«Sie haben gewonnen, Herr Hase!»

Aktualisiert

Lotteriebetrug«Sie haben gewonnen, Herr Hase!»

Betrug ist nicht witzig, ausser man ruft bei der «spanischen Lotterie» an und versucht, seinen Gewinn zu erhalten. Das Protokoll einer versuchten Geldübergabe mit fiesen Absichten.

von
Amir Mustedanagic
Die Betrugsfalle: Mit falschen Gewinnbenachrichtigungen locken immer wieder Betrüger Unwissende in ihre Falle. Gutgläubig überweisen die vermeintlichen Gewinner einen Vorschuss und sehen Geld und Gewinn nie mehr.

Die Betrugsfalle: Mit falschen Gewinnbenachrichtigungen locken immer wieder Betrüger Unwissende in ihre Falle. Gutgläubig überweisen die vermeintlichen Gewinner einen Vorschuss und sehen Geld und Gewinn nie mehr.

Es gibt noch gute Nachrichten. Vergangene Woche lag beispielsweise ein Umschlag im Briefkasten samt der grossartigen Botschaft: «Sehr geehrter Gewinner, Ihnen steht eine Gewinnauszahlung von € 3 000 000 (drei Million Euro) zu.» Der Absender ist die spanische Lotterie-Gesellschaft «Loteria Nacional», wie es im Brief heisst. Doch es kommt noch besser: Der Gewinn ist aufgrund «einer Versicherungspolicy» steuerfrei und kann per «Scheck oder Bank Transfer» eingefordert werden.

Natürlich ist es etwas komisch, da man gar nie an einer Lotterie teilgenommen hat und natürlich auch, weil nirgends der eigene Name steht, der Name der Loteria Nacional im Logo richtig geschrieben ist, im Text aber nicht. Komisch auch, dass die Nachbarn von nebenan und von oben den gleichen Brief erhalten haben sowie der Rest der Strasse und der Gemeinde wohl auch, aber hey: Es sind drei Millionen Euro und so wagt man trotz des klaren Betrugsversuchs den Anruf bei seinem «deutschsprachige Agente»: Dr. Eric Villa.

0034 634 126 963 – schon klingelt das Telefon im entfernten Spanien.

Stimme: Allo?

20 Minuten Online: Ja, hallo. Spreche ich mit der Loteria Nacional?

Stimme: Allo, einen Moment bitte.

Schon ein bisschen komisch, dass sich der Mitarbeiter einer grossen Lotterie mit «Hallo» meldet. Kein Name, keine Firma, im Hintergrund scheppern Töpfe und klirren Gläser.

Stimme: Allo?

20 Minuten Online: Ja, hallo. Sind Sie Doktor Villa von der Lotterie?

Stimme: Ja, ich bin Villa.

20 Minuten Online: … von der spanischen Lotterie?

Villa: Ja. Geben Sie mir Ihre Referenz-Nummer.

20 Minuten Online: Ich habe den Hauptpreis gewonnen.

Villa: Wie ist ihre Referenz-Nummer?

20 Minuten Online: CRS-MA / 0022 – 10 / EU.

Villa: Okay und Ihr Name?

20 Minuten Online: Ich habe drei Millionen Euro gewonnen. Sie haben doch meinen Namen.

Villa: (Lacht) Natürlich, ich muss Ihre Angaben aber überprüfen, um zu sehen, dass alles stimmt. Man muss vorsichtig sein, es gibt viele Betrüger.

20 Minuten Online: Und ich habe wirklich gewonnen?

Villa: Geben Sie mir doch Ihren Namen, dann wissen wir es gleich.

Hier muss angemerkt werden, dass 20 Minuten Online den Brief von einem Leser-Reporter erhalten hat. Dessen Name stimmt nicht mit dem überein, den wir angeben.

20 Minuten Online: Victor Hase.

Villa: Und Ihre Adresse?

20 Minuten Online: Gutgläubig 8, 8051 Zürich.

Villa: Gutglabig?

20 Minuten Online: Nein, nein. GutglÄUbig 8.

Villa: Ihr Beruf?

20 Minuten Online: Bäcker.

Villa: Ha, ha, Sie backen Brot.

