Verbrechensaufklärung«Unbescholtene Bürger spioniert niemand aus»
Trotz heftiger Kritik im Vorfeld befürwortet der Bundesrat den Einsatz von Bundestrojanern zur Computerüberwachung. Sie sollen bei mutmasslichen Mördern, Entführern oder Pädokriminellen angewendet werden.

Der Bundesrat will Bundestrojaner unter Einschränkungen erlauben. Justizministerin begründete den Entscheid am Mittwoch vor den Medien in Bern.
Justizministerin Simonetta Sommaruga versuchte gleich zu Beginn der Pressekonferenz in Bern die Gemüter zu beruhigen. «Mir ist bewusst, dass Überwachungsmassnahmen im Volk grosse Befürchtungen auslösen», sagte die Bundesrätin bei der Präsentation der Revision des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Sie selbst sei ebenfalls äusserst skeptisch, was die Überwachung von Personen im Internet angehe. «Wenn es allerdings um die Verhinderung schwerer Straftaten geht, können wir es uns nicht leisten, nicht alle Instrumente für die Verbrechungsaufklärung einzusetzen.» Dazu gehöre auch der Einsatz von sogenannten Bundestrojanern.
Die Überwachung soll sich allerdings auf E-Mails und Internet-Telefondienste wie Skype beschränken. «Gerade die verschlüsselte Kommunikation von Tatverdächtigen über Skype lässt sich nur mit den umstrittenen Programmen überwachen», so Sommaruga. Bei Tatverdächtigen sei die Rede von mutmasslichen Mördern, Entführern, Vergewaltigern oder Pädokriminellen. Als Beispiel führte die Justizministerin einen Pädokriminellen ins Feld, der Bilder von Kindern auf dem Internet publiziert. «Hier kann eine Überwachung helfen, den Täter zu überführen.» Es müsse aber in jedem Fall ein Straftatbestand vorhanden sein. Ausserdem sei der Einsatz auf Delikte beschränkt, bei denen eine verdeckte Ermittlung überhaupt möglich ist. Bei Straftaten wie Drohung, Nötigung oder Amtsmissbrauch können demnach Bundestrojaner nicht eingesetzt werden. Auch eine präventive Überwachung von Personen sei nicht möglich. «Es geht uns nicht darum, unbescholtene Bürger zu überwachen und auszuspionieren.»
Technologie kam bereits zum Einsatz
Nicht erlaubt ist es, mit Hilfe eines Trojaners eine Computer- Festplatte zu durchsuchen oder Computer-Mikrofone und -Kameras so zu manipulieren, dass diese zu Abhör-Wanzen oder Überwachungskameras für ganze Räume werden. Die Überwachung muss zudem von einem Gericht genehmigt werden.
Bisher galt die Rechtslage zum Einsatz der Überwachungssoftware als umstritten. Nach Angaben vom August kam es bisher viermal zum Einsatz der Technologie. Die Einsätze kamen erst ans Tageslicht, als in Deutschland eine Kontroverse um dort eingesetzte Trojaner entbrannte. Die betroffene deutsche Firma gab an, die Software auch in die Schweiz geliefert zu haben.
Heftige Kritik in Vernehmlassung
Die Vernehmlassung zur Revision des Gesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkers (BÜPF) lief bereits im Sommer vor einem Jahr ab. Die Parteien und IT-Branchenverbände liessen damals kaum ein gutes Haar am Entwurf: Mehr oder weniger heftig kritisierten sie den Einsatz von Trojanern, die längere Datenspeicherung sowie die vorgesehene Übernahme der Kosten durch die privaten Provider.
Es handle sich um einen Richtungsentscheid des Bundesrates, teilte das Eidgenössische Departement für Justiz (EJPD) am Mittwoch mit. Die Revision sei wichtig und dringend gewesen, sagte Sommaruga vor den Medien. «Nur so konnten wir verhindern, dass die Lücken bei der Verfolgung von Verbrechern immer grösser werden.» Das EJPD werde nun eine Botschaft für das Parlament ausarbeiten.
Keine Durchsuchungen bei Chatanbietern oder Facebook
Gleichzeitig beschloss der Bundesrat aber auch, die Verordnung zum Gesetz (VÜPF) bereits auf den 1. Januar zu ändern. Darin soll präzisiert werden, welche Überwachungsmethoden die Strafverfolgungsbehörden in naher Zukunft anwenden dürfen.
Dabei krebste die Regierung gegenüber ihrem Entwurf vom Sommer zurück. Zur Ermöglichung der Überwachung verpflichtet werden sollen nur mehr Provider, die einen Internetzugang bieten, nicht aber Anbieter von Chats und Communitydiensten wie Facebook. (jep/sda)
Staatstrojaner
Der Begriff Staatstrojaner oder Bundestrojaner bezeichnet eine Spionage-Software, die staatliche Behörden auf Computern von Verdächtigen installieren. Technisch funktioniert das Programm analog zu einem Trojaner, welcher mit krimineller Absicht installiert wird, um Zugriff auf einen fremden Computer zu erlangen. Je nach Aufbau kann ein solches Programm die auf dem Rechner gespeicherten Daten lesen, auf Mikrofon oder Webcam des Computers zugreifen, die Tastatureingabe protokollieren oder verschlüsselt übertragene Sprach- und E-Mail-Kommunikation überwachen. Die Installation einer solchen Spionage-Software muss heimlich und unter Umgehung allfälliger Antiviren-Software geschehen. (mdr)