PersonenfreizügigkeitAbstimmungskampf mit falscher Website?
Wer steckt hinter der Website come-to-switzerland.com, die deutsche Sozialhilfeempfänger in die Schweiz bringen will? Ein simpler Betrüger oder Gegner der Personenfreizügigkeit? Indizien deuten auf den SVP-Nationalrat Lukas Reimann. Dieser glaubt jedoch an ein Komplott gegen seine Person.
Abstimmungskampf mit falschen Webseiten: Dieser Verdacht steht derzeit bei der Personenfreizügigkeit im Raum. Come-to-switzerland.com verspricht deutschen Hartz-IV-Empfängern leichtes Geld, sprich Sozialhilfe, in der Schweiz — gegen ein happiges Honorar (20 Minuten Online berichtete). Jetzt äussert der Tages-Anzeiger den Verdacht, dass der SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG) hinter der Site steckt und damit Abstimmungskampf gegen die Personenfreizügigkeit führt. Denn über die St. Galler Webdesign-Firma Chamäleon-Media besteht eine Verbindung des Nationalrats zum deutschen Betreiber von come-to-switzerland.com, Markus Gäthke.
Reimann sieht Komplott von Linksextremisten
Reimann weist jede Verbindung zu Gäthke zurück: «Ich habe nie mit Gäthke zu tun gehabt», sagt er. Es sei eine sehr unangenehme Situation für ihn. Reimann hat bereits früher gezeigt, dass er Abstimmungskampf im Internet betreiben kann (20 Minuten Online berichtete). Deshalb sei man auch auf ihn gekommen, sagt Reimann. «Aber wenn diese Seite von mir stammte, würde ich das auch zugeben.» Reimann glaubt vielmehr, linksextremistische Kreise würden ihn gezielt bei verschiedenen Medien anschwärzen. Beweise hat er dafür keine: «Es ist doch offensichtlich, wenn am Dienstag verschiedene Medien aufgrund dubioser Hinweise mit mir Kontakt aufnehmen.» Zudem sei Gäthke Mitglied der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD). Das zeige laut Reimann die Kontonummer Gäthkes, die ebenfalls auf einem APPD-Flugblatt im Internet auftaucht.
Gäthke ist aber vor allem ein Betreiber von dubiosen Websites, hinter denen oft anonyme Auftraggeber stecken dürften. So taucht er im Impressum von Seiten wie mein-auslandskonto.de oder kreditkarten-perfekt.de auf. Auch auf come-to-switzerland.com taucht er als «verantwortlich im Sinne des Mediengesetzes» auf, was in Deutschland nicht viel bedeutet. Gegenüber 20 Minuten Online sagte er denn auch vor wenigen Tagen, dass er für den Inhalt nicht verantwortlich sei. Er könne aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Auskunft erteilen über den Auftraggeber. Er habe die Anfrage von 20 Minuten Online aber weitergeleitet. Eine Antwort ist bisher nicht eingetroffen.
Inserat in «20 Minuten» geplant
Der Bevölkerung die Seite bekannt machen wollte eine Privatperson aus dem Kanton Zürich. Er erteilte am 26. Januar ein Auftrag für ein Inserat in «20 Minuten». Der Verlag lehnte jedoch ab. Der Auftraggeber, ein ehemaliger parteiloser Gemeinderat, der anonym bleiben will, bestreitet jede Verbindung zu Lukas Reimann, der SVP oder zur Auns. «Ich wollte, dass sich die Leute selbst ein Bild machen können», sagt er. Er stehe aber politisch rechts. Reimann kann sich ebenfalls nicht an den Namen der Person erinnern.
Falls die wahren Urheber der Seite irgendwann bekannt werden, dürfte das kaum rechtliche Folgen haben. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) wollte bereits vor einer Woche den Betreibern von come-to-switzerland.com auf die Spur kommen. Geschehen ist noch nicht viel. «Wir haben die Absicht, mit den Betreibern Kontakt aufzunehmen und verlangen eine Berichtigung», sagt Seco-Sprecherin Rita Baldegger. Bis dann hat das Schweizer Volk schon längst über die Personenfreizügigkeit entschieden.