20 Minuten Online: Ja, und mit dem Gewinn bald auch grössere Brötchen.

Villa: Einen Moment bitte.

Stille. Rascheln. Stille. Wir befürchten, unser Schwindel sei nun aufgeflogen. Die Wahrheit ist eine ganz andere.

Villa: Sie haben gewonnen!

20 Minuten Online: Wirklich? Wow! Drei Millionen Euro?

Villa: Ja, herzlichen Glückwunsch. Aber sie müssen aufpassen, es gibt viele Betrüger. Sie müssen wirklich aufpassen und Ihren Brief niemandem geben. Wie wollen Sie das Geld?

20 Minuten Online: Bar.

Villa: Kein Problem.

20 Minuten Online: Wirklich?

Villa: Klar, Sie erhalten einen Scheck und können diesen in der Schweiz einlösen. Sie müssen nun die Bank anrufen, wo Ihr Geld für Sie hinterlegt ist. Sie wird Ihnen mitteilen, wie es weitergeht. Der Scheck wird Sie nur eine Kleinigkeit kosten.

20 Minuten Online: Wie viel?

Villa: Die Bank wird Ihnen dies mitteilen.

20 Minuten Online: Ziehen Sie es doch gleich von meinem Gewinn ab.

Villa: Können wir nicht. Das Geld liegt auf einem Sperrkonto für Sie, damit niemand rankommt – auch wir nicht. Es gibt viele Betrüger. Sie müssen aufpassen. Der Name der Bank ist Unicia Banca. Telefon: 0034 / 634 126 331. Herr Franco Martinez wird Ihnen sagen, wie viel es kostet, dann rufen Sie mich an und sagen es mir. Rufen Sie gleich an, er erwartet Ihren Anruf.

20 Minuten Online: Aber ist das nicht etwas kompliziert?

Villa: Es gibt viele Betrüger, wir wollen nur sicher gehen. Rufen Sie gleich an, sonst ist Ihr Geld weg.

Das Gespräch endet, wie es angefangen hat. Kein «Tschüss», kein «auf Wiederhören», sondern nochmals mit der Mahnung, den Anruf schnell zu erledigen und niemandem davon zu erzählen. «Es gibt viele Betrüger. Sie müssen aufpassen.» Wie geraten, rufen wir gleich an und sind fasziniert.

Ein Mann meldet sich, spricht aber so hoch und gequält, dass es wohl eine Frau darstellen sollte: Banca Unc…uten Tag.

20 Minuten Online: Guten Tag. Ich habe gewonnen.

Gequälte Stimme: Einen Moment. - (Stille) - Martinez, hallo? Die Stimme ist dieselbe, nur klingt Herr Martinez nicht mehr so gequält weiblich.

20 Minuten Online: Herr Martinez, guten Tag. Ich habe gewonnen und würde gerne mein Geld erhalten.

Martinez: Geben Sie mir doch Ihre Referenz-Nummer.

20 Minuten Online: CRS-MA / 0022 – 10 / EU.

Martinez: Sie sind Herr Hase?

20 Minuten Online: Genau.

Martinez: Victor Hase, Gutgläubig 8, 8051 Zürich und sind 31 Jahre alt?

20 Minuten Online: Genau.

Martinez: Herzlichen Glückwunsch. Ihr Geld wartet auf Sie, Sie können es abholen kommen in Madrid.

20 Minuten Online: Super!

Martinez: Wir können Ihnen den Scheck auch in die Schweiz bringen. Ein Diplomat holt den Scheck hier ab und bringt ihn Ihnen in die Schweiz. Das kostet 1710 Euro.

20 Minuten Online: 1710 Euro?

Martinez: Ja, alles andere wird Ihnen Herr Villa erklären. Rufen Sie ihn gleich an.

Beeindruckend: Die beiden Betrüger haben es geschafft, sich innerhalb von wenigen Minuten abzusprechen. Oder – was wir eher vermuten – Herr Martinez ist der Nachbar von Herrn Villa, der ja in seiner Küche hockt. Egal. Wir wählen die Nummer von Herrn Villa.

Villa: Hallo?

