Horror-Abfahrt: Gefährlich sind die Funktionäre

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«Zwischenzeit» mit Peter HaabHorror-Abfahrt: Gefährlich sind die Funktionäre

Nach den schweren Stürzen bei der Olympia-Abfahrt der Frauen gehen die Emotionen hoch. Die Strecke sei viel zu gefährlich, so der Grundtenor. Das ist ein Irrtum: Lindsey Vonn und Co. haben gezeigt, dass die Piste machbar ist. Aber: Es wurde fahrlässig unprofessionell trainiert.

Peter Haab
Whistler
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Peter Haab
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Pärsons Horrorsturz beim Zielsprung. (Video: Youtube)

Ob nach dem tödlichen Rodler-Unfall oder der Horror-Abfahrt der Frauen – die Medien-Mechanismen sind immer dieselben. Sofort wird nach den Schuldigen für die schlimmen Vorkommnisse gesucht. Natürlich war diese Olympia-Abfahrt etwas vom Anspruchsvollsten, was die weltbesten Abfahrerinnen in jüngster Vergangenheit vorgesetzt bekamen. Und über den Zielsprung, der wie jener von Kitzbühel kurz vor dem Ziel noch einmal für Nervenkitzel sorgen soll, lässt sich tatsächlich streiten.

Katapult-Sprung ist unnötig

Es ist doch völliger Blödsinn, wenn die völlig entkräfteten Athletinnen kurz vor dem Ziel von einem künstlich errichteten Katapult derart durch die Luft gewirbelt werden. Dass es auch noch Weiten-Angaben wie beim Skispringen gab, macht den Stumpfsinn komplett. Aber immerhin weiss man jetzt, dass sich Anja Pärson nach einem über 60 Meter langen, völlig unkontrollierten Flug verletzt hat. Und die vierfache Medaillen-Gewinnerin bei Olympischen Spielen hatte noch Glück im Unglück: Solche Abflüge können auch ganz böse enden. Das haben wir beim Kitzbühel-Horrorsturz von Daniel Albrecht im Januar letzten Jahres auf dramatische Weise miterlebt.

In Whistler stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu solch fürchterlichen Ereignissen kommen konnte. Die Antwort ist ebenso einleuchtend wie einfach: So, wie sich die Piste am Renntag präsentierte, wurden die Abfahrerinnen vom hohen Tempo und der damit verbundenen Höhe und Weite der Sprünge komplett überrascht. Und warum das? – Weil auf die Olympia-Abfahrt hin wegen der schwierigen Wetterverhältnisse in Whistler geradezu unprofessionell trainiert wurde.

Training war eine reine Farce

Erstens konnten die Frauen vor dem verhängnisvollen Renntag nie die ganze Piste am Stück fahren, und zweitens herrschte am Trainingstag derart schlechte Sicht, dass alle mit grosser Vorsicht zu Werke gingen. Oder anders herum gesagt: Die Athletinnen haben kein Training bestritten, dass diesen Namen auch verdienen würde. Das Rumgerutsche am Montag war eine reine Farce, damit dem Reglement Genüge getan werden konnte. Denn die Veranstalter hatten gar nichts anderes im Kopf, als das Rennen am erstbesten schönen Tag um jeden Preis durchzudrücken.

Dabei hätte ein richtiges Training bei guten Verhältnissen vieles wieder zurechtgerückt und den Athletinnen ein Gefühl für die Geschwindigkeit und die Sprünge gegeben. Spätestens seit Rennschluss wissen die Funktionäre des Internationalen Skiverbandes (FIS) und die örtlichen Organisatoren, dass sie geradezu fahrlässig mit der Gesundheit der Fahrerinnen gespielt haben. Denn die Piste an sich ist zwar höchst anspruchsvoll, aber nicht gefährlich. Das Problem sind in Wahrheit die Funktionäre, welche unter dem extremen kommerziellen Druck von Olympischen Spielen ihre Verantwortung gegenüber den Sportlerinnen nicht wahrgenommen haben.

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