Umstrittener PräsidentWulff kämpft um Amt und Ruf
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff gerät immer stärker in Bedrängnis. Eine Liste mit Urlaubsaufenthalten auf Kosten von befreundeten Unternehmern bringt neue Brisanz in die Affäre.

Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff soll einen zinsgünstigen Kredit von einem Geschäftsfreund erhalten und Urlaub auf Kosten befreundeter Unternehmer gemacht haben.
Der Druck auf den deutschen Bundespräsident Christian Wulff wächst. Neben einem500 000-Euro-Privatkredit werden jetzt auch seine Urlaubsaufenthalte bei befreundeten Unternehmern in den vergangenen Jahren zur einer schweren Hypothek. SPD, Grüne und Linke verlangten am Wochenende Aufklärung über die Umstände des Darlehens. Derweil wiesen Wulffs Anwälte Mutmassungen zurück, bei den Urlaubsaufenthalten in der Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident sei gegen gesetzliche Vorgaben verstossen worden.
Wulff selbst hatte sich am Samstagabend persönlich zu Wort gemeldet und deutlich gemacht, dass er keinen Anlass zum Rücktritt sieht. Dem Hörfunksender MDR Info sagte er: «Man muss selber wissen, was man macht und das muss man verantworten. Und das kann ich. Und das ist das Entscheidende.» Man müsse auch unterscheiden, «wo ist etwas real und wo ist etwas mit sehr viel Staub aufwirbeln verbunden».
Kredite unter Freunden
Auslöser der Debatte ist ein privater Kreditvertrag aus dem Jahr 2008, der laut Wulff mit der Ehefrau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens geschlossen wurde. Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, hatte Anfang 2010 eine Geschäftsbeziehung zu Egon Geerkens im Landtag verneint. Dabei hatte er unerwähnt gelassen, dass er den Kredit mit dessen Ehefrau schloss. Das bedauerte Wulff am Donnerstag. Am Freitag berichtete der «Spiegel», dass der Kredit offenbar doch direkt mit Egon Geerkens ausgehandelt worden sei. Wulff liess über seine Anwälte am Freitagabend bekräftigen, das Darlehen stamme von Edith Geerkens.
Wulff bestritt zugleich, dass er den Privatkredit zu einem besonders günstigen Zinssatz bekommen hat. «Der Kredit wurde verkehrsüblich verzinst», teilten Wulffs Anwälte der «Welt am Sonntag» auf Anfrage mit. Bestätigt wurde jedoch auch, dass Edith Geerkens für das Darlehen «keine Sicherheiten» verlangt habe. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht unter anderem in dem angeblich günstigen Zinssatz von vier Prozent einen Vorteil für Wulff und damit einen Verstoss gegen das Ministergesetz in Niedersachsen.
Mehrere Urlaubsreisen zu Freunden
Neues Ungemach droht derweil durch die Urlaubsreisen zu befreundeten Unternehmern. Während seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident habe er insgesamt sechs Mal die Räumlichkeiten von befreundeten Unternehmern für private Urlaube genutzt, berichtete die «Bild»-Zeitung unter Berufung auf eine aktuelle Anfrage beim Bundespräsidenten. Neu dabei ist ein Urlaub im italienischen Anwesen des Unternehmers Wolf-Dieter Baumgartl, dem früheren Chef und heutigen Aufsichtsratschef der drittgrössten deutschen Versicherungsgruppe Talanx.
Die Bonner Rechtsanwaltskanzlei veröffentliche unmittelbar darauf die Liste und räumte ein, dass Wulff seine Ferien zuweilen «abgeschieden von der Öffentlichkeit bei befreundeten Familien» verbracht habe. Diese Urlaubsaufenthalte, «die überwiegend gemeinsam mit den jeweiligen langjährigen Freunden stattfanden», hätten aber «keinen Bezug zu seinen öffentlichen Ämtern» gehabt.
Rückendeckung aus der Koalition
Während die Opposition weitere Aufklärung verlangte, bekam Wulff Rückendeckung von den Koalitionären Union und FDP. Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler lobte Wulff in der ARD für dessen angestrebte «grösstmögliche Transparenz». Einen Rücktritt Wulffs halte er nicht für geboten: «Das ist absolut nicht die Forderung der FDP.»
Auch die CDU zeigte sich solidarisch. «Der Bundespräsident hat sich umfassend erklärt. Ich habe volles Vertrauen in seine Aussagen», sagte Generalsekretär Hermann Gröhe der Zeitung «Die Welt». Er rief SPD und Grüne auf, «rasch zum nötigen Respekt zurückfinden, der unserem Staatsoberhaupt gegenüber geboten ist». Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber sagte im Bayerischen Fernsehen, er könne sich nur Bundeskanzlerin Angela Merkel anschliessen, «die vollstes Vertrauen in den Bundespräsidenten hat und ihm natürlich auch zur Seite steht». (dapd)
Muslime stellen sich hinter Wulff
Der Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, Bekir Alboga, hat Bundespräsident Christian Wulff in der Affäre um dessen Hauskredit den Rücken gestärkt. «Der Bundespräsident geniesst ein hohes Ansehen und Respekt - nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere auch auf internationale Ebene», sagte er der «Mitteldeutschen Zeitung» (Montagausgabe).
Der Bundespräsident habe «sehr gute Signale gesendet, was die Zugehörigkeit der Muslime zu Deutschland angeht». Auch Wulffs Sensibilität gegenüber den Hinterbliebenen der Mordserie der Rechtsterroristen lobte Alboga. Es gelingt ihm gut, das gesellschaftliche Zusammenleben und den friedlichen Zusammenhalt wirkungsvoll zu fördern. «Es wäre deshalb sehr schade, wenn er aufgrund politischer Intrigen diese Respekt gebührende Politik nicht mehr fortführen könnte.» (dapd)