Für einen Lotterie-Angestellten hat der Kerl wirklich schlechte Manieren.

20 Minuten Online: Ja, hallo, Herr Villa. Ich habe mit der Bank gesprochen.

Villa: Was hat Herr Martinez gesagt?

20 Minuten Online: Es kostet 1710 Euro, wenn ich möchte, dass ein Diplomat das Geld bringt.

Villa: Okay, Sie können das Geld gleich per Western Union überweisen, dann haben Sie Ihren Scheck bereits morgen. Am besten gehen Sie gleich hin, aber sagen Sie es niemandem. Sagen Sie, das Geld sei für einen Freund – wegen der Steuern. Das ist wichtig.

20 Minuten Online: Okay, aber ich würde das Geld lieber selbst holen.

Villa: Ehm…ehm… das kommt Sie aber teurer.

20 Minuten Online: Kein Problem – ich hab ja jetzt Geld. Und ich wollte schon immer Madrid sehen.

Villa: Ja, aber dann müssen wir einen Termin beim Ministerium und der Bank machen. Dann müssen Sie warten.

20 Minuten Online: Kein Problem.

Villa: Wenn Sie jetzt zu Western Union gehen und das Geld überweisen, müssen Sie auch keine Steuern zahlen.

20 Minuten Online: Ich habe ja die Versicherungspolice, damit ich nichts bezahlen muss.

Villa: Die gilt nur, wenn Sie einen Scheck per Diplomaten kommen lassen, sonst verfällt der Schutz – wegen des Ministeriums.

20 Minuten Online: Wie viel Geld verliere ich?

Villa: Viel. Schicken Sie lieber das Geld per Überweisung. Sie haben noch Zeit zu Western Union zu gehen, es ist noch früh.

20 Minuten Online: Ich glaube, ich komme trotzdem. Meine Frau wird sich über eine Reise freuen.

Villa: Okay, schicken Sie das Geld per Western Union, dann klären wir morgen die Termine mit dem Ministerium und der Bank.

20 Minuten Online: Ich komme aber doch selbst?

Villa: Ja, aber es kommt Sie teurer zu stehen. Ich würde Ihnen raten zu bezahlen.

20 Minuten Online: Mein Frau sagt, nein. Da gibt es keine Widerrede.

Villa: Okay, ich kläre die Termine und rufe Sie morgen an. Sagen Sie niemandem etwas und behalten Sie den Brief geheim. Es gibt viele Betrüger. Sie müssen aufpassen. Sind Sie sicher, wollen Sie nicht morgen schon Ihr Geld?

20 Minuten Online: Ich komme lieber selbst.

Villa: Aber behalten Sie es für sich: Ich kläre die Kosten ab, mache die Termine und rufe Sie dann an.

Bleibt nur die Frage, um wie viel er den Betrag erhöht, damit wir gleich das Geld überweisen und er nicht auf Herrn Hase warten muss. Am nächsten Tag klingelt bereits um 12 Uhr Mittags das Telefon in der Redaktion. Es ist Herr Villa.

Villa: Hallo Herr Hase. Ich habe versucht, Sie zu erreichen. Ihre Nummer war offensichtlich falsch. Nun habe ich Ihre Nummer.

20 Minuten Online: Guten Tag Herr Villa. Das tut mir aber leid. Ich habe Ihnen vor lauter Glück die falsche Nummer gegeben.

Villa: Kein Problem. Ich habe die Termine gemacht. Sie müssen am Donnerstag kommen. Am Freitag gehen wir dann ins Ministerium und zur Bank. Sie müssen aber Bargeld mitbringen. Es kostet 6500 Euro.

20 Minuten Online: Was?! Das ist aber viel. Was ist so teuer?

Villa: Die Papiere vom Ministerium müssen Sie bezahlen.

20 Minuten Online: Das sind aber teure Papiere.

Villa: Es kommen noch ein bisschen Steuern dazu.

20 Minuten Online: Warum muss ich das Geld in bar mitbringen?

Villa: Wir müssen direkt ins Ministerium und zur Bank. Die nehmen nur Bargeld.

