«Steuerbetrug ist bei uns wie eine Verkehrsübertretung»

Aktualisiert

«Steuerbetrug ist bei uns wie eine Verkehrsübertretung»

Ins Kreuzfeuer der Kritik rückt zunehmend die Rolle Liechtensteins als Steueroase. Der Finanzminister reist nach Berlin und versucht dort bei einem Treffen mit der Bundeskanzlerin die Wogen zu glätten. Er sollte sich auf ziemlich unangenehme Fragen gefasst machen.

Nach Informationen der «Rheinischen Post» war bereits gestern eine Spezial-Einsatzgruppe der Steuerfahndung aus Düsseldorf in die bayerische Landeshauptstadt gereist. Die Zeitung berichtete unter Berufung auf Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen, die Gruppe bereite sich offenbar auf einen längerfristigen Einsatz vor und werde mindestens bis zum Ende der Woche in Bayern ermitteln. Ein Ende der Aktion sei bislang nicht festgelegt.

Ungeschickte Äusserungen des Botschafters

Liechtenstein wies unterdessen Vorwürfe zurück, das Fürstentum lade Vermögende geradezu zur Steuerhinterziehung ein. Der Botschafter in Deutschland, Prinz Stefan von und zu Liechtenstein, sagte heute dem Sender N24, Steuerhinterziehung sei auch in Liechtenstein ein Delikt. «Das wird vielleicht in dieser Debatte, die jetzt sehr hitzig geführt wird, übersehen. Wir laden auch niemanden aus dem Ausland dazu ein.»

Allerdings werde Steuerhinterziehung in dem Fürstentum anders behandelt. «Wenn jemand bei uns in Liechtenstein Steuern hinterzieht, dann ist das so, wie wenn Sie eine Verkehrsübertretung machen. Das wird einfach abgewickelt», sagte der Botschafter.

Bank gehört dem Fürstenhaus

Die aufsehen erregende Durchsuchung beim inzwischen abgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel hat auch das dem Fürstenhaus gehörende Finanzinstitut LGT in den Blick der Ermittlungsbehörden gerückt. Nach ZDF-Informationen enthält die brisante Daten-CD Dokumente, die belegen könnten, dass staatliche Stellen des Fürstentums genutzt wurden, um das Wissen über sogenannte «Steuersparmodelle» in wohlhabenden Kreisen in Deutschland gezielt zu verbreiten.

Merkel will Hasler am Mittwoch im Kanzleramt empfangen und den Steuerskandal offen ansprechen, wie sie am Montag vor Journalisten sagte. Die CDU-Chefin verwies darauf, dass die Reputation eines Standortes heute ein wichtiger Massstab für Anleger sei. Deshalb stelle sich die Frage, welche Reputation Liechtenstein als Finanzplatz anstrebe. «Das ist natürlich auch eine wichtige Frage für diejenigen, die dort ihren Wohlstand auch im Finanzsektor erwirtschaften wollen», sagte die Kanzlerin. «Und ich habe den Eindruck, dass das auch wiederum eine Möglichkeit ist, vielleicht Verbesserungen und Harmonisierung in Richtung der allgemeinen Standards hinzubekommen.»

Wirtschaftssanktionen vorgeschlagen

Weitaus drastischer äusserten sich da andere Politiker. Der frühere Juso-Chef Björn Böhning verlangte etwa, notfalls müsse man auch Wirtschaftssanktionen gegen das Fürstentum erwägen, um den Missbrauch abzustellen. Klartext redete auch Unionsfraktionsvizechef Michael Meister: Man könne es nicht auf Dauer akzeptieren, dass ein kleineres Land wie Liechtenstein aktiv zur Steuerhinterziehung einlade, sagte er auf n-tv. «Das ist weder aus deutscher Sicht noch aus EU-Sicht akzeptabel.»

Parallel meldeten sich die üblichen Verdächtigen zu Wort und beweinten den Ansehensverlust für die Manager, für die soziale Marktwirtschaft oder die Demokratie als solche. Dass allerdings mit als erster Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann an die Vorbildfunktion von Führungspersönlichkeiten erinnerte, machte viele Beobachter stutzig. Denn sein Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozesses in Düsseldorf machte gerade ihn zum Inbegriff des arroganten Managers. Nur durch die Zahlung von Geldauflagen von rund 5,8 Millionen Euro hatte das Landgericht im Jahr 2006 das Mannesmann-Verfahren endgültig eingestellt.

(AP/ast)

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