Al Kaidas «Probleme» mit Norwegen

Aktualisiert

Explosion in OsloAl Kaidas «Probleme» mit Norwegen

Die Ursache der verheerenden Explosion in Oslo ist noch unklar. Das Terrornetzwerk Al Kaida hätte allerdings mehrere Gründe, das skandinavische Land ins Visier zu nehmen.

von
pbl
Mullah Krekar bei einem Gerichtstermin in Oslo im Oktober 2007.

Mullah Krekar bei einem Gerichtstermin in Oslo im Oktober 2007.

Das Ausmass und der Ort der Explosion vom Freitag deuten auf einen Anschlag hin. Eine Bestätigung dafür gibt es noch keine, ebenso wenig Hinweise auf mögliche Täter. Doch der Fokus richtet sich fast automatisch auf islamische Terroristen. Auf den ersten Blick erscheint es paradox, dass diese ein vermeintlich friedliches Land im Norden Europas angreifen sollten. Doch es gibt Gründe, die für Al Kaida als Urheber sprechen.

So wurden vor einem Jahr drei muslimische Einwanderer mit Wohnsitz Norwegen verhaftet, die einen Bombenanschlag geplant haben sollen. Der norwegische Terrorexperte Thomas Hegghammer hat damals für das US-Magazin «The Atlantic» drei Gründe aufgezeigt, warum das Land, in dem der Friedensnobelpreis verliehen wird, zum Angriffsziel werden könnte:

Afghanistan: Norwegen ist seit der Invasion im Oktober 2001 Teil der internationalen Streitmacht (ISAF) in Afghanistan. Damit gehören die Skandinavier aus Sicht der Islamisten zu den «christlichen Kreuzrittern» und sind damit legitime Ziele. Allerdings ist Norwegen mit seinen 500 Soldaten, die im relativ ruhigen Norden stationiert sind, ein zweitrangiger Akteur innerhalb der ISAF. Staaten wie Bulgarien, Rumänien und Georgien mit grösseren Truppenkontingenten seien nie bedroht worden, schreibt Hegghammer.

Mohammed-Karikaturen: Die dänische Zeitung «Jyllands Posten» veröffentlichte im September 2005 Karikaturen des Propheten Mohammed. Dies führte in islamischen Ländern zu Protesten und teilweise gewalttätigen Ausschreitungen. Auch Norwegen geriet in den Strudel, nachdem eine kleine Zeitung die Zeichnungen nachgedruckt hatte. Auf die norwegische Botschaft in Syrien wurde 2006 ein Brandanschlag verübt, in Pakistan wurden Büros des Telekom-Unternehmens Telenor angegriffen. Doch auch diese Erklärung genügt Thomas Hegghammer nicht, denn der eigentliche Zorn habe sich gegen Dänemark gerichtet.

Mullah Krekar: Der im Irak geborene Krekar ist der Gründer der kurdisch-islamistischen Gruppierung Ansar al-Islam, die mit Al Kaida in Verbindung stehen soll. Er kam ursprünglich als Flüchtling nach Norwegen, wurde aber 2005 als Gefährdung für die Staatssicherheit eingestuft. Seine Ausschaffung wurde jedoch aufgeschoben, da ihm im Irak Folter oder gar die Todesstrafe drohen. Im Juni 2010 drohte Krekar an einer Medienkonferenz, falls er ausgeschafft und getötet würde, ereile Norwegens Behörden dasselbe Schicksal. Insbesondere der früheren Ministerin Erna Solberg drohte er mit dem Tod. Vor wenigen Tagen wurde Mullah Krekar wegen dieser Drohung angeklagt.

Für Al Kaida sei Krekar aber ein kleiner Fisch, meint Experte Thomas Hegghammer. Letztlich sei Norwegen ein Terrorziel mit niedriger Priorität. Doch vielleicht wurde den Nordländern genau dies zum Verhängnis. Weil Anschläge in den USA oder Grossbritannien zunehmend schwierig würden, könnte sich Al Kaida «in der Nahrungskette nach unten bewegt haben», schreibt Hegghammer. Möglich ist es, denn selbst das neutrale Schweden ist nicht mehr sicher, wie der missglückte Selbstmordanschlag vom letzten Dezember im Zentrum von Stockholm zeigt.

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