Aussage unter FolterTop-Zeuge für Irak-Invasion ist tot
Ohne ihn wären die USA vielleicht nie im Irak einmarschiert: Unter Folter lieferte Ibn Al-Shaykh al-Libi die «Beweise» für Saddam Husseins Verbindung mit Al-Kaida. Nun ist er unter mysteriösen Umständen gestorben.
Seine Geschichte ist wenig bekannt. Dabei wäre ohne den gebürtigen Libyer (al-Libi), der eigentlich Ali Mohammed Abdelaziz al-Fakhiri hiess und von dem es keine Bilder gibt, den USA und der Welt vielleicht einiges erspart geblieben. «Er ist eine ziemlich bedeutende Figur in der Antiterror-Welt, seine Zeugenaussage war nach meiner Ansicht entscheidend für die Invasion im Irak», sagte Stacy Sullivan, eine Antiterror-Expertin der US-Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch, zu CNN.
Ibn Al-Shaykh al-Libi hatte in CIA-Gewahrsam erklärt, dass Al-Kaida-Terroristen von irakischen Agenten im Gebrauch von chemischen und biologischen Waffen ausgebildet worden waren. Seine Aussage war ein wichtiger Bestandteil von US-Aussenminister Colin Powells Auftritt vor dem UNO-Sicherheitsrat am 5. Februar 2003, wenige Wochen vor der Invasion. Für die Bush-Regierung war sie der «Beweis», dass der irakische Diktator Saddam Hussein in die Terroranschläge vom 11. September 2001 verwickelt war.
In den USA verfehlte sie ihre Wirkung nicht, eine Mehrheit der Amerikaner glaubte zu Beginn des Angriffs im März 2003 tatsächlich, dass Saddam für 9/11 verantwortlich war. Doch kurz danach widerrief Ibn Al-Shaykh al-Libi seine Aussagen, und der Geheimdienstausschuss des US-Senats kam 2006 zum Schluss, dass es keinerlei Beweise für eine Verbindung von Saddam Hussein und Al-Kaida gab, genauso wenig wie für Massenvernichtungswaffen im Irak, den zweiten wichtigen Kriegsgrund.
Wiederholt geschlagen und bedroht
Zwischen Ibn Al-Shaykh al-Libi und Al-Kaida allerdings gab es eine Verbindung, der Libyer hatte in Afghanistan Terroristen ausgebildet und war nach dem US-Einmarsch im November 2001 verhaftet worden. Danach geriet er in die Mühlen der US-Geheimgefängnisse. 2002 sei er nach Ägypten gebracht und wiederholt geschlagen sowie von US-Befragern bedroht worden. Er habe seine Geschichte erfunden, um eine «bessere Behandlung» zu erhalten und nicht wieder nach Ägypten gebracht zu werden, sagte er bei einem Verhör durch die CIA 2004.
Für Kritiker der Bush-Regierung ist al-Libi das Paradebeispiel dafür, dass Menschen unter Folter alles sagen, was man von ihnen hören will, nur damit sie nicht länger gequält werden. Bereits im Februar 2002 hatten US-Militärgeheimdienstler gewarnt, dass der Libyer «seine Befrager vermutlich absichtlich in die Irre führt». Die CIA hielt dennoch an seinen Aussagen fest. Sie betonte in ihrem Bericht vom Januar 2003 einzig, es gäbe keine Beweise aus erster Hand für die angeblichen irakischen Waffentrainings.
In libyschem Gefängnis aufgetaucht
Was danach aus Ibn Al-Shaykh al-Libi wurde, ist weitgehend unklar, er gehörte nicht zu den Al-Kaida-Topshots wie Chalid Scheich Mohammed, die 2006 nach Guantánamo gebracht wurden. Mitglieder von Human Rights Watch hätten ihn völlig überraschend im April bei einem Besuch in einem Gefängnis in Libyen getroffen, sagte Stacy Sullivan. Allerdings habe er sich nicht zu seinem Schicksal äussern wollen. «Wo wart ihr, als ich in amerikanischen Gefängnissen gefoltert wurde?» habe er verärgert gefragt.
Am letzten Wochenende meldete eine libysche Zeitung den Tod des einstigen Top-Zeugen. Ibn Al-Shaykh al-Libi habe in seiner Zelle Selbstmord begangen. Er habe regelmässig von seiner Familie Besuch erhalten, hiess es weiter. Das Ende ist so mysteriös wie vieles an seiner Geschichte. Stacy Sullivan ist enttäuscht: «Ich denke, er hätte uns mehr über das geheime CIA-Gefangenenprogramm erzählen können». Human Rights Watch verlange von Libyen eine «vollständige und transparente Untersuchung» seines Todes.