. Gallen.
Bei Ihnen duzen sich alle im Team. Gibt es auch so etwas wie eine vegetarisches Management mit besonderer Menschenführung?
Was nutzt es, wenn ich auf Tiere achte, aber nicht auf Menschen?
Ich verfolge auch ein wichtiges Managementprinzip: dienende Führung. Das heisst Vorbild statt Vorgesetzter sein und klar in der Sache, aber barmherzig mit den Menschen. Für mich sind Tiere und Menschen wertvoll. Und das gilt für jeden Menschen: Ich frage den Tellerwäscher am Morgen genauso, wie es ihm geht, wie meine Stellvertreterin.