Lockerbie-Attentäter kann noch lange leben

Aktualisiert

Falsche PrognoseLockerbie-Attentäter kann noch lange leben

Ein Krebsspezialist hat eingeräumt, dass der mutmassliche Lockerbie-Attentäter Abdel Basset al Megrahi bei seiner Freilassung vor einem Jahr nicht todkrank war.

von
pbl
Abdel Basset al Megrahi (Mitte) bei seiner triumphalen Heimkehr nach Liyben.

Abdel Basset al Megrahi (Mitte) bei seiner triumphalen Heimkehr nach Liyben.

Der schottische Justizminister Kenny MacAskill hatte den Libyer am 20. August 2009 aus «humanitären Erwägungen» aus dem Gefängnis entlassen. Er habe Prostatakrebs im Endstadium und höchstens noch drei Monate zu leben, hiess es damals. Fast ein Jahr danach befindet sich Abdel Basset al Megrahi, der bei seiner Heimkehr nach Libyen triumphal empfangen worden war, immer noch unter den Lebenden.

Der Krebsspezialist Karol Sikora hat gegenüber der «Sunday Times» nun eingeräumt, dass Megrahi «noch zehn oder 20 Jahre leben könnte». Der Leiter der medizinischen Abteilung an der Universität Buckingham hatte den Lockerbie-Attentäter im Auftrag der libyschen Regierung untersucht. Sie habe grossen Wert auf die maximale Lebensdauer von drei Monaten gelegt, erklärte Professor Sikora, denn sie ist in Schottland Voraussetzung für eine humanitäre Entlassung aus dem Gefängnis.

Von Libyen bezahlt

«Ich hatte das Gefühl, ich könne sie rechtfertigen», sagte Sikora der «Sunday Times». Es sei ihm «peinlich», dass sich die Prognose nicht erfüllt habe, allerdings habe stets eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent bestanden, dass Megrahi noch länger als drei Monate leben werde. Er sei von Libyen nicht unter Druck gesetzt worden, sagte Karol Sikora, allerdings hatte das Gaddafi-Regime ihn für seine Untersuchung bezahlt.

Ein Sprecher der schottischen Regierung erklärte, sie habe sich bei ihrem Entscheid auf ein Gutachten des Gefängnisarztes Andrew Fraser berufen, die Beurteilung von Karol Sikora habe «keine Rolle gespielt». Der britische Justizminister Jack Straw hatte letztes Jahr eingeräumt, dass Megrahis Entlassung weniger aus humanitären Gründen als wegen britischen Geschäftsinteressen – sprich Öl- und Gasverträgen – erfolgt sei.

Megrahi will Geheimnis lüften

Der ehemalige Geheimdienstoffizier Abdel Basset al Megrahi ist der einzige Mensch, der jemals für den Bombenanschlag auf eine Boeing 747 der Pan Am über dem schottischen Dorf Lockerbie verurteilt wurde, bei dem am 21. Dezember 1988 270 Menschen ums Leben kamen. Laut der «Sunday Mail» arbeitet Megrahi derzeit zusammen mit dem Journalisten John Ashton an seiner Autobiographie, mit der er sich rehabilitieren will.

So will Megrahi offenbar bislang geheime Dokumente einer schottischen Kommission veröffentlichen, die während drei Jahren den Fall Lockerbie neu aufgerollt und sechs Gründe ermittelt hatte, die für ein mögliches Fehlurteil sprechen. Zweifel an Megrahis Schuld gibt es schon lange. Libyen hat zwar die Angehörigen der Lockerbie-Opfer mit 2,7 Milliarden Dollar entschädigt, die Verantwortung für den Anschlag aber nie übernommen.

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