UmfrageKreuz ja, Kopftuch nein
Das Kreuz gehört für eine Mehrheit der User von 20 Minuten Online ins Klassenzimmer. Gleichzeitig befürworten sie die Trennung von Kirche und Staat.

Religiöses Hoheitszeichen: Kruzifix im Klassenzimmer
Erst vor kurzem sorgte im luzernischen Triengen ein Streit ums Kruzifix für unschöne Schlagzeilen: Ein deutscher Freidenker, der sich gegen Kreuze in den Schulzimmern gewehrt hatte, verliess nach Morddrohungen die Schweiz. Dabei hält ein Bundesgerichtsurteil von 1990 fest, dass Kruzifixe in Schulzimmern gegen die verfassungsmässig vorgeschriebene Neutralität der öffentlichen Schule verstossen.
Am Kreuz scheiden sich die Geister; dies zeigt sich auch in der Umfrage von 20 Minuten Online. So identifizierte sich eine Mehrheit von 53 % der über 5500 Teilnehmenden mit dem Satz: «Wir leben in einem überwiegend christlichen Land, darum dürfen Kreuze in den Schulzimmern hängen.» Naturgemäss findet diese Aussage am meisten Unterstützung (69 %) unter den christlichen Umfrage-Teilnehmern, und unter diesen wiederum eher bei den Katholiken (73 %) als bei den Reformierten (60 %).
Für die Trennung von Kirche und Staat
Anders sieht es da bei den Konfessionslosen oder den Angehörigen von nicht-christlichen Religionen aus. Diese beiden Gruppen haben sich am ehesten für die Aussage «Religiöse Symbole haben in Schulzimmern nichts verloren» entschieden; allerdings in unterschiedlicher Deutlichkeit: Während sich 60 % der Konfessionslosen darin wiederfinden, sind es bei Juden, Muslimen und anderen nur 48 %. Immerhin ein Viertel der Reformierten (26 %) pflichtet diesem Satz aber auch bei.
Obwohl die Mehrheit der Teilnehmer zumindest nominell einem christlichen Glaubensbekenntnis folgt (62 %), sprechen sich nicht weniger als knappe drei Viertel (74 %) für die Trennung von Kirche und Staat aus. Bei den Männern liegt die Zustimmung dabei etwas höher als bei den Frauen. Auffallend: Sogar unter jenen Teilnehmern, die sich selber als sehr religiös bezeichnen, gibt es eine hauchdünne Mehrheit (50,5 %) für die Trennung von Religion und Staat. Da ist es kein Wunder, dass der Anteil der Befürworter unter den Konfessionslosen auf über 90 % steigt.
Zwischen dieser klaren Befürwortung der Trennung von Kirche und Staat und der von vielen geteilten Auffassung, Kreuze gehörten ins Schulzimmer, weil wir in einem überwiegend christlichen Land leben, klafft ein gewisser Widerspruch. Möglicherweise ist sich nicht jeder im Klaren darüber, welche Folgen die konsequente Trennung von Kirche und Staat nach sich ziehen würde. Derzeit ist die Frage, dem Artikel 72 der Bundesverfassung folgend, kantonal geregelt. Einzig die welschen Kantone Genf und Neuenburg kennen die Trennung von Kirche und Staat, in allen anderen Kantonen gibt es eine staatliche Kirchenhoheit. So zieht der Staat beispielsweise die Steuern für die Kirchen ein.
Für das Kreuz – gegen das Kopftuch
Das Kreuz, das im Schulzimmer gewissermassen als Hoheitszeichen der christlichen Religion wirkt, ist eine Sache. Eine andere ist das Kreuz, das von einer Schülerin oder einem Schüler als Anhänger, als Schmuckstück getragen wird – hier ist es eine private Angelegenheit. Als Symbol verweist es indes auf ähnliche Weise auf die religiöse Identität seines Trägers, wie eine Kippa dies bei einem jüdischen Schüler oder ein Kopftuch bei einer muslimischen Schülerin tut. 20 Minuten Online fragte daher auch, ob solche privaten religiösen Symbole im Schulzimmer statthaft seien.
Das Resultat ist eindeutig: Nur gerade 8 % aller Teilnehmer sind der Meinung, dass das Kreuz als Anhänger im Schulunterricht verboten werden sollte. Für ein Verbot der Kippa sprechen sich aber bereits 29 % aus – und das Kopftuch möchte eine Mehrheit von 56 % verbieten. Am schärfsten zeigt sich dieser Unterschied bei den Katholiken; sie sind am tolerantesten gegenüber dem Kreuz (98 % finden, es müsse erlaubt sein), und zugleich am deutlichsten für das Kopftuchverbot (61 %). Diese Abstufung zeigt sich bei allen konfessionellen Gruppen; sogar bei den Angehörigen von nicht-christlichen Religionen, wo die Tendenz aber deutlich abgeschwächt ist. Bei ihnen ist die Ablehnung des Kopftuchs am niedrigsten (37 %), jene des Kreuzes am höchsten (18 %). Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Die Frauen sind durchgehend weniger verbotswillig als die Männer.
Spitzfindiges Argument
Beim Kruzifix-Knatsch in Triengen fand die Schulbehörde übrigens eine – je nach Standpunkt bauernschlaue oder salomonische – Lösung, um dem Urteil des Bundesgerichts Genüge zu tun und dennoch die Kirche im Dorf, beziehungsweise das Kreuz im Klassenzimmer zu lassen: Sie behauptete einfach, das Bundesgericht habe nur Kruzifixe verboten, nicht aber schlichte Kreuze ohne die Figur des leidenden Christus. Die Umfrage-Teilnehmer wollten diesem doch etwas spitzfindigen Argument mehrheitlich nicht folgen: 64 % konnten die Unterscheidung zwischen Kreuz und Kruzifix nicht nachvollziehen.
Die detaillierten Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.
Ergebnisse der Umfrage
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