20 Jahre nach MassakerDer «unbekannte Rebell» vom Tiananmen
Das Bild ist eine Ikone der Zeitgeschichte: Ein junger Mann stellt sich am Tag nach dem Tiananmen-Massaker in Peking einer Panzerkolonne entgegen. 20 Jahre danach weiss immer noch niemand, wer er war und was aus ihm wurde.
Die Szene ereignete sich am Morgen des 5. Juni 1989, einen Tag nachdem die chinesische Volksbefreiungsarmee die Demokratiebewegung auf dem Tiananmen, dem «Platz des himmlischen Friedens» im Zentrum von Peking, brutal niedergeschlagen hatte. Ein junger Mann mit weissem Hemd und Einkaufstaschen in jeder Hand versucht, den Vormarsch einer Panzerkolonne aufzuhalten. Am Ende klettert er sogar auf den ersten Panzer, um mit dem Fahrer zu diskutieren. Schliesslich wird er von Passanten weggezogen.
Mehrere Fotografen und Fernsehteams hielten den denkwürdigen Moment fest. Die Bilder gingen um die Welt und wurden zum Symbol für den (vergeblichen) Widerstand des Einzelnen gegen die übermächtige Staatsgewalt. Bis heute aber kennt niemand den Namen des mutigen Mannes, der als «Tank Man» (Panzermann) oder «unbekannter Rebell» bezeichnet wird. Für das US-Magazin «Time» ist er eine der 100 wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Die Aufnahme der Szene wurde vom gleichen Magazin in die Liste der 100 Fotografien, die die Welt veränderten, aufgenommen.
Hingerichtet oder untergetaucht?
Kurz nach dem Vorfall behauptete das britische Boulevardblatt «Sunday Express», es habe sich beim «Tank Man» um einen 19-jährigen Studenten namens Wang Weilin gehandelt. Die Journalist Charlie Cole von «Newsweek» – ein Augenzeuge des Vorfalls – sagte, er sei von der Polizei verhaftet worden. Verschiedene Quellen behaupteten, der Mann sei später hingerichtet worden. Die chinesische Regierung wies diese Version zurück, äusserte sich aber nie konkret zum Geschehen.
Möglicherweise mit gutem Grund. Vor elf Jahren liess das in Hongkong ansässige Information Centre for Human Rights and Democracy Movement in China verlauten, es habe offizielle Dokumente zum Vorfall erhalten. Diese zeigten, dass die Regierung keine Ahnung habe, was mit dem «unbekannten Rebellen» geschah. Auch der Name Wang Weilin sei nicht korrekt. Dies würde die Version von Jan Wong stützen, einer kanadisch-chinesischen Journalistin, die in einem Buch behauptete, er sei in China untergetaucht.
Die letzte Spur stammt aus dem Jahr 2006: die Hongkonger Zeitung «Apple Daily» zitierte Gerüchte, wonach der «Tank Man» fliehen konnte und heute in Taiwan lebt. Die Frage ist nur, ob er sich in einem solchen Fall nicht längst geoutet hätte. So aber weiss auch nach 20 Jahren niemand, wer er war und was aus ihm wurde. Und das dürfte sich so schnell nicht ändern, denn in China kennt kaum jemand das legendäre Foto. Die Demokratiebewegung und das Massaker werden von der Regierung konsequent totgeschwiegen.