20 Minuten Online: Das ist aber viel Geld.

Villa: Sie können auch einfach 1410 Euro per Western Union zahlen und ein Diplomat bringt das Geld morgen, wie ich Ihnen vorgeschlagen habe.

20 Minuten Online: Ich habe einen Freund, der hat auch drei Millionen gewonnen. Können wir uns die Kosten teilen?

Villa: Nein das geht nicht, es gibt viele Betrüger.

20 Minuten Online: Ich glaube Sie wollen mich über den Tisch ziehen. Wie viele Leute haben denn noch gewonnen?

Villa: Sie, noch jemand aus der Schweiz und jemand aus Island.

20 Minuten Online: Warum kennt Sie bei der Loteria Nacional niemand?

Villa: Es gibt viele Betreuer, die können nicht alle kennen.

20 Minuten Online: Ich finde das komisch. Ich habe noch einen Freund, der hat das Geld bezahlt, aber der Diplomat ist nie aufgetaucht.

Villa: Das kann nicht sein. Er soll ihn verklagen. Es gibt viele Betrüger, man muss gleich vor Gericht mit diesen Leuten.

20 Minuten Online: Ich glaube, dass werde ich auch tun. Ich werde mich bei der Polizei über Sie informieren.

Villa: Tun Sie das, aber die werden sagen, es sei komisch und sie sollten das Geld nicht überweisen. Manchmal sind die Leute einfach eifersüchtig. Sie haben drei Millionen Euro gewonnen. Die Leute werden da manchmal Sch***sse.

20 Minuten Online: Ich vertraue Ihnen nicht.

Villa: Ich sag Ihnen doch: Bezahlen Sie die 1410 Euro per Western Union und vergessen Sie alles andere. Morgen feiern Sie dann schon mit dem Geld und Champagner.

20 Minuten Online: Ich klär das lieber bei der Polizei ab.

Villa: Manche Leute machen einem den Kopf kaputt. Auf die dürfen Sie nicht hören. Vertrauen Sie niemandem. Wollen Sie das Geld nicht?

20 Minuten Online: Doch schon, aber ich will nicht abgezockt werden.

Villa: Überweisen Sie das Geld und wir werden alle glücklich. Ich verspreche es Ihnen, Herr Hase.

Glücklich wäre aber nur der Betrüger geworden mit den 1410 Euro: Es gibt weder einen Gewinn noch ist der Brief von der Loteria Nacional (siehe Infobox), sondern es ist schlichtweg ein Bande von Betrügern. «Sie verwenden immer dieselben Tricks», sagt Sara Stalder, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz. Entweder man muss eine Telefonnummer anrufen und wird ewig hingehalten, währenddessen die Kosten für den Anruf steigen und steigen; oder man muss erst eine Anzahlung für den Gewinn machen, damit man ihn erhält. «Vom Geld sieht man aber natürlich nie etwas», weiss Stalder.

Leider gibt es immer wieder Schweizerinnen und Schweizer, die auf die unlauteren Methoden der Betrüger hereinfallen. Der Traum vom grossen Gewinn ist zu verlockend und die Betrüger geben einfach nicht auf: «Sie werden immer raffinierter: In letzter Zeit häufen sich Gewinnbenachrichtigungen, denen handgeschriebene Beweise beigelegt werden, um das falsche Bild zu wahren», warnt Stalder. Es gebe nur einen Weg sich zu schützen: «Das Beste ist, jegliche Gewinnbenachrichtigung einfach in den Papierkorb zu werfen.»

Der Stapel dürfte immer höher werden: Kaum haben sich die drei Millionen Euro in Luft aufgelöst, hat «Herr Hase» bereits wieder gewonnen. Dieses Mal sind es 615 810 Euro und die Benachrichtigung kam per Mail. Die vermeintlich guten Nachrichten reissen nicht ab.

Die hat Kenntnis davon, dass Betrüger ihren Namen für ihre Abzockerei verwenden. In einem Brief an einen Leser-Reporter schreibt sie aber nur, dass es ohne Lottoschein keinen Gewinn gebe und sie im Ausland nicht tätig sei. Sie warne deshalb davor, auf solche Angebot einzugehen. Ob sie gegen die Betrüger vorgeht, wird aus dem Brief nicht klar.

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