Anti-Minarett-InitiativeTiefer Graben zwischen Stadt und Land
Bei der Anti-Minarett-Initiative hat das Land und die Städte sehr unterschiedlich abgestimmt. Dies zeigt ein Blick auf die Ergebnisse auf Kantons-, Bezirks- und Gemeindeebene. Auch das Verbot von Kriegsmaterial-Exporten wäre in Grosszentren fast angenommen worden.
Die Volksinitiative für ein Verbot von Minaretten, die schweizweit auf 57,5 Prozent Ja-Stimmen kam, in ländlichen Gemeinden im Schnitt eine Zweidrittels-Mehrheit, wie aus Zahlen des Bundesamts für Statistik hervorgeht.
Auch Agglomerationsgemeinden von Grosszentren stimmten noch mit 56 Prozent Ja, mittelgrosse Zentren nur knapp mit 51 Prozent. Im Kanton Bern nahmen beispielsweise Biel, Thun und Langenthal die Initiative an.
Nein-Mehrheiten in Städten
Verworfen wurde die Initiative hauptsächlich in Grossstädten wie Zürich, Bern, Genf und Basel - dort erreichte sie im Schnitt nur knapp 39 Prozent Zustimmung. Während die Kantone Zürich und Bern der Vorlage mit 53 respektive 61 Prozent zustimmten, kam sie in den jeweiligen Städten nur auf rund 36 Prozent Ja. Auch in reichen Gemeinden wurde die Vorlage - knapp - verworfen.
Bezirke mit Nein-Mehrheiten gab es in Zürich und entlang der «Goldküste» (Meilen), in den Agglomerationen Bern und Freiburg, in Basel Stadt und einigen Regionen des Jurabogens bis Neuenburg, sowie entlang dem Genfersee von Genf bis Riviera/Pays d'Enhaut.
Auch einzelne Städte wie Frauenfeld, Winterthur, Solothurn und Aarau hoben sich mit ihren Nein-Mehrheiten von ihrem ländlichen Umfeld ab. In der Innerschweiz lehnten von den 167 Gemeinden nur gerade Zug, Luzern und, seltsamerweise, Realp UR die Anti-Minarett-Initiative ab.
Von den Orten, in denen Minarette bereits gebaut sind, stimmte Wangen bei Olten SO mit über 61 Prozent zu. In den Städten Genf, Zürich und Winterthur wurde die Initiative abgelehnt - in Zürich und Genf erzielte sie 36 Prozent Ja, in Winterthur 47 Prozent. In Langental BE, wo ein Minarett geplant ist, fand die Initiative eine 60,4 Prozent-Zustimmung.
Rekordergebnisse
Ein Rekordergebnis von 100 Prozent Ja wurde aus Pigniu in der Surselva GR gemeldet - alle 9 Stimmenden stimmten zu. Die bernischen Gemeinden Elay (Seehof) und Aeschlen sagten laut provisorischen Ergebnissen mit 96 respektive 95 Prozent Ja. Die 90 Prozent Marke überstiegen ferner Unteriberg SZ, Scheunen und Champoz BE sowie Zwischbergen VS.
Unerwartet tief war die Zustimmung in Madiswil und Ballmoos BE, wo laut den provisorischen Ergebnissen nur 19 respektive 25 Prozent Ja stimmten. Überraschend tief mit 30 bis 36 Prozent Ja waren auch die Ja-Anteile in Erschmatt VS, Blitzingen VS, Cevio TI, Sarn GR und Ennetbaden AG. Ansonsten gab es nur in grosstädtischen Gemeinden und am Genfersee eine so klare Ablehnung.
Röstigraben weniger akzentuiert
Weniger akzentuiert war der Röstigraben. Am klarsten wurde die Vorlage in der italienischen Schweiz mit 68 Prozent Ja angenommen, gefolgt von der deutschen Schweiz mit 59,7 Prozent. In der Romandie konnte sich aber nur eine starke Minderheit (48,3 Prozent) für die Volksinitiative begeistern. Drei Romand-Kantone (Genf, Waadt und Neuenburg) sowie Basel-Stadt haben sie verworfen.
In Städten der französischsprachigen Schweiz kam die Initiative nur auf 45 Prozent, in jenen der deutschsprachigen auf 56 und in der italienischen Schweiz auf knapp 68 Prozent.
Kriegsmaterial-Initiative beinahe angenommen in Städten
Deutlich war das Gefälle zwischen Stadt und Land auch bei der Kriegsmaterial-Initiative. Obschon die Ablehnung eines Exportverbots von Rüstungsgütern gesamtschweizerisch deutlich war, wäre es in Grosszentren mit 49,5 Prozent Zustimmung beinahe angenommen worden. Aus den BFS-Zahlen geht eine deutliche Tendenz hervor: je kleiner eine Gemeinde, desto weniger Ja-Stimmen wurden prozentual in die Urnen geworfen. In Mittelzentren stimmten dem Verbot noch 37,6 Prozent der Stimmberechtigten zu, in ländlichen Gemeinden fand die Vorlage hingegen lediglich bei einem Fünftel der Wählenden Zustimmung. Im Vergleich der Sprachregionen zeigte sich, dass die Ablehnung der Initiative in der Deutschschweiz mit 29,2 Prozent Ja-Stimmen wuchtiger ausfiel als in der Romandie und der italienischen Schweiz mit 39,1 beziehungsweise 37,5 Prozent Zustimmung.
Kaum nennenswerte Unterschiede wurden bei der Vorlage über die Spezialfinanzierung für Aufgaben im Luftverkehr registriert, die mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen wurde. Grössere Gemeinden tendierten eher stärker zu einem Ja als kleinere. Eine Ausnahme bildeten die einkommensstarken Orte; sie nahmen die Vorlage deutlich mit 72,8 Prozent an. Die Unterschiede bei den Sprachregionen bewegten sich im Rahmen von zwei Prozenten. (sda/dapd)