Jetzt untersucht der Tierarzt via Handykamera

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Veterinäre im InternetJetzt untersucht der Tierarzt via Handykamera

Via Internet kann man jetzt seinen kranken Vierbeiner untersuchen lassen. Als «Tierarzt in der Hosentasche» umschreibt ein Start-up dieses neue Angebot.

von
M. Weingartner

Fast rund um die Uhr sollen Mensch und Tier beraten werden. (Video: 20Min / miw)

Plötzlich fängt der Hund an zu hinken, die Katze macht abends einen merkwürdigen Eindruck, das Meerschweinchen röchelt vor sich hin – als Herrchen ist man verunsichert. Was tun?

In solchen Fällen will jetzt Dr. Sam aushelfen: Der Online-Tierarzt aus Deutschland bietet seit neustem auch in der Schweiz Telemedizin für Hunde, Katzen und andere Haustiere an. Der Gang in eine Praxis soll den besorgten Haltern so vorerst erspart bleiben. Rund 1000 Anrufer greifen monatlich bereits auf diese Ferndiagnostik zurück – «viele Kunden stammen auch aus der Schweiz», sagt Inhaber Jan Holzapfel.

Handykamera statt Stethoskop

Mit Hilfe von Fotos, Videos oder Textnachrichten tauschen sich die Haustierbesitzer mit dem Arzt via Telefon, PC oder Tablet aus. Die frische Wunde oder das entzündete Auge des Vierbeiners begutachtet der Veterinär etwa direkt durch die Handykamera.

Hier wird also eine Diagnose gestellt, ohne dass der Arzt das Tier untersucht hat. Tierhalter sind skeptisch. So meint man bei IG Meerschweinchen etwa: «Gerade bei einem Tier wie einem Meerschweinchen ist es schwierig, Beschwerden festzustellen und diese schliesslich auch richtig zu deuten», sagt Präsidentin Priska Küng. Von Tierhaltern mit wenig Erfahrung könnten Symptome sehr ungenau umschrieben werden. «Dies wiederum führt schliesslich zu Fehleinschätzungen.»

Der Anrufer untersucht, der Arzt schätzt ein

Solche falschen Schlüsse will man bei Dr. Sam mit viel Fachwissen wettmachen. Die geschulten Ärzte geben den Anrufern deswegen genaue Anweisungen. «So muss der Besitzer auch mal Fieber messen oder den Bauch seines Tieres abtasten», sagt Holzapfel. Anhand der Reaktionen, die der Arzt im besten Fall mittels Live-Video genau mitverfolgt, könne man eine fachmännische Diagnose stellen.

«Besser als Dr. Google»

Gibt es nach wie vor Zweifel oder Unsicherheiten, wird der Tierhalter aufgefordert, eine Praxis aufzusuchen. Man sehe sich nämlich nicht als Ersatz für die herkömmliche stationäre Behandlung. «Wir sind vielmehr eine professionelle Alternative zu dem oft für Verwirrung sorgenden Dr. Google.»

Kostenlos ist das Angebot von Dr. Sam jedoch nicht: Eine Beratung kostet im Minimum 16 Franken. Die Kosten variieren je nach Aufwand. Auch in Randzeiten sowie übers Wochenende und an Feiertagen steigen die Preise für die Konsultation – «teurer als 33 Franken sollte die telemedizinische Beratung aber nicht werden», versichert Holzapfel.

Bald auch Hilfe für Pferde und Schlangen

Obwohl in der Humanmedizin bereits erprobt, stecke die Telemedizin im Veterinärwesen noch in den Anfängen. «Wir sind nun aber im Gespräch mit Tierversicherungen, damit unsere Kunden die Beratungen bald auch abrechnen lassen können», sagt Holzapfel. Auch sonst hat der Start-up-Chef grosse Ziele: Künftig will man auch medizinische Hilfe für Pferde anbieten. Und auch die Beratung bezüglich Reptilien soll weiter ausgebaut werden.

Herr Schellenberg*, was hält die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin von diesem Online-Angebot?

Wir sind gegenüber der Digitalisierung in der Veterinärmedizin grundsätzlich positiv eingestellt – jedenfalls dann, wenn dadurch eine Vereinfachung und Verbesserung der Qualität spürbar ist. Bezüglich Telekonsultation fehlen in der Veterinärmedizin bis anhin Studien, die die Validität und Qualität dieser Diagnostikmöglichkeit zeigen.

Wie kompetent schätzen Sie denn solche Diagnosen via Smartphone ein?

Wir haben Zweifel bezüglich der Diagnose- und Therapiestellung via Telekonsultation. Dies, weil es häufig nur schon im ambulanten Alltag – wo einem klinische Untersuchungen, Bildgebungen und Laboruntersuchungen zur Verfügung stehen – nicht immer einfach ist, eine korrekte Diagnose zu stellen.

In der Schweizer Tiermedizin mangelt es derzeit an Fachkräften. Können Angebote wie Dr. Sam Abhilfe schaffen?

Der Beruf Tierarzt ist auch in Zukunft sehr wichtig. «Teletiermedizin» wie Dr. Sam kann – ohne Einbusse bei der Behandlungsqualität – Tierärzte nicht ersetzen.

*Tierarzt Stefan Schellenberg ist Vorstandsmitglied der Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin (SVK)

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