Ein Fall von missglückter Tierliebe

Aktualisiert

Pferde-SchlachtverbotEin Fall von missglückter Tierliebe

Seit fünf Jahren gilt in den USA ein Schlachtstopp für Pferde. Den Tieren hat er jedoch mehr geschadet als genützt. Jetzt erfolgt die Kehrtwende.

Martin Suter
von
Martin Suter
Pferde auf einer Weide im US-Bundesstaat Montana.

Pferde auf einer Weide im US-Bundesstaat Montana.

Tierschützer jubelten und Pferdefans freuten sich, als 2007 Amerikas letzter Schlachthof für Pferde seine Gatter schloss. Das De-Facto-Verbot, die edlen Vierbeiner zur Nahrungsmittelproduktion für den Menschen zu töten, wurde als Sieg über eine barbarische Praxis gefeiert. Doch seither ist erwiesen, dass sich der Schlachtstopp kontraproduktiv ausgewirkt hat, weshalb man über die Bücher geht.

Ein von Präsident Barack Obama letzte Woche unterzeichnetes Gesetzesbündel bereitet die Kursänderung vor. Bislang haben die Budgetgesetze dem Landwirtschaftsdepartement untersagt, die Inspektion von Pferdeschlachthöfen zu finanzieren. Indirekt wurde diesen damit die Betriebsbewilligung entzogen. Doch im neuen Budgetgesetz fehlt der entsprechende Abschnitt, so dass Inspektionen – und Schlachtungen – wieder aufgenommen werden können.

Schlachtungen im Ausland

Hintergrund der Kontroverse sind nicht etwa veränderte Essgewohnheiten. In den USA, die weitgehend auf dem Pferderücken erobert wurden, ist Pferdefleisch ausser in Notsituationen verpönt. «Pferde sind anders als Kühe und Schweine», begründete der Tierschützer Wayne Pacelle diese Haltung gegenüber der «New York Times». «Sie werden nicht zum Schlachten aufgezogen.»

Aber in Europa und Asien wird Pferdefleisch gegessen. Und der Weltmarkt beschafft sich das Fleisch, wo es vorhanden ist. Laut einer Zählung von 2006 leben in den USA mit 9,5 Millionen Tieren bei weitem die meisten der weltweit 58,5 Millionen Pferde (auf den nächsten Rängen folgen China, Mexiko und Brasilien). Infolge des Stopps wurden daher nicht etwa weniger amerikanische Pferde geschlachtet. Ihre Zahl blieb ungefähr gleich und betrug letztes Jahr 138 000 Tiere. Aber sie fanden den Tod im benachbarten Ausland.

Züchter vernachlässigen ihre Pferde

Nach einer Studie des Rechnungshofs der Bundesregierung (GAO) nahmen die Exporte lebender Tiere zum Zweck der Schlachtung seit 2006 drastisch zu: In Kanada endeten 148 Prozent mehr Pferde, in Mexiko gar 660 Prozent. Dabei müssten die Pferde nun viel längere Distanzen in Lastwagen zurücklegen, was aus tierschützerischer Perspektive bedenklich sei. Es gebe auch Hinweise darauf, dass sie mancherorts unter harschen Bedingungen getötet werden, die in amerikanischen Schlachthöfen nicht geduldet worden wären, heisst es in dem Bericht.

Noch schlimmer sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Schlachtstopps. Weil der einheimische Markt verschwand, stürzten die Preise für Pferde in den Keller. Für Tiere der niedrigen und mittleren Preiskategorie, die für Schlachtungen vor allem in Frage kommen, werden laut GAO jetzt 8 bis 21 Prozent weniger bezahlt als vor dem Stopp.

Der Preisabfall bereitet einer zunehmenden Zahl von Pferdezüchtern ernsthafte Probleme. Manche können – oder wollen – sich nicht mehr ausreichend um ihre Tiere kümmern. Im Extremfall gehen sie so weit, dass sie alte oder kranke Pferde aussetzen, nur um die Kosten für deren Einschläferung und Verwertung zu umgehen. «Lokale und gliedstaatliche Regierungen sowie Tierschutzorganisatoren berichten, dass sich seit 2007 die Untersuchungen über vernachlässigte oder in der Wildnis ausgesetzte Pferde mehren», so der GAO-Report.

Tierschützer verlangen Exportverbot

Dass die Wiederaufnahme von Schlachtungen diese Probleme lösen kann, wird von Tierschützern energisch bestritten. Sie verweisen darauf, dass erneute Inspektionen Millionen Dollar kosten werden. «Das wäre ein Schritt rückwärts für Amerikas ikonische Pferde und eine Verschwendung von Steuergeldern», schrieb die Tierschutzorganisation Humane Society of the United States: «Es ist an der Zeit, den Export amerikanischer Pferde zur Schlachtung zu verbieten.»

Obwohl das neue Gesetz wieder Schlachtungen ermöglicht, ist der Weg noch weit. Letztlich tobt ein Kulturkampf: Für Rancher sind Pferde Nutztiere wie Kühe, Schafe oder Ziegen, für städtische Tierliebhaber sind sie Haustiere. Betrachte man Pferde gleich wie Hunde oder Katzen, dann sieht Orbie Bonnett schwarz. Der Rancher aus Nebraska sagte zur «New York Times»: «Wenn viele Leute mit Geld das so sehen, dann verschwindet dein Schlachthof, dann verschwindet dein Markt und dann verschwinden die Pferdezüchter – sie schaffen es einfach nicht mehr.»

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