Kündigung via ZeitungTopbanker rechnet mit Goldman Sachs ab
Greg Smith war bis am Mittwoch ein hohes Tier bei der Investmentbank Goldman Sachs. Dann veröffentlichte er in der «New York Times» seine Kündigung. Für die Investmentbank ein Desaster.

Die Goldman-Sachs-Chefs Lloyd C. Blankfein (links) und Gary D. Cohn hätten jegliche Kultur verloren. Das wirft ihnen der ehemalige Mitarbeiter Greg Smith vor - die New York Times druckte es ab.
Keystone«Heute ist mein letzter Tag bei Goldman Sachs», so fängt der Brief an, der am Mittwochmorgen online in der «New York Times» zu lesen war. Und es ist ein bitterböser Abschiedsbrief, der es in sich hat. Er wird in der Finanzwelt erneut eine grosse Debatte auslösen.
Greg Smith, ehemaliger Derivate-Chef für Europa, Asien und den Nahen Osten der Investmentbank Goldman Sachs, rechnet darin ab mit der Finanzwelt, seinem Arbeitgeber und der haltlosen Gier, die an der Wall Street bis in die höchsten Etagen herrscht. Smith spricht davon, dass die Kunden der Bank systematisch betrogen werden.
«Vergiftet und destruktiv»
Er habe beinahe zwölf Jahre in der Firma verbracht, zuerst als Praktikant, danach zehn Jahre in New York und in London. «Heute kann ich nur sagen, dass das Umfeld so vergiftet und destruktiv ist, wie ich es nie zuvor erlebt habe.» Auf einen einfachen Nenner gebracht heisse das: «Die Art wie die Firma arbeitet und Geld macht, bringt mit sich, dass die Kundeninteressen systematisch vernachlässigt werden.»
Mehr noch: Die Bank habe jegliche Kultur vergessen. Dabei sei Kultur «immer ein wichtiger Bestandteil vom Erfolg von Goldman Sachs» gewesen. Nur mit Profitdenken hätte es die Firma nicht 143 Jahre lang überlebt, glaubt Smith. Doch er habe gemerkt, dass er gehen müsse, als er den Studenten in den Rekrutierungsvideos nicht mehr in die Augen habe schauen können.
Unpopulär, den Kunden das Beste zu raten
Dann greift Smith die Chefs direkt an: «Wenn die Geschichtsbücher einst geschrieben werden, sollte drinstehen, dass CEO Lloyd C. Blankfein und Präsident Gary D. Cohn jegliche Kultur aus den Augen verloren haben.» Heute sei es bei Goldman Sachs sehr unpopulär, den Kunden das Beste zu raten. Stattdessen verhielten sich die Banker wie Verbrecher: «Wenn du genügend Geld verdienen kannst, und nicht gerade ein Axt-Mörder bist, kommst du an die höchsten Positionen.» Um Erfolg zu haben, müsse man den Kunden in diejenigen Produkte investieren lassen, die man loswerden wolle, erklärt Smith. «Selber kannst du dabei in deinem Stuhl sitzen und undurchsichtige Produkte mit einem Namen verkaufen, den du nicht verstehst.» Und weiter: «Ich war an Metings, wo niemand ein einziges Wort darüber verlor, wie man einem Kunden helfen kann. Es ging nur darum, möglichst viel Geld zu machen.»
Der Artikel wurde gemäss finews.ch sofort zum grossen Thema an der Wall Street. Die Bank Goldman Sachs musste bestätigen, dass Mitarbeiter Greg Smith seit heute früh Londoner Zeit nicht mehr für das Unternehmen arbeitet.
Peinliche Panne für Goldman Sachs
Der offene Brief traf die Bank unerwartet. In einem ersten Communiqué schrieb Goldman Sachs knapp: «Wir gehen nicht einig mit den geschilderten Ansichten, und diese reflektieren nicht die Art, wie wir unsere Geschäfte tätigen. Nach unserer Ansicht sind wir bloss erfolgreich, wenn unsere Kunden erfolgreich sind. Diese fundamentale Wahrheit ist das Herzstück unseres Benehmens.» Experten und Journalisten erwarten, dass darüber noch eine heftige Debatte geführt wird.