Eat this!Das Märchen von der gesunden Ernährung
Unsere Ernährung wird immer mehr zur Kopfsache. Wir essen, was uns als gesund angepriesen wird. Doch wo bleibt das Bauchgefühl?

Was sollen wir bloss Gesundes essen? In vielen Familien wird gesunde Ernährung zum Zwang. Kinder kommen so nicht auf den guten Geschmack.
SergeyryzhovIch war vor ein paar Tagen im Zoo mit meiner Tochter. Da sassen wir genüsslich mit Bratwurst und Pommes, als am Nebentisch eine Diskussion über gesundes Essen losging. Das Bild war absolut sinnbildlich: Der Vater gab dem Kleinen eine wohl unfassbar gesunde Fischsuppe. Das musste sie sein, den die Suppe stank bis zu uns herüber.
Der Junior verzog sein Gesicht. Der Vater erklärte ihm, wie gesund Omega-3-Fettsäuren seien und dass sie intelligent machen würden. Aha, spannend, was so eine Fischsuppe alles kann! Dass ein zehn Jahre altes Kind rund 2300 Kilokalorien pro Tag braucht, ging wohl im Gesundheitsbewusstsein unter. Wenn der Kleine zu wenig isst, hat er später umso mehr Lust auf Süsses, aber sicher nicht auf mehr Fischsuppe!
Veganer Bub im Hot-Dog-Rausch
Eine andere kleine Geschichte: Ein Bub, der Sohn von veganen Eltern, kommt in ein Feriencamp. Die Eltern erklären vorab, wie wichtig es sei, dass der Kleine vegan essen könne. Natürlich sei dies kein Problem, wurde darauf den Eltern mitgeteilt. Zu dumm war aber, dass der Junge keine Lust auf vegan hatte und jeden Tag mindestens einen Hot Dog verdrücken wollte. Natürlich ging es dem Jungen deutlich besser als den Eltern, die ihre ganze Philosophie den Jordan hinunterfliessen sahen.
Betrachten wir ein weiteres Beispiel: Wir alle kennen die Regel, fünf Portionen Gemüse und Früchte pro Tag seien gesund. Die Studie, die zu diesen Aussagen geführt hat, zeigt, dass Menschen, die diese Menge zu sich nehmen, weniger anfällig für Herzinfarkte seien. So weit, so gut, aber denken wir alle einmal nach: Vielleicht geht das sogar ohne Omega 3. Wer isst viel Gemüse und Früchte? Es sind die Menschen, die grundsätzlich ein höheres Gesundheitsbewusstsein haben. Solche, die sich mehr Zeit für das Essen nehmen, nicht rauchen und regelmässig Sport treiben. Wenn wir nun diese Studie etwas hinterfragen, sehen wir, dass es der Lebensstil ist, der uns gesund macht, auch wenn die eine oder andere Portion Gemüse und Früchte fehlt!
Die «Gesundmacher» im Netz
Wir haben die Vorstellung, dass uns Lebensmittel immer gesünder machen und entstressen sollten, frei mach dem Motto: Wir brauchen das, was uns im Alltag immer mehr abgeht. Wenn wir im Internet etwas Recherche betreiben, stossen wir schnell auf Produkte wie Kokosfett. Es wird im Netz als ultimativer «Gesundmacher» angepriesen. Die mehrfach ungesättigten Fette seien absolut fantastisch für die Gesundheit, ja sogar beim Zähneputzen sei Kokosfett das Allheilmittel.
Wenn wir weitersuchen, entdecken wir einen weiteren Artikel. Dieser erklärt, dass auf das Verhältnis zwischen den Fettsäuren Omega 3 und 6 geachtet werden sollte, denn zu viel Omega 6 sei schädlich für die Gesundheit. Dass die mehrfach ungesättigten Fette von Kokosfett aber ausschliesslich aus Omega 6 bestehen, wird verschwiegen. Welcher Logik sollen wir nun folgen?
Essen wird zur Kopfsache
Wir Menschen sind schon eine komische Spezies. Krude Gedankenkonstrukte verdrängen immer mehr unsere Urinstinkte. Wir meinen, dass wir die Krönung der Schöpfung seien und unser Intellekt alles zum Besseren drehen könne. Ernährungsformen oder Lebensmittel werden gehypt, zu denen der Kopf Ja, aber der Körper Nein sagt.
Das Schlimmste daran ist aber, dass unsere Kinder lernen, nicht mehr auf den Körper zu hören. Stattdessen müssen sie befolgen, was irgendjemand aus irgendwelchen Gründen sagt. Dies empfinde ich im höchsten Mass als Missbrauch und Entmündigung. Gesundes Essen beginnt nicht bei der Lebensmittelauswahl, sondern bei unserer entspannten Einstellung zum eben diesem Essen!

Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler, Querdenker und greift gerne kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist seit 30 Jahren im Leistungssport, hat Weltmeister und Olympiasieger betreut. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik erpse in Winterthur. Hösli betreut hier vor allem übergewichtige Klienten und Menschen mit Reizdarm oder Erschöpfungszuständen. Für 20 Minuten schreibt er unter dem Namen Futterpapst Kolumnen.