Schüler scheitern schon am PDF

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Online-BewerbungenSchüler scheitern schon am PDF

Firmen verlangen zunehmend Online-Bewerbungen. Das stellt Schulabgänger vor Probleme: Einige scheitern bereits am Erstellen eines PDFs.

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Selbst mit einfacheren Computer-Arbeiten sind manche Lehrstellen-Suchende überfordert. (Symbolbild)
Die Telekomfirma Sunrise führt derzeit 49 offene Lehrstellen auf der Homepage. Um sich etwa als Detailhandelsfachfrau zu bewerben, reicht ein Klick, der auf ein Online-Formular verlinkt.
Dort können die Schüler ein Bewerbungsschreiben im PDF-Format hochladen und ein Login erstellen.
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Selbst mit einfacheren Computer-Arbeiten sind manche Lehrstellen-Suchende überfordert. (Symbolbild)

Keystone/Gaetan Bally

Auf ihrer Homepage listet Sunrise derzeit 49 offene Lehrstellen für nächstes Jahr auf. Um sich etwa als Kaufmann oder als Detailhandelsfachfrau zu bewerben, reicht ein Klick, der auf ein Online-Formular verlinkt. Ein Blick auf die Seite zeigt: Dort verlangt Sunrise ein Bewerbungsschreiben im PDF-Format oder die Erstellung eines Logins.

Dies stellt für einige Schulabgänger jedoch bereits eine zu hohe Hürde dar: Laut der Zeitschrift «Beobachter» haben selbst gute Schüler Mühe, ein solches Formular auszufüllen. «Es gibt Jugendliche, die nicht mal wissen, was ein PDF ist. Geschweige denn, wie man eine solche Datei erstellt und komprimiert», sagte Patrik Kleger von der St. Galler Lehrstellenbörse.

Selbst das Schreiben einer E-Mail ist ein Problem

Laut Experten sind nicht nur die Online-Formulare ein Problem: «Einige haben keine Ahnung, was sie im Mail selbst noch schreiben sollen – und ob überhaupt etwas», sagt Andreas Schaaf von der Stiftung Zukunft Thurgau, die jährlich etwa 140 Jugendliche bei der Lehrstellensuche unterstützt.

Das Unwissen kann bei der Lehrstellensuche zum Handicap werden. Wie Sunrise setzen viele Firmen auf Online-Bewerbungen, darunter etwa Migros oder Schindler. Eine Schülerin erzählte dem «Beobachter»: «In einem Fall habe ich es nicht geschafft, den Anhang für die E-Mail-Bewerbung zu verkleinern.» Ihr Lehrer habe es auch nicht gekonnt, und als sie bei der Firma anrief, habe der Chef gesagt, er akzeptiere nur E-Mail-Bewerbungen.» Darauf habe sie sich nicht für die Stelle beworben.

«Online-Formulare sind nicht Snapchat»

Rebecca Greter, Co-Geschäftsführerin der Coaching-Plattform Ciivii, kennt das Problem. Sie berät mit ihrer Geschäftspartnerin Irina Stucki Stellensuchende und erhält regelmässig Anfragen von überforderten Schülern (siehe Tipps in der Box). «Online-Formulare und Bewerbungsschreiben folgen einer anderen Logik als Snapchat», sagt sie zu 20 Minuten. Diese Regeln, sei es auch nur das Erstellen eines PDFs oder das Verfassen einer Bewerbungsmail, müssen auch Digital Natives erst lernen.

Doch diese Kompetenzen würden in der Schule zu wenig vermittelt, sagt Greter: «Viele Lehrer sind selbst mit einfachen technischen Fragen überfordert oder sind im Papier-Zeitalter steckengeblieben.» Im Notfall auf die Online-Bewerbung zu verzichten und die Unterlagen schriftlich einzureichen, empfiehlt Greter nicht: «Wenn explizit Online-Bewerbungen gewünscht werden, findet das per Post eingereichte Schreiben wohl kaum Beachtung.»

«Bewerbung darf nicht an einem PDF scheitern»

Sie sieht aber auch die Firmen in der Pflicht: «Online-Formulare oder Registration müssen für Jugendliche verständlich sein – da haben einige Firmen noch Aufholbedarf.» Bernhard Bürki, Sprecher von Pro Juventute, ergänzt: «Es kann nicht sein, dass eine Bewerbung für eine Lehrstelle schlussendlich an einem PDF scheitert.» Deshalb sei es wichtig, dass die Jugendlichen sich bei Eltern oder Lehrpersonen Hilfe holen oder bei den Firmen melden, wenn etwa ein Formular unverständlich sei.

Die angesprochenen Firmen betonen, ihre Prozesse bereits vereinfacht zu haben. Bei der Login Berufsbildung AG etwa, die für den öffentlichen Verkehr rekrutiert, heisst es: «Man muss Dokumente nicht in einem bestimmten Format hochladen, sogar Handyfotos sind möglich», sagte Giovanna Severgnini, Leiterin Selektion. Die Firma Schindler will künftig eine Anleitung zur Erstellung von PDFs aufschalten.

So meisterst du die Online-Bewerbung

Was tun, wenn du mit der Online-Bewerbung überfordert bist? Rebecca Greter, Geschäftsführerin der Coaching-Plattform Ciivii, weiss Rat.

Bekannte fragen: Bei Problemen erkundigt man sich am besten bei Bekannten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Denn viele Eltern haben sich selbst schon lange nicht mehr selber beworben und wissen daher oft nicht besser Bescheid.

Firma anrufen: Akzeptiert das Online-Formular zum Beispiel die hochgeladenen Dateiformate partout nicht, kannst du die Firma ohne schlechtes Gewissen anrufen und um Hilfe bitten. Das zeigt, dass du dich um die Stelle bemühst.

Googeln: Einfache Tricks zum Formatieren von PDFs oder Verkleinern von E-Mail-Anhängen liefert oft eine kurze Google-Suche.

Dateien stückeln: Ein vollständiges Dossier ist auch bei der Online-Bewerbung zwingend. Der erste Eindruck zählt. Motivationsschreiben, Zeugnisse und Lebenslauf sollten in separaten Dateien hochgeladen werden. Wer das berücksichtigt, hinterlässt bei den Personalverantwortlichen einen gewissenhaften und strukturierten Eindruck. (pam)

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