Der Westen will Karsai entmachten

Aktualisiert

AfghanistanDer Westen will Karsai entmachten

Der einstige Vorzeigepolitiker Hamid Karsai ist für den Westen zur Belastung geworden. Nun soll dem afghanischen Präsidenten eine Art Regierungschef zur Seite gestellt werden.

von
Peter Blunschi

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Herbst 2001 wurde Hamid Karsai von den USA als Präsident von Afghanistan eingesetzt. Lange wurde der weltgewandte Paschtune umschwärmt und gefeiert, doch nach bald acht Jahren im Amt ist der Lack abgeblättert. Nicht nur sind die Taliban in weiten Teilen des Landes wieder auf dem Vormarsch, die Regierung Karsai gilt auch als hochgradig ineffizient und korrupt. Ein Halbbruder des Präsidenten soll in den Anbau und Handel von Heroin verwickelt sein, den einzigen Wirtschaftszweig im Land, der wirklich floriert.

Angesichts der zunehmenden Probleme im Krieg gegen die Taliban und der wachsenden Unbeliebtheit des Präsidenten wollen die westlichen Staaten, von denen das Überleben des afghanischen Regimes militärisch und finanziell abhängig ist, nicht länger zuschauen. Zwar sehen sie keine echte Alternative zu Hamid Karsai, doch er soll auf eine rein repräsentative Rolle als «Vater der Nation» zurückgestuft und die Macht an eine Art Regierungschef übertragen werden, berichten britische Medien.

Vor der Einsetzung eines eigentlichen Premierministers schrecke man zurück, da Afghanistan gemäss Verfassung ein Präsidialsystem nach US-Vorbild besitzt, hielt die «Times» fest. Eine Änderung der Verfassung wäre ein langwieriger Prozess, der unter anderem die Einberufung einer Loya Jirga, einer Versammlung der Stammesführer, bedingen würde. Deshalb wolle man Karsai einen Stabschef zur Seite stellen. Als Favorit der Amerikaner wird Innenminister Mohammed Hanif Atmar gehandelt. Er ist erst seit letztem Oktober im Amt und gilt als fähig und korruptionsresistent, so die «Times».

Offiziell wird dementiert

Offiziell weist der Westen die Pläne zur Entmachtung Karsais zurück. «Sie reflektieren keine Ansichten meiner Regierung, die mir bekannt wären», sagte Richard Holbrooke, der US-Gesandte für Afghanistan und Pakistan, am Montag in Brüssel. Gemäss «Guardian» wurde der Vorschlag jedoch letzte Woche bei Beratungen über eine neue Afghanistan-Strategie im Weissen Haus erörtert. Diplomaten in Kabul äusserten Bedenken, eine solche Massnahme könne von den Afghanen als «Diktat des Westens» betrachtet werden.

Hamid Karsai liess die Idee über einen Sprecher als «Unsinn» kommentieren. Letzte Woche hatte er erklärt, er wolle sich gegen eine Schwächung seiner Macht wehren. «Afghanistan wird niemals ein Marionettenstaat sein», sagte er mit Verweis auf eine ungenannte ausländische Regierung. Anfang März allerdings hatte Karsai sich dem Wunsch des Westens beugen und einer Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom April in den August akzeptieren müssen. Genaueres dürfte man an der internationalen Afghanistan-Konferenz erfahren, die am 31. März in Den Haag stattfinden wird.

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