Regime kritisiert USA

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ÄgyptenRegime kritisiert USA

Der ägyptische Aussenminister verurteilt den Druck der USA für einen schnellen Regierungswechsel. Die Muslimbrüder brachen unterdessen wegen einer Gewaltdrohung den Dialog ab.

von
rub

Der ägyptische Aussenminister Ahmed Abul Gheit hat den USA vorgeworfen, mit ihren Reaktionen zu Beginn der Proteste gegen die Kairoer Regierung für Verwirrung gesorgt zu haben. Frühe Erklärungen Washingtons, wonach es «jetzt» zu einem Wandel in Ägypten kommen müsse, seien nicht hilfreich gewesen, erklärte Abul Gheit in einem Interview mit PBS NewsHour. «Wenn man einem grossen Land wie Ägypten Forderungen nach sofortigen Reformen stellt, dann drückt man ihm seinen Willen auf», sagte Gheit. Dies wiege umso schwerer, da Ägypten ein «guter Freund» der USA sei, der immer «die beste aller Beziehungen» aufrechterhalten habe, kritisierte Gheit weiter.

Die Äusserung der Regierung von US-Präsident Barack Obama sei dagegen «viel besser»: Sie vollziehe nach, dass abrupte Veränderungen Chaos zur Folge hätten, wurde Abul Gheit am Dienstag zitiert. Die Protestbewegung in Ägypten fordert den sofortigen Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak. Der Staatschef will dagegen bis zur nächsten Wahl im Herbst im Amt bleiben und dann nicht erneut kandidieren.

USA kritisieren Regime

Die US-Regierung hat das Regime in Ägypten dafür getadelt, noch nicht einmal ein Minimum der Forderungen der Protestbewegung nach Reformen erfüllt zu haben. Die Massendemonstrationen würden kein Ende nehmen, bis es einen Wandel gebe, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Robert Gibbs, am Mittwoch.

Einige ägyptische Politiker seien offenbar der Auffassung, sie könnten die Proteste aussitzen, indem sie einige Zugeständnisse machten. Die Demonstranten «werden sich aber vermutlich nicht zerstreuen, bis die Regierung einige echte Schritte (hin zu Reformen) unternimmt», erklärte Gibbs.

Muslimbrüder scheren aus

Die Muslimbruderschaft legte am Mittwoch die Gespräche mit der ägyptischen Führung auf Eis. Zugleich erneuerte die Oppositionsgruppe in Kairo ihre Forderung nach einem Rücktritt Mubaraks.

«Wir können nur mit jemandem sprechen, der die Forderung des Volkes nach einem Ende des Regimes anerkennt», sagte Essam al-Erian, ein Führer der Bewegung. Die Muslimbruderschaft strebe nicht nach einer Übernahme der Macht in Ägypten und beabsichtige derzeit nicht, einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, sagte er.

Auch ein Sprecher der Jugendorganisationen, die die Proteste auf dem Tahrir-Platz anführen, wies Suleimans Forderung nach einem Dialog ohne einen Rücktritt Mubaraks zurück.

Suleimans Warnung erhöht Spannungen

Die Warnung von Vizepräsident Omar Suleiman, die Demonstrationen in Ägypten nicht mehr lange zu dulden, hat die Lage am 16. Tag der Protestbewegung gegen den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak erheblich verschärft. Ein Bündnis von fünf Oppositionsgruppen rief für Freitag erneut zu einem «Protest der Millionen» auf, der erstmals nicht nur auf dem Kairoer Tahrir-Platz, sondern auch an anderen Orten der Hauptstadt stattfinden soll.

Oppositionssprecher Abdul-Rahman Samir sagte, Suleimans Äusserungen vom Dienstagabend seien eine Drohung mit der Verhängung des Kriegsrechts gewesen. Suleiman hatte bei einem Treffen mit Chefredaktoren mehrerer Zeitungen erklärt, dass die Krise sobald wie möglich ein Ende finden müsse.

Kein Ende des Regimes - Volksabstimmung

Einen Rücktritt Mubaraks und ein Ende des Regimes schloss Suleiman aus. Die Regierung wolle die Forderungen der Demonstranten nach demokratischen Reformen über einen Dialog lösen und nicht die Polizei gegen «die ägyptische Gesellschaft» einsetzen.

Suleiman machte deutlich, dass Reformen gegebenenfalls auch ohne Beteiligung der Opposition eingeleitet würden. Ein Gremium aus Richtern und Rechtsexperten werde bis Ende Monat Empfehlungen für eine Verfassungsreform vorlegen, über die dann per Volksabstimmung entschieden werden solle. Das Gremium ist überwiegend mit Mubarak-Getreuen besetzt.

Putsch als Alternative

Die Alternative zu einem Dialog sei ein Putsch, und das würde hektische Entscheidungen und viel Unvernunft bedeuten, erklärte Suleiman weiter, der bis zu seiner Ernennung zum Vizepräsidenten am 29. Januar der Leiter des ägyptischen Geheimdienstes war.

Ein Putsch könnte laut Suleiman «vom Regime selbst, oder vom Militär» kommen. Oder erfolgen, wenn das System nicht mehr funktioniere. «Eine Kraft, ob es die Polizei oder der Geheimdienst oder die (Muslim-) Bruderschaft ist, könnte ein 'kreatives Chaos' anrichten, um das Regime zu beenden und die Macht zu übernehmen.»

Zusammenstösse in Zentralägypten

In den ägyptischen Grossstädten Kairo, Alexandria und Suez protestiert die Bevölkerung seit mehr als zwei Wochen gegen das Regime von Mubarak. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kamen dabei bislang mindestens 297 Menschen ums Leben.

Offenbar kam es in den vergangenen Tagen aber auch im Zentrum des Landes zu Zusammenstössen. Polizisten und Demonstranten lieferten sich in der Oasenstadt Al-Charga, 400 Kilometer südlich von Kairo, gewaltsame Auseinandersetzungen, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Sicherheitskreisen erfuhr.

Demnach schoss die Polizei mit scharfer Munition auf die Menge. Dabei wurden dutzende Demonstranten verletzt, drei Menschen erlagen später ihren Verletzungen. Die Demonstranten setzten daraufhin staatliche Einrichtungen in Brand. (rub/sda/dapd)

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