Aus und vorbeiDer letzte Einkauf im OVS
Das Ende von OVS steht unmittelbar bevor. 20 Minuten berichtet, wie es in den sterbenden Läden aussieht: Es herrschen Chaos und Leere zugleich.
Heute Abend machen die letzten OVS-Filialen für immer zu. Selten ist «Schlussverkauf» so wörtlich zu verstehen wie heute. In den verbleibenden Läden des Kleiderhändlers ist die Stimmung trüb.
Der Charles-Vögele-Nachfolger hat wohl schon so viele seiner Gestelle verkauft, dass es nicht mehr genug Platz für die übrig gebliebenen Kleider hat. Geradezu verwahrlost wirken die Kartonschachteln voller unsortierter Artikel auf dem Boden – selbst am Flohmarkt herrscht bessere Ordnung als hier in der Filiale in Adliswil.
Erinnerungen an Charles Vögele
Zu kaufen gibts längst nicht mehr nur Kleider: Ausser Mannequins und Gestellen bietet der Händler jetzt auch die Gläser aus dem Pausenraum, Putzkübel und sogar Kabel, die man wohl irgendwo aus der Wand gerissen hat, an.
Besonders weh tut es, dass auf einigen der Verkaufsgegenstände noch der stolze Schriftzug «Charles Vögele Switzerland» prangt. Zwei Jahre lang haben die Italiener versucht, etwas Neues aus der Marke zu machen. Das Scheitern von OVS erinnert noch ein letztes Mal daran, dass es früher ein Schweizer Unternehmen mit einer über 60-jährigen Geschichte war.

Wer ein Souvenir von Charles Vögele will, sollte jetzt zugreifen. (Bild: Leser-Reporter)
Es ist schwierig, Schnäppchen zu finden
Im Laden tummeln sich einige Kunden: eine Mutter mit zwei Kindern, ein indisches Paar, eine Rentnerin. Etwas lustlos wühlen sie in den Kisten, die hauptsächlich mit Frauenkleidern gefüllt sind. Die Rentnerin zupft an einer Kinderbluse, sagt zum Kunden neben ihr dann aber: «Ich sehe nichts, was ich brauchen könnte.» Der erwidert, es sei ja auch nicht leicht, in diesen Kleiderbergen noch ein Schnäppchen zu finden.
Die Mitarbeiter nehmen es mit Humor. Auf die Frage, ob es denn bei diesem Durcheinander ein System gebe, sagt ein Filialleiter zu einem Kunden in heiterem Ton: «Ja, ein Chaos-System. Das ist Erlebnis-Shopping.» Zwar ist heute der letzte Verkaufstag, doch der Angestellte muss auch nächste Woche zur Arbeit kommen: «Jemand muss hier schliesslich aufräumen», sagt er dem Kunden.

In den Kartonkisten herrscht ein reines Chrüsimüsi. (Bild: Leser-Reporter)
«Alles Gute, gell»
Wenig später schüttelt der Filialleiter der einzigen Kassiererin im Laden die Hand: «Falls ich dich nicht mehr sehe, alles Gute, gell.» Kurz bevor er aus dem Laden raus ist, dreht er sich noch einmal zur Kollegin um: «Und falls dich über Mittag niemand ablösen kommt, mach nicht einfach durch – dann lassen wir lieber kurz den Rollladen runter.»
Es liegt generell eine Abschiedsstimmung in der Luft. Der Verkaufsbereich belegt mittlerweile weniger als ein Fünftel der Ladenfläche. Dahinter sieht es aus, als würde eine Grossfamilie zügeln: eine leere Halle voller zugepackter Kartonkisten und staubiger Möbel. Auch die Kabinen sind mit Karton und anderen Dingen zugestellt – Anprobieren geht nicht mehr.
Laden unbeaufsichtigt
An der Kasse bildet sich eine Schlange: Eine Mutter hat ein Jäckli für ihren Sohn gefunden. Dahinter wartet das indische Paar – der Mann hält eine Jeans-Hose. Die Verkäuferin ist allerdings nirgends zu sehen. Die Frau muss wohl etwas mit dem Techniker, der gerade eben mit einer Werkzeugkiste durch den Laden marschiert war, regeln und liess die Kasse mitsamt dem Rest des Ladens unbeaufsichtigt.
Es geht einige Minuten, bis die Kassiererin wieder da ist. Die Kunden warten geduldig. Die Frau kann ja nichts dafür, dass sie ganz allein im sterbenden Laden ist.
«Es lohnt sich, jetzt in den OVS zu gehen», sagt eine Kundin, die wegen der hohen Rabatte im Laden war. (Video: vay/Tamedia)
Das sagen Schnäppchenjägerinnen zum Ende von OVS. (Video: 20M)